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Bundesrat Merz tritt zurück

Bundesrat Hans-Rudolf Merz tritt vor die Medien in Bern. Keystone

Der 67-jährige Bundesrat Hans-Rudolf Merz hat seinen Rücktritt auf Ende Oktober bekannt gegeben. Als Finanzminister hatte er die Bundesfinanzen im Griff. Dagegen entglitt ihm als Politiker so manches, besonders auf dem internationalen Parkett.

Merz war als Vertreter des freisinnigen Wirtschaftsflügels im Dezember 2003 in die Regierung gewählt worden (Freisinnig-Demokratische Partei, FDP).

Er habe, so erklärte er in Bern vor den Medien, während der Sommerferien wie angekündigt eine Bilanz gezogen, aufgrund der er am Freitagmorgen Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer sein Demissionsschreiben eingereicht habe.

Bereits im Frühjahr sei festgestanden, dass er je nach Ausgang der Sommersession zurücktreten werde. Diese sei nun so verlaufen, dass er gehen könne.

Der schwere Entscheid sei ihm erleichtert worden, da er wichtige Ziele erreicht habe. Merz erwähnte den sehr guten Rechnungsabschluss 2009, der es der Eidgenossenschaft erlaubte, 11 Milliarden Franken Schulden abzubauen.

Weiter nannte er der Abschluss und die Ratifizierung der ersten zehn Doppelbesteuerungs-Abkommen sowie die Verabschiedung des UBS-Staatsvertrags durch das Parlament.

Viertens nannte Merz die Rückkehr der beiden in Libyen festgehaltenen Schweizer.

Die OECD anerkannte zusammen mit dem Internationalen Währungsfond die Art, wie die Schweiz die Finanzkrise bewältigte.

Keine Überraschung

Dennoch kommt Merz› Rücktritt nach knapp sieben Jahren nicht überraschend.

Seine Amtszeit war gezeichnet von schwierigen Umwälzungen der Finanzsysteme mit entsprechend gravierenden Folgen für den Finanzplatz Schweiz. Beim Bankgeheimnis wurde die Schweiz gezwungen, erleichterte Amtshilfe an das Ausland zu gewähren.

Nicht nur wegen dieser Aufweichung, sondern auch wegen der Libyen-Krise und dem UBS-Rettungspaket kam Merz unter grossem Druck.

Kein Druck seitens der Partei

Die ständige Medienschelte hatte dazu geführt, dass Merz immer mehr zu einem Bleigewicht für seine Partei wurde – auch wenn ihn diese immer verteidigt hat.

Merz sagte am Freitag vor den Medien, dass ihn die Partei nicht unter Druck gesetzt habe, zurückzutreten. Die Abmachung mit der FDP sei gewesen, dass er die Sommerferien nutze, um in Ruhe Bilanz zu ziehen.

«Das ist in aller Freiheit geschehen.» Er habe diese Bilanz mit der Parteileitung besprochen, und sich den Schritt reiflich überlegt. Er sei ihm schwergefallen.

Bereits im Frühjahr sei festgestanden, dass er je nach Ausgang der Sommersession zurücktreten werde. Diese sei nun so verlaufen, dass er gehen könne.

Mit Leuenberger besprochen

Die Rücktrittsfrage habe er auch mit Bundesrat Moritz Leuenberger besprochen. Dabei hätten sie aber festgestellt, dass die Ausgangslage für beide eine andere sei. Leuenberger habe von seinem vorbehaltenen Entscheid gewusst. Leuenberger habe aber nicht wissen können, ob er dann auch wirklich zurücktrete.

Die Nachfolge von Bundesrat Moritz Leuenberger, der im Juli seinen Rücktritt auf Ende Jahr angekündigt hatte, wird in der Dezembersession geregelt, jene von Merz schon vorher, in der Herbstsession.

«Ich werde im Bewusstsein aus dem Bundesrat scheiden, dieses Amt mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften ausgeübt zu haben», sagte ein sichtlich bewegter Bundesrat Merz. Es sei ihm eine Ehre, diesem Land zu dienen.

Gesundheit keine Rolle

Bei der Evaluierung des Rücktrittszeitpunkts auf Anfang Oktober hat laut Hans-Rudolf Merz die Frage seiner Gesundheit keine grosse Rolle gespielt.

Er habe diesen Frühling einen kardiologischen Test gemacht, der hervorragend ausfiel, und sei zu 100 Prozent leistungsfähig. Man solle aber aufhören, wenn man noch könne und nicht dann wenn man müsse, sagte er.

Merz hatte im Herbst 2008, mitten im Sturm um die UBS, als die Nationalbank und das Finanzdepartement zu Hilfe eilten, einen schweren Herzinfarkt erlitten. Vorübergehend lag er gar im Koma. Nach einer Bypass-Operation war er gezwungen, bis November 2008 auszusetzen.

Bereits damals war die Frage nach einer Demission aufgekommen. Doch Merz wollte mit Stolz 2009 die Bundespräsidentschaft antreten. Diese brachte ihm jedoch nur Ungemach (Ergebnisloser Flug nach Tripolis trotz Entschuldigungen, Übergabe der UBS-Bankkundenliste an die USA).

