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CVP will sich nicht mehr anpassen

Doris Leuthard, CVP-Präsidentin, im Gespräch mit swissinfo. swissinfo.ch

Mit neuer Führungscrew und neuem Parteiprogramm will die Christlichdemokratische Volkspartei den Weg aus der Krise finden.

Ihre Partei wolle wieder mit eigenen klaren Positionen überzeugen, sagt die neue Parteipräsidentin Doris Leuthard im Interview mit swissinfo.

swissinfo: Warum haben Sie nun doch Ja gesagt zum Präsidium?

Doris Leuthard: Ursprünglich war geplant, im Februar Neuwahlen durchzuführen. Das wäre für mich nicht in Frage gekommen, weil ich meinen Beruf hätte aufgeben müssen.

Dann änderte die CVP das Konzept: ‹Zuerst das Programm, dann die Köpfe.› In der Zwischenzeit haben wir Lösungen gefunden, dass ich den Beruf behalten kann.

swissinfo: Die CVP hat im letzten Dezember mit der Abwahl von Bundesrätin Ruth Metzler eine schmerzliche Niederlage erlitten. Welche Konsequenzen hat die Partei daraus gezogen?

D.L.: Die Abwahl von Frau Metzler war vor allem mit dem massiven Zuwachs der Schweizerischen Volkspartei (SVP) verbunden. Jetzt haben wir zwei SVP-Bundesräte. Ich bin mir nicht sicher, ob das für die Schweiz wirklich gut war, wenn man die heutige Situation betrachtet. Christoph Blocher lässt sich nicht einbinden.

Die Konsequenz für uns: Wir müssen besser werden, wir müssen die Leute wieder mit klaren Positionen überzeugen, der CVP zu Profil verhelfen. Und das werde ich mit dem neuen Programm versuchen.

swissinfo: Seit Jahren sind bei Wahlen die Stimmen für Ihre Partei rückläufig. Was macht die CVP falsch?

D.L.: Es ist so, dass schon viele Programme umgeschrieben wurden. Jetzt haben wir mit der Basis eine tiefe Analyse über Stärken und Schwächen gemacht, breit abgestützt. Deshalb glaube ich auch, dass es die Bedürfnisse unserer Wählerschaft abdeckt.

Wir konzentrieren uns auf drei Themen, nicht auf fünfzehn, nämlich Arbeit, Familien und soziale Sicherheit. Die Fraktionseinheit muss sich verbessern. Das war ein leidiges Thema der vergangenen Jahre. Wir haben somit jetzt eine gute Grundlage. Aber es ist Knochenarbeit angesagt.

swissinfo: Das Abstimmungswochenende hat die Macht der SVP deutlich demonstriert: Auch Ihr Aufruf in letzter Minute hat nichts mehr gebracht. Was lief schief?

D.L.: Die SVP hat bei der Mutterschaft massiv verloren. Es ist nicht ein Sieg der SVP: Sie hat einmal gewonnen und einmal verloren.

Bei der Ausländer- und Asylpolitik gelingt es der SVP nach wie vor, vorhandene Ängste in der Bevölkerung zu kanalisieren und diese so zuzuspitzen, dass man ablehnt.

Das ist auch Selbstkritik an uns. Wir schaffen es nicht, diese Ängste endlich zu beseitigen. Ich hoffe, dass die Bevölkerung in Zukunft wieder offener wird im Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern.

swissinfo: Wie wollen Sie als neue Chefin die CVP auf Kurs bringen?

D.L.: Meine Aufgabe ist es, das Programm umzusetzen, den schönen Worten Taten folgen zu lassen. Profil erhält man nur durch Hartnäckigkeit, indem man das, was man verspricht auch tut.

Das zweite: Die Parlamentarier sind die Aushängeschilder einer Partei. Und die müssen wir noch besser in Szene setzen. Im Ständerat bildet die CVP die Mehrheit, das vergisst man immer. Und unsere Ständeräte möchte ich ermuntern, über ihre gute Arbeit zu sprechen; und die Medien, darüber zu berichten.

Und drittens werde ich in die Kantone gehen, zur Bevölkerung. Man muss die Leute ernst nehmen, ihnen zuhören, was sie beschäftigt, dann kann man das auch politisch umsetzen.

swissinfo: Trotzdem bescheinigt Ihnen die Presse keinen Mut im neuen Parteiprogramm «Aufbruch Schweiz».

