Calmy-Rey wünscht mehr Respekt für die Schweiz
Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey hat Kritik aus Frankreich und der EU am Schweizer Steuersystem zurückgewiesen.
Die Schweiz habe in dieser Angelegenheit keine Ratschläge entgegenzunehmen, sagte sie am Freitagabend im Westschweizer Fernsehen.
Sie wünsche sich etwas mehr Respekt, sagte die Genfer Sozialdemokratin zur scharfen Kritik von Arnaud Montebourg.
Der Sprecher der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal hatte der Schweiz am Dienstag in einem Artikel in der Zeitung «Libération» «raubtierhafte Praktiken» im Steuerwettbewerb vorgeworfen. Die Schweiz sei eine «taktlose Nachbarin».
Montebourg hatte das Schweizer Steuersystem im Zusammenhang mit der Steuerflucht des erfolgreichsten französischen Rocksängers Johnny Hallyday nach Gstaad im Berner Oberland ins Visier genommen.
Seit dessen Steuerflucht in die Schweiz ist das Thema Steuern eines der dominierendsten des Wahlkampfs in Frankreich.
Vom Stimmvolk gutgeheissen
Es gehe um eine Frage des Steuerwettbewerbs, bei dem jeder seine eigenen Interesse verteidige, konterte die Bundespräsidentin. Auch die Schweiz verteidige ihre Interessen.
Die Schweizer Steuergesetze seien transparent und vom Volk gutgeheissen. Wenn man sie ändern wolle, so sei dies eine Frage, die vom Schweizer Stimmvolk zu beschliessen sei.
«Wir brauchen aber keine Ratschläge entgegenzunehmen», betonte Calmy-Rey. Die Bundespräsidentin erinnerte auch daran, dass die Schweiz rund 100’000 französischen Grenzgängern eine Arbeit biete und mit der EU ein Zinsbesteuerungsabkommen abgeschlossen habe.
Steuern an die EU
Als wohl einziges Land der Welt ziehe die Schweiz dabei Steuern für die EU ein und überweise diese an die Mitgliedstaaten. 2006 seien es rund 300 Millionen Franken gewesen.
Die Bundespräsidentin machte weiter darauf aufmerksam, dass die Schweiz die zweitgrösste Kundin der EU sei und eine negative Handelsbilanz mit der Gemeinschaft habe.
Steuerstreit mit EU
Anwürfe gegen das Schweizer Steuersystem kommen nicht allein aus Frankreich. Zwischen der EU und der Schweiz herrscht seit geraumer Zeit ein Steuerstreit.
Brüssel kritisiert, dass Gesellschaften ohne Geschäftstätigkeit in der Schweiz von der kantonalen Gewinnsteuer befreit sind. Dies verletze das Freihandelsabkommen von 1972.
swissinfo und Agenturen
Die Steuerflucht des Altrockers Johnny Hallyday in den noblen Kurort Gstaad im Berner Oberland hat letzten Dezember das Thema Steuerflucht wieder angekurbelt.
Hallyday will jedes Jahr sechs Monate und einen Tag in seinem umgebauten Chalet im Berner Oberland wohnen und in der Schweiz über 300’000 Euro Steuern zahlen, viel weniger als in Frankreich.
Der Sänger unterstützt den Wahlkampf des konservativen Kandidaten Nicolas Sarkozy, der Chiracs Regierungspartei UMP angehört.
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