Christian Levrat an die SP-Spitze gewählt
Wie die SVP hat auch die SP am Samstag einen neuen Präsidenten gewählt. Am ausserordentlichen SP-Parteitag in Basel wurde der 37-jährige Nationalrat Christian Levrat zum Nachfolger von Hans-Jürg Fehr ernannt.
Thema war vor allem, wie sich die Partei nach der Wahlniederlage bei den Parlamentswahlen im Herbst 2007 wieder erfolgreich positionieren kann.
Die Wahl war reine Formsache: Der Freiburger Nationalrat Christian Levrat – der ohne Gegenkandidat antrat – wurde am ausserordentlichen Parteitag der Sozialdemokratischen Partei (SP) in Basel ohne Gegenstimme gewählt.
Levrat übernimmt die Nachfolge des Schaffhauser Nationalrats Hans-Jürg Fehr. Mit der Wahl des 38-jährigen Levrat hat die SP wie die Schweizerische Volkspartei (SVP), die am Samstag den 33-jährigen Toni Brunner zum Präsidenten ernannte, die Parteispitze verjüngt.
Kämpferische Rede
Vor seiner Wahl hat der 37-jährige Levrat dargelegt, wie er die SP wieder zur Gewinnerpartei machen will.
Die alte und die neue Parteiführung der Sozialdemokraten waren sich am Parteitag einig: Die SP müsse mehr kämpfen, wenn sie bei eidgenössischen Wahlen wieder erfolgreich sein wolle, und sie müsse gerade in ihrem Kernthema, der sozialen Frage, aktiv sein. Um zu gewinnen, müsse die SP sich wieder auf eine soziale Massenbewegung stützen, sagte Levrat.
In einer kämpferischen Rede bekräftigte Levrat die Absicht, alle Vorlagen auf ihre sozialen Folgen hin überprüfen zu wollen. Auch betonte er, dass die Personenfreizügigkeit nicht auf dem Buckel der Arbeitnehmenden verwirklicht werde dürfe. «Wir werden kompromisslos für schärfere Kontrollmassnahmen kämpfen», so Levrat.
Soziale Bewegung
Den Genossinnen und Genossen rief Levrat zu, dass eine linke Partei nur als soziale Bewegung überleben könne. «Wann haben wir das letzte Mal mit einem Nachbarn, einer Bürokollegin über einen SP-Beitritt gesprochen?», fragte Levrat in den Saal.
Der scheidende SP-Präsident Hans-Jürg Fehr plädierte für eine Beibehaltung der Nähe zu den Gewerkschaften. Mit Erstaunen stelle er fest, dass es in der SP Exponenten gebe, die ihre Distanz zu den Gewerkschaften als Tugend anpriesen.
Die vier Jahre im Präsidentenamt seien schöne Jahre gewesen, sagte Fehr in seiner Abschiedsrede, die mehrmals von Applaus unterbrochen wurde. «Ich gehe ohne ein Gramm Gift oder Galle.» Kurz nach der Niederlage der SP bei den eidgenössischen Wahlen im vergangen Herbst hatte Fehr seinen Rücktritt angekündigt.
Gewerkschaftliches Engagement
Der 59-jährige Fehr übergibt das Zepter einem Mann mit einer vielfältigen politischen Erfahrung. Levrats parteipolitisches Engagement begann früh, aber nicht in den Farben, die er heute trägt. Mit 15 Jahren gründete er eine freisinnige Jugendsektion. Mit 19 verliess er die Partei dann, weil sie die Initiative zur Abschaffung der Armee nicht unterstützte.
Inzwischen hat er seine erste Legislatur als SP-Nationalrat hinter sich. Als Gewerkschafter gilt Levrat als Vertreter des linken Flügels der Partei. Der ausgebildete Jurist und Politikwissenschafter arbeitet seit 2001 bei der Gewerkschaft Kommunikation, seit 2003 als deren Zentralpräsident.
Erweitertes Parteipräsidium
Wie die SVP hat auch die SP neu das Vizepräsidium erweitert.
Levrat betonte, die Parteiführung werde dabei im Gegensatz zu anderen Parteien nicht auf Autorität setzen. Das würde nicht zur Kultur der SP passen, so Levrat.
SP-Generalsekretär Thomas Christen sagte, dass neben dem erweiterten Präsidium weitere interne Reformen nötig seien. So solle die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Sektionen und der nationalen Partei enger werden.
Bundesrätin Micheline Calmy-Rey sagte vor den rund 1000 Anwesenden, dass im Steuerstreit mit der EU «nur die SP eine kreative und gerechte Lösung finden kann». Nötig sei ein Ausgleich zwischen Steuergerechtigkeit und Standortvorteil.
In ihrer Rede kritisierte Calmy-Rey auch UBS-Chef Marcel Ospel. Die Schweizer Grossbank UBS musste im Strudel der US-Hypothekenkrise über 20 Milliarden Franken abschreiben.
Drei Nein-Parolen
Zu den drei eidgenössischen Vorlagen, die am 1. Juni 2008 zur Abstimmung kommen, wurde am Parteitag drei Mal einstimmmig die Nein-Parole beschlossen.
Bei den Vorlagen handelt es sich um die beiden Volksinitiativen der SVP «für demokratische Einbürgerungen» und für «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» sowie um den Verfassungsartikel «für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung».
swissinfo und Agenturen
Bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2007 erhielt die Sozialdemokratische Partei (SP) 19,5% der Stimmen. Bei den Wahlen 2003 hatte sie noch 23,3% der Stimmen erreicht.
Die SP wurde 1888 gegründet und blieb während mehreren Jahrzehnten in der Opposition.
1943 wurde die SP die stärkste politische Partei im Lande und erreichte einen Sitz im Bundesrat, 1959 den zweiten. Trotzdem stand sie weiterhin in Opposition zu den drei anderen Regierungsparteien.
Sie politisiert auf der linken Seite des politischen Spektrums: soziale Gerechtigkeit, Solidarität und mehr Lebensqualität.
Seit 1999 ist die SP die zweitstärkste Partei im Parlament. Sie hat zwei Vertreter in der Landesregierung: Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und Umweltminister Moritz Leuenberger.
Im Nationalrat zählt die SP 43 Sitze, im Ständerat 9.
Die Sozialdemokratische Partei (SP) hat nach der Wahl des neuen Präsidenten Christian Levrat am Samstag das Vizepräsidium erweitert.
Das SP-Präsidium besteht künftig neben dem Präsidenten aus fünf Vizepräsidenten. In die Ämter gewählt wurden zusätzlich zur bisherigen Basler Nationalrätin Silvia Schenker die Nationalrätinnen Jacqueline Fehr (Zürich), Pascale Bruderer (Aargau) und Marina Carobbio (Tessin) sowie der Nationalrat Stéphane Rossini (Wallis).
Die Erweiterung des Vizepräsidiums soll den veränderten Koordinations- und Repräsentationsansprüchen der Parteileitung Rechnung tragen.
Vor der Wahl war von einigen Rednern bemängelt worden, dass mit den vorgeschlagenen Kandidaten ein wenig ausgewogenes Präsidium entstehe – dies, weil etwa Vertreter der Jungsozialisten (JUSO) oder aus den Kantonen fehlen würden.
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