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Bundesrat im Kreuzfeuer medialer Kritik

Bundespräsidentin Doris Leuthard nach der Veröffentlichung des GPK-Berichts. swissinfo.ch

Einen Tag nach der Publikation des Berichts der Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) zur UBS-Affäre hält die Presse mit ihrer Kritik an der Regierung und an der UBS nicht zurück. Die Meinungen gehen jedoch auseinander, ob es eine Parlamentarische Untersuchungs-Kommission brauche.

Fast einig ist sie sich auch, dass der Bericht selbst keine Fragen mehr offen lässt, sehr einig, dass Finanzminister Hans-Rudolf Merz sehr viel Schuld trifft.

Der Bericht sei eine «Steilvorlage für weitere Untersuchungen im Rahmen einer PUK», kommentieren Tages-Anzeiger und Der Bund. Und: Sie sind für die Einrichtung von Zivilklagen gegen die UBS. «Die Steilvorlagen liefern die Aussagen von Beteiligten bei der UBS selbst und beim Finanzdepartement über ihre Rolle bei der Herausgabe von Kundendaten an die USA im Februar 2009.»

Die UBS hinter allem

Glaube man den Verantwortlichen der Eidgenössischen Steuerverwaltung, sei es sogar die UBS gewesen, welche die Amerikaner zu Drohgebärden gegenüber der Bank animierte – mit dem Ziel, einen Deal abzuschliessen, der die Manager aus dem Schussfeld nahm.

«Die UBS bestreitet diese Darstellung natürlich», so der Tagi: Anlass genug, zu untersuchen, was nun stimmt.

Auch die Neue Zürcher Zeitung kommentiert den Klärungsbedarf der Rolle der UBS. Die NZZ lobt den Bericht, doch «nicht zu befriedigen vermag hingegen die Auslegeordnung zur Rolle der UBS». Die NZZ erinnert daran, dass das behördliche Malaise ja erst durch das Fehlverhalten der Grossbank verursacht wurde.

Für und gegen eine PUK

Hier liege der Schwachpunkt des GPK-Berichts. Auch die NZZ findet, eine PUK könnte dort einhaken, wo die Arbeit der GPK endet. Doch werde «das Gezerre um eine PUK von parteitaktischen Opportunitäten überlagert». Ohne einen «vernünftig eingegrenzten Auftrag zu formulieren», so die NZZ, mache eine PUK wenig Sinn.

Für eine PUK spricht sich auch die Boulevardzeitung Der Blick aus. Zufrieden mit der «beeindruckenden Fleissarbeit» der GPK, reiche diese aber nicht. «Welche Rolle der UBS-Filz in Bundesrat und Finanz-Aufsicht spielte, ist längst nicht geklärt.»

Keine PUK verlangt die Basler Zeitung. Doch müsse die UBS Hand bieten für das Einsetzen einer unabhängigen Experten-Kommission, die die jüngste Vergangenheit aufarbeite. Auch die Grossbank stehe «gegenüber der Gesellschaft, die sie gleich mehrfach gerettet hat», in der Pflicht.

Keine PUK will auch Die Südostschweiz. Damit würde das Parlament dem Volk «mit einem symbolischen Akt» bloss etwas vorgaukeln. Die Zeitung wünscht sich deshalb lieber eine wirkliche Regierungsreform. Auch für die Berner Zeitung wäre es eine Illusion zu glauben, eine PUK würde die UBS-Affäre vollständig ausleuchten.

Ähnliches kommentiert die Westschweizer Tageszeitung Le Temps: «Es bräuchte schon sehr viel Energie, sogar für eine PUK, damit die Wahrheit ans Licht käme.» Denn nicht nur der Bundesrat sei auf das Aufbrechen der Krise nicht vorbereitet gewesen, ein grosser Teil der politischen Akteure und der Wirtschaftskreise waren es auch nicht.

La Liberté fordert, dass die Grossbank jetzt untersucht wird. Der Quotidien jurassien verlangt sogar, dass die UBS-Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Konkordanz – eine Illusion?

Wenn es wirklich wahr sein sollte, dass in der Regierung die Furcht vor Indiskretion stärker ist als der Wille zur Zusammenarbeit, folgert der Tessiner Corriere del Ticino, «dürfte auch ein Regierungs-Reförmchen nicht genügen, um endlich wieder einen Bundesrat zu haben, der Krisen voraussehen kann und der die Interessen des Landes in schwierigen Momenten zu verteidigen imstande ist.»

