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Bundesratswahlen im Zeichen der Kontinuität

Zum ersten Mal mit einer Frauenmehrheit: Die neue Landesregierung mitsamt Bundeskanzlerin. Keystone

Mit der Wahl des freisinnigen Johann Schneider-Ammann und der Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga setzt das Parlament ein Jahr vor den eidgenössischen Wahlen auf Kontinuität. Die beiden waren offizielle Kandidaten ihrer Partei und stehen für Integration und Ausgleich.

«Wie bereits vor einem Jahr, als es um die Nachfolge von Pascal Couchepin ging, war auch jetzt der Wille des Parlaments spürbar, mit Ruhe und Würde in diese Wahl zu gehen. Es gab keine giftigen Kommentare», sagt der Politologe Mark Balsiger gegenüber swissinfo.ch.

Dieser Befund verstärke sich zudem mit einem Blick auf die gewählten Personen: «Die Gewählten haben beide das Potential, den Bundesrat als Kollektiv zu stärken. Beide sind ausgleichende, integrative Persönlichkeiten, die ihre Person nicht in den Vordergrund stellen.»

Deshalb werde die Landesregierung «einen Qualitätssprung machen». Balsiger nimmt damit Bezug auf Indiskretionen aus den Bundesratssitzungen, Alleingänge einzelner Mitglieder und Kommunikationspannen der vergangenen Monate und Jahre: «Ich bin sehr optimistisch, dass der Zusammenhalt mit den beiden Neuen verstärkt wird und dass diese latente Angst vor Indiskretionen abnimmt.»

SP und FDP hatten gleiche Interessen

Die Wahl von zwei offiziellen Kandidaten und damit der Erhalt der Zusammensetzung des Bundesrates nach Parteien sei auch eine Folge des «sehr transparenten und professionell durchgeführten Kandidaten-Auswahlverfahrens», sagt Balsiger.

In der Tat haben die Sozialdemokraten für die Nachfolge ihres Bundesrates Moritz Leuenberger und die Freisinnigen für die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt, die auch von den andern Parteien geachtet werden und deshalb als wählbar galten.

Dazu kommt, dass weder der Freisinn noch die Sozialdemokraten ein Jahr vor den Wahlen ins eidgenössische Parlament sich gegenseitig einen Sitz streitig machen wollten. «Sozialdemokraten und Freisinnige haben sich gegenseitig geholfen. Deshalb konnte man schon im Vorfeld sagen, dass es keine Überraschung geben wird, dass also Sprengkandidaten der Grünen oder der SVP keine Chance haben werden», sagt Balsiger.

Sprengkandidat beide Male im Schlussgang

Das Parlament habe nun deutlich gemacht, dass es den Anspruch der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) auf einen «weiteren Sitz erst dann zu diskutieren bereit ist, wenn die Legislatur beendet ist», so Balsiger.

Ohne Zweifel wird die Sitzverteilung im Bundesrat im Herbst 2011 wieder aufs Tapet kommen. Auch wenn noch nicht klar ist, wer die Wahlen ins Parlament gewinnen und wer sie verlieren wird, steht ausser Zweifel, dass die SVP einen zweiten Sitz einfordern wird.

Nach dem Parteiausschluss der als SVP-Mitglied gewählten Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf stellt die SVP mit Ueli Maurer nur einen Bundesrat. Mit einem Wähleranteil von 30% ist sie die stärkste Partei. Die Freisinnigen und die Sozialdemokraten haben mit einem wesentlich kleineren Wähleranteil jedoch je zwei Sitze in der Regierung.

Vor diesem Hintergrund hatte die SVP ihren Anspruch auf den einen Sitz geltend gemacht und mit Jean François Rime einen Sprengkandidaten aufgestellt. Rime kandidierte für den Sitz der Sozialdemokraten und auch für den freisinnigen Sitz und schaffte es beide Male in den Schlussgang.

Gut für die Mobilisierung

Er stelle bei der SVP «einen gewissen Lernprozess fest», sagt Balsiger, denn «sie hat sich sehr bemüht, einen Kandidaten aufzustellen, der wählbar wäre». Rime sei kompromissfähig und nicht immer auf derselben Linie wie die Schlüsselfiguren der SVP: «Mit seinem charmanten und hoch anständigen Auftritt» habe er sich Sympathiepunkte geholt und sei damit trotz seiner Nichtwahl «nicht der Verlierer des heutigen Tages».

Auch die SVP rückt die Nichtwahl ihres Kandidaten eher in ein positives Licht. Sie könne nun mit ihrer geplanten Strategie in den Wahlkampf 2011 ziehen, schreibt die Partei in einer Reaktion. Sie habe ihren Kampfeswillen demonstriert und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass sie im Bundesrat nach wie vor untervertreten sei. Für die Mobilisierung von Wählern sei dies sehr wichtig.

Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive).

Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden.

Ein Mitglied der Landesregierung wird «Bundesrat» oder «Bundesrätin» genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor.

Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin gewählt. Das Amt ist repräsentativ und nicht mit zusätzlicher Macht verbunden.

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