Couchepin im Blick unserer internationalen Redaktionen
Ein offener und kommunikativer Mann - auf verschiedenen Ebenen. Wie sehen ihn die internationalen Redaktionen von swissinfo.ch im Moment, in dem er seinen Rücktritt per Ende Oktober ankündigt?
Auf dem Sprung, wie er derzeit ist, dürfte es Pascal Couchepin in näherer Zukunft sicher nicht langweilig werden.
«Sie werden sehen, ich werde in Zukunft Dinge tun, die ehrenvoll sind und mir ein intellektuelles Vergnügen bereiten. Es wird nichts Politisches im eigentlichen Sinn sein», erklärte er am Freitag.
«Einer der Aspekte der zwei Bundespräsidentschaften Couchepins dürfte unbeachtet bleiben», sagt Kamel Dhif, Chef der arabischsprachigen Redaktion von swissinfo.ch.
«Es ist der intellektuelle Dialog, den er regelmässig mit den Eliten der arabischen Welt führte.»
Bei jeder seiner Reisen in ein Land der arabischen Welt habe «dieser grosse Leser religiöse, universitäre und intellektuelle Grössen sowie Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft getroffen».
Im Laufe dieser Treffen habe er seine Verweigerung eines «Kampfs der Kulturen» und eines «Dialogs der Zivilisationen» bekräftigt, die die wahren Probleme vernebeln würden. Er habe dazu aufgerufen, «über den Dialog der Zivilisationen hinaus zu gehen» und sich die Mühe zu nehmen, «die anderen von innen her zu verstehen».
Zudem habe Pascal Couchepin «die Öffnung und der Dialog mit den europäischen Muslimen» als «eine der grössten Aufgaben» für Europa in den nächsten Jahren erachtet, gibt Dhif zu bedenken. Deshalb habe er immer auf die Notwendigkeit des «Dialogs» und des «Respekts der Vielfalt» gepocht.
Zwei Bilder
«Das Image, das er in der Schweiz hat, und das ich teile, ist jenes eines Politikers, der durch seine Vorschläge und Entscheide polarisiert und der kein Einiger ist», beobachtet Juan Espinoza, bis vor einigen Jahren Verantwortlicher für die spanischsprachige Redaktion von swissinfo.ch.
«Auf seinen Reisen in andere Länder hat er aber ein ganz anderes Bild von sich gegeben.» So sei er bei Besuchen in Spanien «betont locker, kommunikativ und diskussionsfreudig aufgetreten».
Auf politischer Ebene bleibt für Espinoza die Erinnerung an Couchepins Verbundenheit, die Prinzipien der Kollegialität und des Konsens in der Landesregierung zu verteidigen. Wird sein Rücktritt das Gleichgewicht in der Regierung zum wanken bringen? «Diese Frage interessiert mich heute.»
Ein Minister in Brasilien
Der Chef der portugiesischsprachigen Redaktion von swissinfo.ch, Claudine Goncalves, erinnert sich an eine Reise 1996 mit Couchepin nach Brasilien, als dieser noch Wirtschaftsminister war.
Es war seine einzige «lange» Reise in dieses Land: São Paulo, Brasília, Curitiba und, zum Schluss als Privatmann die Iguaçu-Fälle.
In Brasilia seien viele politische Treffen auf der Agenda gestanden, die jeweils mit Wirtschaftsvertretern während dem Frühstück vorbereitet worden waren.
«Als eine Erklärung Couchpins nicht ‹gut austariert› war, hat ein Vertreter der Branche eingegriffen, um den Sachverhalt zu präzisieren», erklärt Goncalves. «Ich erinnere mich an ein Treffen in der Zentralbank von Brasilien, wo ein Schweizer Banker Couchepin das Wort entriss und es erst wieder im Moment der Verdankungen zurückgab.»
Mehr
Bundesrat
Erinnerungen an Peking
«Sympathisch und intelligent», diese Attribute qualifizieren den Magistraten am besten, meint Yang Xudong, Journalistin der chinesischsprachigen Redaktion. Sie hat Couchepin im letzten Jahr bei den Olympischen Spielen in Peking getroffen.
In China hat der ehemalige Bundespräsident einen positiven Eindruck hinterlassen, indem er – zugunsten von Peking – Stellung genommen habe zu Menschenrechtsfragen und zur Berichterstattung der westlichen Medien während den Spielen.
Obwohl Couchepin das Land mehrmals besucht hat, ist der Schweizer Bundesrat den Chinesinnen und Chinesen kaum bekannt, meint die chinesische Redaktion von swissinfo.ch.
Ganz anders verhält es sich für Urs Geiser. Der Bundeshaus-Journalist der englischsprachigen Redaktion von swissinfo.ch ist von Couchepin beeindruckt, allein schon wegen seiner Physiognomie.
«Ein grosser Mensch, der grosse Schritte macht. Dank Couchepin hatten Pressekonferenzen auch eine unterhaltsame Dimension. Aber er konnte auch irritieren, durch eine Mischung von Selbstsicherheit und Distanz.»
Piere-François Besson, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub und Peter Siegenthaler)
Rücktrittsankündigung
Der Freisinnig-Demokratische Bundesrat hat am Freitag seinen Rücktritt auf Ende Oktober angekündigt.
Posten
Seit 1998 in der Exekutive, Bundespräsident in den Jahren 2003 und 2008, Chef des Wirtschaftsdepartements bis 2003, danach Vorsteher des Departements des Innern.
Bereiche
Als Innenminister unterstehen ihm die Sozialversicherungen, Gesundheit, Bildung und Forschung, Religionsfragen, Familien-, Jugend- und Kulturpolitik.
Bilanz
Seine 41-jährige politische Karriere war gezeichnet von 27 Wahlen ohne Misserfolg und 22 Abstimmungskampagnen der Regierung, von denen er 19 gewinnen konnte.
Bundesrat
Er habe es nicht nötig, von allen geliebt zu werden, sagte Couchepin am Freitag zur Tatsache, dass er in Popularitätsumfragen jeweils auf den hintersten Plätzen landet. Er appellierte, solchen Umfragen zu misstrauen: «Bling-bling; Schaumschlägerei!», meint er dazu.
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