Kürzlich hat die Geschäftsprüfungskommission schwere Mängel in seiner Amtsführung festgestellt. Weitere Kratzer an seinem Image gab es, als im Juni gar herauskam, dass ohne sein Wissen eine Militäroperation zur Geiselbefreiung angedacht oder vorgeplant gewesen sei.

Dennoch: Am Freitag erklärte er in Bern, die nächsten sieben Jahre gesundheitlich fit in Angriff zu nehmen.

«Amt gerne ausgeführt»

Die mediale Kritik an seiner Amtsführung und der damit verbundene Druck hätten beim Entscheid schon eine Rolle gespielt. Grosse Vorwürfe an die Adresse der Medien wollte er aber nicht äussern.

Er habe sein Amt gerne ausgeführt und dem Land «wirklich gerne» gedient.

Keine Rolle für seinen Rücktritt soll auch das Klima im Bundesrat gespielt haben. Es gebe keinen Krieg. Bezogen auf einige Dossiers gebe es natürlich Spannungen. «Auf menschlicher Ebene ist das Klima aber ganz angenehm», sagte er.

Er stellte in Abrede, dass es zwischen ihm und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey einen offenen Konflikt über den Umgang mit der Libyen-Krise gibt.

Reaktionen

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse bedauert Merz› Rücktritt. «Aus Sicht der Wirtschaft hat Herr Merz einen sehr guten Job gemacht», sagt economiesuisse-Präsident Gerold Bührer. Er streicht vor allem Merz› Leistungen bei der Ausgaben- und Steuerpolitik heraus (Schuldenbremse, Unternehmens-Steuerreform).

Mit der entstandenen Doppelvakanz macht die Schweizerischen Volkspartei (SVP) erneut ihren Anspruch auf zwei Bundesrats-Sitze geltend. Der Zeitpunkt sei gekommen, um über die Zusammensetzung der Regierung über 2011 hinaus zu sprechen. Die SVP lade die anderen Bundesrats-Parteien deshalb zu einer Aussprache ein.

Von der Sozialdemokratischen Partei (SP) erntet der zurücktretende Bundesrat vor allem Kritik für seinen Umgang mit der UBS- und der Libyen-Krise sowie für seinen Sparkurs bei den Bundesfinanzen. Merz hinterlasse eine Reihe ungelöster Probleme.

Nach dem angekündigten Rücktritt von Merz will die FDP Kanton Zürich eine Kandidatur aus den eigenen Reihen prüfen. Wichtig seien vor allem unternehmerischer Sachverstand. FDP-Fraktionschefin Gabi Huber will den Sitz ihres scheidenden Bundesrats mit aller Kraft verteidigen. Sie warnt davor, die Konkordanz und damit einen «wichtigen Teil der Stabilität der Schweiz» aufs Spiel zu setzen. Die FDP stützt sich auf einen Wähleranteil von 17,7%.

Die Christdemokraten (CVP) hat sich nach dem Rücktritt von Merz noch nicht entschieden, ob sie den FDP-Bundesratssitz angreifen wollen. CVP-Präsident Christophe Darbellay wittert einen Pakt zwischen dem Freisinn und der SP.

Auch die Grünen erheben Anspruch auf den freiwerdenden Sitz. Die Zeit für eine grüne Vertretung in der Regierung sei überreif, so teilte die Partei mit.

swissinfo.ch

Hans-Rudolf Merz ist Ende 2003 als Nachfolger von Kaspar Villiger für die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) in den Bundesrat gewählt worden.

Von Villiger übernahm er das Eidgenössische Finanzdepartement.

Zuvor vertrat er im Ständerat den Kanton Appenzell-Ausserrhoden.

Merz hatte an der Hochschule St. Gallen Staatswissenschaften studiert und mit dem Doktortitel abgeschlossen.

Darauf zog er als Unternehmensberater in die weite Welt hinaus. Erst 1997 wandte er sich der Politik zu.

Merz wird am 10. November 2010 68-jährig. Er ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Söhnen.

1959-2003
Das Zeitalter der Zauberformel: 2 FDP (Freisinnig-Demokratische Partei), 2 CVP (Christlichdemokratische Volkspartei), 2 SP (Sozialdemokratische Partei), 1 SVP (Schweizerische Volkspartei)

2003 Die SVP luchst mit Christoph Blocher der CVP einen Sitz im Bundesrat ab: 2 SVP, 2 FDP, 2 PS, 1 CVP

2008
Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf treten aus der SVP aus und werden Mitglieder der neugegründeten Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP).

Bundesrat: 2 SP, 2 FDP, 2 BDP, 1 CVP

2009
Im Januar tritt Ueli Maurer (SVP) die Nachfolge des zurückgetretenen Samuel Schmid (BDP) an. Die SVP ist somit wieder im Bundesrat vertreten: 2 SP, 2 FDP, 1 CVP, 1 SVP, 1 BDP

Am 16.September wählt das Parlament Didier Burkhalter (FDP) als Nachfolger für den zurückgetretenen Bundesrat Pascal Couchepin (FDP).

2010
Am 8.Dezember wählt die Bundesversammlung einen neuen Minister als Nachfolger von Moritz Leuenberger (SP), der sein Amt auf Ende Jahr aufgibt.

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