Calmy-Reys Neutralitätspolitik erneut in den Schlagzeilen
SVP-Präsident Ueli Maurer hat den Bundesrat, die Schweizer Regierung, aufgefordert, Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zu entmachten.
Die auch von anderen bürgerlichen Politikern hart kritisierte Bundesrätin erhält aber Schützenhilfe durch CVP-Präsidiums-Kandidat Christophe Darbellay.
Die Forderung nach Entmachtung der Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) machte der Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in einem Interview der «SonnntagsZeitung».
Man müsse ihr das Dossier Aussenpolitik entziehen. Die Entwicklungshilfe könnte sie behalten, sagte Maurer. Nach den Bundesratswahlen vom Herbst 2007 könnte die Bundesrätin der Sozialdemokratischen Partei (SP) dann das Departement wechseln.
Schmid statt Calmy-Rey
Wie bereits nach der Rücktrittsankündigung von Bundesrat Joseph Deiss empfahl der SVP-Präsident, der derzeitige SVP-Verteidigungsminister Samuel Schmid könnte dann das Aussenministerium übernehmen.
Aus Maurers Sicht fände dieser «mit seiner zurückhaltenden und überlegten Aussenpolitik» im Gremium eine Mehrheit. «Schmid wäre der geborene Aussenminister.» Und Maurer weiter: «Die SVP hätte mit Samuel Schmid im EDA weniger Konflikte als jetzt im Militärdepartement.»
Wahlstrategie
Die SVP hat Calmy-Rey wegen ihrer Äusserungen zur Neutralität unter Dauerbeschuss genommen. Maurer sagte, es gehe ihm aber auch ums Prinzip. Wenn ein Mitglied des Bundesrats permanent nicht die Haltung der Regierung vertrete, müsse der Bundesrat das entsprechende Dossier dem Kollegen oder der Kollegin wegnehmen.
Für die «SonntagsZeitung» verfolgt Maurer mit seinem «Putschversuch» ein langfristiges Ziel: «Er versucht, Aussenpolitik und Neutralität zum Thema für den beginnenden Wahlkampf zu machen.» Maurer sei in der Defensive, schreibt das Blatt und kommentiert: «Traditionelle SVP-Themen wie Asyl oder EU dürften nach den Abstimmungen im Herbst nicht mehr das gleiche Gewicht haben wie früher.»
Schützenhilfe vom CVP-Präsidiums-Kandidaten
Die Aussenministerin verdiene für das, was sie bisher geleistet habe, mehr Lob als Kritik, sagte Christophe Darbellay, Nationalrat der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), in einem Interview der «Südostschweiz am Sonntag». Dass Calmy-Rey den israelischen Militäreinsatz in Libanon kritisiert hatte, stört ihn nicht.
«Nein, denn sie hatte Recht», antwortete Darbellay auf eine entsprechende Frage. Zwar gehöre auch die Hisbollah, die viel Leid über Israel gebracht habe, verurteilt. «Aber Tatsache bleibt: Libanon wurde zerstört.» Die Schweiz müsse nun humanitäre Hilfe leisten – wenn nötig auch mit unbewaffneten Armeeangehörigen.
Der Walliser Politiker ist der einzige Kandidat für das Präsidium der nationalen CVP. Wählen ihn die Delegierten am kommenden Wochenende, tritt er die Nachfolge von Doris Leuthard an; die Aargauerin wurde in den Bundesrat gewählt.
Für Neutralität à la Calmy-Rey
Gegen die nationalkonservativen Kräfte innerhalb der SVP grenzte sich Darbellay in dem Interview ab – und illustrierte dies an der Neutralitätspolitik. «Neutralität à la SVP bedeutet, möglichst blind und stumm zu sein. Das ist nicht meine Auffassung», sagte er. Neutralität müsse gelebt werden, wie dies Calmy-Rey wolle.
Allerdings kritisierte er deren Äusserungen zu einem Schweizer Sitz im UNO-Sicherheitsrat. «Das geht auch mir zu weit.» Ein Drama sei die Aussage nicht gewesen. «Aber ein Supergeschenk für jene Leute, die die Neutralität zum Dogma erklärt haben.»
swissinfo und Agenturen
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Neutralität
Auslöser für die Attacke von SVP-Präsident Ueli Maurer auf Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ist ihr Auftritt an der Konferenz der Schweizer Botschafter in Bern von letzter Woche.
Die EDA-Vorsteherin hatte bei dieser Gelegenheit die USA und die Europäische Union (EU) wegen deren Nahostpolitik kritisiert. Gleichzeitig verteidigte sie ihre Neutralitätspolitik und damit die Einmischung der Schweiz bei Völkerrechtsverletzungen.
Im weiteren hat die Aussenministerin ohne Rücksprache mit dem Regierungsgremium die alte Idee eines Sitzes für die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat wieder lanciert. Deswegen wurde sie an der Bundesratssitzung vom letzten Mittwoch zwar kritisiert, Folgen hatte ihr Vorstoss indessen nicht.
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