Bundesrat besucht Brüssel
Bundespräsident Pascal Couchepin, Finanzminister Hans-Rudolf Merz und Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf treffen am Montag in Brüssel den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso: Dabei geht es um die bilateralen Beziehungen.
In Brüssel liegen bereits seit einer Woche die Forderungen der EU auf dem Tisch, was die bilateralen Beziehungen zur Schweiz betrifft.
Letzten Montag hatten die Aussenminister der EU-Staaten diskussionslos eine Bilanz der bilateralen Beziehungen zur Schweiz genehmigt.
Diese listet auf, wo der Schuh auf Seiten der EU drückt. Die Bilanz dient somit als eine Art Vorlage für das Treffen, an dem ausser Bundespräsident Couchepin auch Finanzminister Merz und Justizministerin Widmer-Schlumpf teilnehmen.
Dabei geht es vor allem um den Steuerstreit und den freien Personenverkehr.
Ärger wegen Steuerföderalismus
Beim Steuerstreit zwischen der Schweiz und der EU sieht der EU-Ministerrat laut dem Dokument «mit grosser Sorge, dass die Schweiz auf ihre Unternehmen bestimmte kantonale Steuerregelungen anwendet, die aus der Sicht der EU staatliche Beihilfen darstellen».
Diese seien mit dem bilateralen Freihandelsabkommen «unvereinbar», wird unterstrichen. Der Ministerrat «appelliert an die Schweiz, diese steuerlichen Anreize abzuschaffen». Bekanntlich bestreitet Bern diese Sichtweise und will darüber auch nicht mit Brüssel verhandeln.
Dialog statt Verhandeln
Der Bundesrat hat sich aber doch auf einen Steuerdialog mit der EU eingelassen. Die Erwartung in Brüssel ist hoch, dass die Schweiz eine Lösung für den Steuerstreit präsentiert.
Letzte Woche hatte Merz einen «Grundstein» für eine neue, natürlich autonome, Unternehmenssteuerreform veröffentlicht. Namentlich die Ankündigung, die Briefkastenfirmen abschaffen zu wollen, wurde von der EU-Kommission umgehend begrüsst.
Zudem will Merz einem weiteren Kritikpunkt Brüssels entgegenkommen: Bei Holdings und Verwaltungsgesellschaften sollen in- und ausländische Erträge künftig gleich behandelt werden.
Knackpunkt Personenverkehr
Bei der Personenfreizügigkeit kritisiert die EU seit längerem, dass Firmen aus der EU sich acht Tage im Voraus anmelden müssen, bevor sie in der Schweiz Aufträge ausführen dürfen.
Das Dokument betont, dass dadurch das «ordnungsgemässe Funktionieren» des Freizügigkeitsabkommens «zu Lasten der EU-Bürger und -Unternehmen gefährdet» sei.
Auch da wird es für die Bundesratsdelegation nicht angenehm sein, wenn der Streit über diese Detailregel im Vorfeld der Schweizer Volksabstimmung über die Freizügigkeit am 8. Februar 2009 erneut aufs Tapet kommt.
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Freier Personenverkehr
EU erwartet «parallele Fortschritte»
Generell betont der EU-Ministerrat, dass er beim Abschluss neuer bilateraler Abkommen «parallele Fortschritte in allen Bereichen der Zusammenarbeit» erwartet. Im Klartext heisst das, dass alle Anliegen und alle Forderungen miteinander verknüpft werden.
Wenn es beim Steuerstreit und anderen strittigen Fragen keine Einigung gibt, dann werden die Verhandlungen über den Agrarfreihandel oder ein Strommarktabkommen gebremst.
Überbewerten sollte man diese vor einer Woche genehmigte Dokument allerdings nicht. Es ist das Resultat einer Debatte, die der französische EU-Vorsitz über die Beziehungen der EU zu allen vier Efta-Staaten, also auch zu Norwegen, Island und Liechtenstein, angeordnet hat.
Doch es bestätigt einmal mehr, dass die EU-Staaten die wesentlichen Kritikpunkte der EU-Kommission an die Adresse der Schweiz mittragen.
swissinfo, Simon Thönen, Brüssel
Die Schweiz wird wegen ihres Bankgeheimnisses und Steuersystems immer wieder kritisiert und als «Steuerparadies» bezeichnet.
Dies, obwohl mit der EU Abkommen zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Geldwäscherei und zur Besteuerung europäischer Guthaben existieren.
Namentlich Deutschland wirft der Schweiz vor, wegen mangelnder Transparenz sei es unmöglich, Fälle von Steuerhinterziehung aufzudecken.
Steuerhinterziehung wird in der Schweiz strafrechtlich nicht verfolgt, Steuerbetrug hingegen schon.
Das Abkommen über den freien Personenverkehr mit den 15 «alten» EU-Staaten ist seit dem 1. Juni 2002 in Kraft.
Im September 2005 hat das Schweizer Stimmvolk einer Ausdehnung auf die zehn Länder zugestimmt, die im Mai 2004 zur EU stiessen.
Der freie Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU ist bis 2009 befristet.
Seitens der EU wird das Abkommen stillschweigend verlängert, in der Schweiz ist die Fortführung dem fakultativen Referendum unterstellt.
Gleichzeitig mit der Weiterführung soll die Personenfreizügigkeit auf die neusten beiden EU-Mitglieder, Rumänien und Bulgarien, ausgedehnt werden.
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