Christoph Blocher: Der neue Bundesrat
Nein, "Enfant terrible" kann man ihn nicht nennen, Christoph Blocher. Man müsste den 63-Jährigen eher als "Grand-père terrible" der Schweizer Politiklandschaft bezeichnen.
In einem Alter, in dem andere in Frühpension gehen und viele vom bevorstehenden Rentnerdasein träumen, wird er Bundesrat.
Christoph Blocher kam am 11. Oktober 1940 in Schaffhausen als Sohn eines Pfarrers zur Welt. Als ersten Beruf lernte er Landwirt. Auf dem zweiten Bildungsweg machte er die Matur und studierte darauf Rechtswissenschaft.
Ende 1968 wurde der frischgebackene Jurist Rechtsberater der Ems-Werke. 1971 stieg er zum Vizedirektor auf, 1973 zum Direktionsvorsitzenden, 1979 zum Delegierten des Verwaltungsrates.
1983 kauft Blocher das Unternehmen – mit Hilfe der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG), in deren Verwaltungsrat er seit 1981 sass.
1991 jagte die SBG-Nachfolgerin UBS Blocher mit Schimpf und Schande aus dem Amt. Mit diesem Rausschmiss bezahlte er seinen Kampf gegen den Anschluss der SChweiz an den Europäischen Wirtschaftsraum EWR.
Steile politische Karriere
Seine politische Karriere begann Christoph Blocher im Zürcher Studenten-Parlament, jedoch nicht auf der Seite seines linken Kommilitonen, des heutigen SP-Bundesrats Moritz Leuenberger.
1974 wurde Blocher in den Meilener Gemeinderat gewählt. Dieses lokale Engagement übte er bis 1978 aus. Dem Vernehmen nach war der Leistungsausweis des Jungpolitikers nicht besonders üppig. Aber die erste Sprosse der politischen Karriereleiter war bezwungen.
Zielstrebig werkelte Blocher an seiner politischen Karriere: 1975 bis 1980 war er Mitglied im Zürcher Kantonsrat. Dazwischen – 1977 – übernahm er auch noch das Präsidium der Zürcher SVP, das er bis heute inne hat.
1979 zielte er die nationale Politik an. Er zog als Nationalrat ins eidgenössische Parlament ein. Dort ist er Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben.
Am 1. Januar 2004 tritt er seine neue Stelle als Bundesrat an. Seine Rolle als Grossindustrieller gibt er ab.
Erfolg dank Opposition
Die Oppositionsrolle, die Blocher und seine Partei in den letzten Jahren häufig einnehmen, entstand nicht einfach über Nacht. Die Weichen für das spätere Ausscheren aus der Konkordanz-Politik hatte Blocher 1986 gestellt: Mit der Gründung der AUNS, der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz, der er als Präsident vorsteht.
Die AUNS war Blochers ausserparlamentarische Kampftruppe. Mit ihr konnte er hemdsärmliger und lauter eine «bodenständige» Oppositions-Politik vertreten. Mit der AUNS zog Blocher in den Kampf gegen die Mitgliedschaft beim EWR und bei der EU, gegen die UNO, aber auch gegen den Einsatz der Schweizer Armee im Ausland.
Die Oppositionsrolle erwies sich für Blocher und seine SVP als Glücksfall. Einem immer stärker wachsenden Bevölkerungsanteil gefielen offenbar die «Messerstecher-Inserate», die Kampagnen gegen die «Linken und Netten» oder dieses Jahr gegen die Freisinnige Partei FDP, die von der SVP kurzerhand in «Weichsinnige» umgetauft wurde.
Rücksicht auf Klientel
Jemand, der «denen da oben», der «Classe politique», mal die Meinung sagt, scheint dem Volk zu gefallen. Blocher und seine Partei vermitteln den Eindruck einer in sich stimmigen, konsequenten Politik: Sie sind gegen mehr Staatsausgaben, für die Senkung des Ausländeranteils und setzen sich für Steuersenkungen ein.
Die FDP-Parole «Mehr Freiheit, weniger Staat» wird von der SVP besonders hartnäckig in die Tat umgesetzt. Blocher weicht von diesem Weg jedoch ab, wenn es um die Befriedigung der Bedürfnisse der Landwirtschaft geht.
Dort wird der Kampf gegen die «heilige Kuh», den Subventionsabbau, viel weniger intensiv geführt als auf anderen Gebieten. Mögliche Erklärung: Die Bauern gehören zur Stamm-Wählerschaft der SVP. Zudem sind sie überproportional zu ihrem Bevölkerungsanteil in eidgenössischen Parlament vertreten.
Blocher setzt sich meistens dafür ein, dass der Staat der Wirtschaft grösstmögliche Freiheit und Verantwortung überlässt. So sprach er sich auch vehement gegen die staatliche Unterstützung der neuen Fluggesellschaft Swiss aus. 1988 jedoch, als es darum ging, die Aktionäre des nicht realisierten Kernkraftwerks Kaiseraugst mit 350 Millionen Steuerfranken zu entschädigen, war er einer der Hauptinitianten gewesen.
Einschwenken auf Konkordanz?
Noch am Abend nach den Parlamentswahlen, am 19. Oktober, verlangte seine Partei ultimativ, Christoph Blocher als zweiten SVP-Bundesrat auf Kosten der CVP in die Landesregierung zu wählen.
Seither wurde der Umgangston von Christoph Blocher moderater . Er präsentierte sich als weltgewandter Staatsmann und gab sich sehr konziliant. Es schien, dass er sein Image als Demagoge, als Volksverführer, loszuwerden versuchte. Stattdessen wollte er als «Landesvater» wahrgenommen werden.
Die andere Seite des Christoph Blocher ist aber nicht «verschwunden». So stellt er in Aussicht, eine kompromisslose Opposition zu betreiben, falls er nicht zum Bundesrat gewählt würde. In diesem Fall hätte er seine rhetorischen Fähigkeiten und finanziellen Ressourcen kompromisslos in den Dienst des Kampfes gegen die Politik der Landesregierung gestellt.
swissinfo, Etienne Strebel
1974-78: Mitglied des Gemeinderates Meilen
1975-80: Mitglied des Zürcher Kantonsrats
Seit 1977: Präsident der SVP des Kantons Zürich
Seit 1979: Mitglied des Nationalrats
Seit 1986: Präsident der AUNS (Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz)
Ab 1.1.2004: Bundesrat
Blocher und die Banken
1981 holte die Schweizerische Bankgesellschaft SBG Blocher als «dynamisches Mitglied einer jüngeren Unternehmergeneration» in ihren Verwaltungsrat.
1983 finanzierte sie dem damals noch nicht so vermögenden Blocher den Kauf der Ems-Chemie. Man spricht von 16 Mio. Franken.
Zehn Jahre später jagte die SBG-Nachfolgerin UBS Blocher mit Schimpf und Schande wieder aus dem Amt.
Sein Kampf gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR war Blocher zum Verhängnis geworden.
Heutzutage scheinen sich einige Banker einen Bundesrat Blocher zu wünschen oder gut vorstellen zu können. Das ist eine ziemliche Kehrtwende.
Diesen Sympathie-Schub verdankt Blocher sicher auch seiner Forderung, das durch die EU unter Druck geratene Schweizer Bankgeheimnis in der Bundesverfassung zu verankern.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch