China: Amnesty Schweiz lanciert Kampagne
Vierzehn Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking hat die Schweizer Sektion von Amnesty International (AI) in Locarno eine Kampagne lanciert. Das Motto lautet: "Menschenrechte aufs Podest."
Am Samstag wird mit der Sammlung von Unterschriften begonnen. Die Petition mit 20’000 Unterschriften soll im Februar 2008 der chinesischen Botschaft in Bern übergeben werden.
Amnesty International (AI) erhebt in seiner Kampagne «Menschenrechte aufs Podest» vier zentrale Forderungen. China soll die Todesstrafe und die Umerziehungslager abschaffen, die Internetzensur aufheben und die Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger einstellen.
«Das chinesische Bewerbungskomitee hat seinerzeit versprochen, Olympische Spiele in Peking würden zur Entwicklung der Menschenrechte in China beitragen», erklärte Christine Heller, die Koordinatorin der China-Kampagne der Schweizer Sektion von AI. Von diesen Versprechen sei bis heute nichts zu sehen.
Laut AI werden Hunderttausende von Personen in so genannten Umerziehungslagern gefangen gehalten. Peking werde seit Monaten für die Olympischen Spiele «aufgeräumt»: Obdachlose, Bettler oder Strassenhändler würden verhaftet und können ohne Anklage bis zu drei Jahren inhaftiert werden.
Internet als Kontrolle
«Vor vier Jahren habe ich noch geglaubt, dass das Internet China demokratisieren werde», erklärte in Locarno der 52-jährige Philosophieprofessor und chinesische Regimekritiker Cai Chongguo, der nach dem Massaker vom Tjenanmen 1989 flüchtete und inzwischen in Paris lebt.
Doch heute sei er überzeugt, dass das Internet ein Instrument zur Kontrolle der Bevölkerung geworden sei. Mehr als 30’000 Polizisten überwachten das Internet rund um die Uhr. Hunderte von Internetseiten seien gesperrt.
Auch in Sachen Medienfreiheit sieht es düster aus. Ausländischen Journalisten wurden laut Chongguo dieses Jahr zwar mehr Freiheiten eingeräumt, doch inländischen Journalisten würde nach wie vor genau vorgeschrieben, worüber sie berichten dürften.
Olympiade als Chance
Amnesty International prangert auch die häufige Anwendung der Todesstrafe an. 2006 wurden gemäss den Recherchen von AI mindestens 1010 Menschen hingerichtet, die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen.
Trotz dieser negativen Menschenrechtsbilanz ruft AI nicht zum Boykott der Olympischen Spiele in Peking auf. «Wir sind überzeugt, dass die Olympischen Spiele in Peking eine grosse Chance sind, um die Aufmerksamkeit auf die Menschenrechte lenken zu können», sagte Daniel Bolomey, der Generalsekretär der Schweizer AI-Sektion.
Diese Meinung vertritt auch Cai Chongguo. «Ein Boykott wäre nur dann angebracht, wenn es zu einem gravierenden Ereignis wie einem Massaker kommen sollte», erklärt er gegenüber swissinfo.
Zum offiziellen Start der Kampagne hat die Schweizer Sektion von Amnesty International am Samstag anlässlich der Delegiertenversammlung in Locarno eine Petition lanciert.
Diese soll am 8. Februar 2008, genau sechs Monate vor Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking, mit mindestens 20’000 Unterschriften der chinesischen Botschaft in Bern übergeben werden. Adressiert ist die Petition an den Ministerpräsidenten der Volksrepublik China.
Gerhard Lob, Locarno
Am 13. Juli 2001 wurden auf der 112. IOC-Vollversammlung die Austragungsrechte der Olympischen Spiele 2008 an die Stadt Peking vergeben. Die Entscheidung wurde von vielen Menschenrechtsorganisationen, Dissidenten und Exiltibetern kritisiert.
In Reaktionen war von «historischer Fehleinschätzung» und «Belohnung für ein korruptes Regime» die Rede.
Von anderer Seite wurde hingegen betont, dass die Spiele eine Chance für die Demokratisierung Chinas darstellen. Das IOC selber war bemüht, die Frage der Menschenrechte beim Auswahlverfahren für die Spiele 2008 nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken.
Die olympischen Spiele finden vom 8.-24.8.2008 in Peking und erstmals in der Volksrepublik China statt.
Es wird 302 Wettbewerbe in 28 Sportarten geben.
Die Eröffnungsfeier beginnt am 08.08.2008 um 8.08 p.m.
Das Olympiastadion in Peking wurde von den Schweizer Architekten Herzog & De Meuron entworfen.
30’000 Arbeiter sind mit dem Bau der Olympiastätten beschäftigt.
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