«Das hiesse nämlich», so der Corriere im weiteren, «dass das gesamte Regierungsmodell zur Zeit nicht so funktioniert wie es sollte. Dass das Konkordanz-Modell eigentlich schon Illusion ist.

Wenn mit dem gegenwärtigen Regierungssystem die UBS-Desaster nicht aufgefangen werden konnten und wir jetzt den Preis dafür bezahlen müssen, so der Corriere, «werden wir morgen mit weiteren, gleichermassen schweren Krisen konfrontiert sein».

Vor Ähnlichem warnt Le Matin: Es bleibe keine Zeit mehr, sich über Reförmchen zu beugen, die die GPK oder der Bundesrat vorschlage. Die Krise sei derart gross, dass nur eine tiefgreifende Reform Besserung verspreche. «Die Schweiz ist mit der UBS-Affäre nochmals davongekommen…es wird nicht jedes Mal so bleiben.»

«Kompendium des Versagens»: Merz am Pranger

Das wenige Lob, das für die Akteure in der Krise abfällt, gilt der Schweizerischen Nationalbank. Die Pressekommentare halten sich dabei an den GPK-Bericht. «Gerettet haben einige besonnene Köpfe in der Nationalbank», schreibt die Aargauer Zeitung, die fast als einzige den GPK-Bericht «nicht gerade als das Gelbe vom Ei» erachtet.

Dennoch sei er ein «Kompendium des Versagens»: Hans-Rudolf Merz wird deshalb von der Zeitung der Rücktritt nahe gelegt: «Merz muss gehen».

Auf Merz hat sich die gesamte Presse eingeschossen: «Merz wusste alles und begriff nichts», titelt Der Blick: «UBS-Freund Merz hoffte, als Dr. Feelgood des Casino-Kapitalismus zusammen mit der UBS, sich mit Bankenplatz-Schlauheiten rauszuwinden.»

Laut Berner Zeitung hat Merz sich «einmal mehr massiv überschätzt und wollte im Alleingang die Angelegenheit meistern». Die Libyen-Affäre lasst grüssen.

Von «haarsträubenden» Erkenntnissen spricht die Luzerner Zeitung: «Vom Gärtlidenken der Regierung bis zur Bankenaufsicht, die zu stark von den zu beaufsichtigenden Banken abhängt.»

Die gesamte Schweizer Presse vollzieht die Kritik der GPK an Finanzminister Merz und den anderen Mitgliedern des Bundesrats nach. Vielen Kommentaren geht die Kritik sogar zu wenig weit.

Laut NZZ unterstellt der GPK-Bericht der Regierung, dass sie nicht in der Lage sei, als Kollegium zu handeln: «Dieser happige Vorwurf trifft zuallererst Finanzminister Hans-Rudolf Merz.»

Diese «geharnischte» Kritik des Parlaments habe Hand und Fuss, sie lasse sich weder beiseiteschieben noch schönreden. «Bundespräsidentin Doris Leuthard reagierte unmittelbar nach der Präsentation des GPK-Berichts denn auch eher kleinlaut.»

«Der Vorwurf, dass sieben Departementsvorsteher noch keine Regierung ausmachen, bleibt bestehen.» Ausserhalb der konkordanten Schweiz würde ein solcher Vorwurf mit einer «veritablen Regierungskrise gleichgesetzt», so die NZZ.

Alexander Künzle, swissinfo.ch

In der laufenden Sommersession entscheiden die Räte, ob es eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zu dieser Affäre geben wird.

Bisher hat das Parlament nur vier Mal eine PUK eingesetzt.

1964 in der so genannten Mirage-Affäre, als es um überzogene Ausgaben ging.

1989 wurde eine PUK gebildet, um Klarheit über die Gründe zu erhalten, weshalb Bundesrätin Elisabeth Kopp demissioniert hatte.

1990 gab es eine PUK rund um die Fichenaffäre, um die Verantwortlichkeiten innerhalb des Staatsapparats darzulegen.

1995 musste eine PUK die Gründe finden, weshalb es innerhalb des Pensionskasse des Bundes zu einem derart grossen Defizit kommen konnte.

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