D.L.: Die CVP hat programmatisch nicht alles falsch gemacht. Es muss nicht eine Revolution stattfinden. Das würde nicht zu uns passen. Wir sind keine Schaumschläger, keine Populisten.

swissinfo: Warum braucht es die Christdemokraten in der Schweiz?

D.L.: Weil wir das Gleichgewicht zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik sind. Das ist eine wichtige, staatstragende Aufgabe. Die Schweiz ist mit diesem Gleichgewicht bisher auch gut gefahren. Das ist nicht die attraktivste Rolle. Aber nur so haben wir Arbeitsfrieden, den Ausgleich Stadt-Land etc.

swissinfo: Parlament und Regierung sind seit letztem Jahr gegen rechts gerutscht. Wie kann die CVP da ihre Anliegen noch durchbringen?

D.L.: Gerade auf der bürgerlichen Seite sind wir so etwas wie das soziale Gewissen. Und wir sind eine bürgerliche Partei, weil für uns die Freiheit des Bürgers zentral ist. Aber sie ist nicht losgelöst von Verantwortung. Es ist dieses liberal-soziale Element, für das die CVP innerhalb der bürgerlichen Allianz einsteht.

swissinfo: Muss sich die CVP gegen rechts oder links hin anpassen, um noch Stimmen holen zu können?

D.L.: Anpassen wäre ein Fehler. So wird man zum Juniorpartner. Die CVP muss ihre eigenen Positionen vertreten.

swissinfo: Die CVP ist die Familien-Partei. Trotzdem scheinen Familien-Themen oder -Aspekte eher selten den Weg ins Parlament zu finden.

D.L.: Familien haben eine kleine Lobby. Wir haben kein Bundesamt für Familien, das ist eine alte Forderung. Viele Themen betreffen Familien, sind Querschnittthemen. Wir sind überzeugt: Wer für die Zukunft etwas machen will, muss etwas für die Familien tun.

swissinfo: Wie stehen Sie zur schlechten Wirtschaftslage in der Schweiz. Welche Lösungen haben Sie zu bieten?

D.L.: Ein Ziel ist die Entschärfung der Bürokratie: Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vertrödeln viel Zeit mit dem Ausfüllen von Formularen für Mehrwertsteuer und Sozialversicherungen.

Zweitens: Die Preise senken. Wir haben nachweislich in der Schweiz gegenüber Europa 20 bis 40 Prozent höhere Preise. Wir brauchen daher u.a. mehr Wettbewerb.

Und eine dritte Stossrichtung ist die Regionalpolitik. Die Regionen, der Binnenmarkt auch, sind wichtige Pfeiler der Volkswirtschaft. Hier darf der Staat nicht einfach subventionieren, besser sind gezielte Investitionen für Projekte mit Wertschöpfung.

swissinfo: Wie stehen Sie zu Europa?

D.L.: Wir werden sicher die Bilateralen II mit der Osterweiterung kräftig unterstützen. Die Öffnung bringt der Schweiz Chancen. Einerseits, um auf diesen neuen Märkten wirtschaftlich Erfolg zu haben. Chancen aber auch, weil wir mit diesen Verträgen die Sicherheit in der Schweiz verstärken können.

swissinfo: Wie sieht es beim Thema EU-Beitritt aus?

D.L.: Wenn wir das Stimmvolk zu einem Ja zu diesen Verträgen überzeugen können, dann ist der Zeitpunkt da, die Diskussion zu eröffnen. Beide Wege sind machbar, beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile.

swissinfo: Wie wichtig ist für Sie das Image der Schweiz im Ausland?

D.L.: Das ist natürlich zentral. Unsere Wirtschaft ist eine Exportwirtschaft. Wir leben zu einem grossen Teil vom Ausland. Wir müssen unsere Stärken pflegen und darauf stolz sein.

Damit die Schweiz selbstbewusst auftritt und sich nicht immer selber zerfleischt an ihren Problemen, die im Vergleich zu den Weltproblemen kleine sind.

swissinfo: Wie wichtig sind die Auslandschweizer für Sie?

D.L.: Ich finde es einen Vorteil, dass wir auch eine Optik von aussen haben. Es gibt immer auch wieder Anregungen, was wir besser machen könnten. In diesem Sinne habe ich Freude daran.

swissinfo-Interview: Christian Raaflaub

Die 41-jährige Aargauer Nationalrätin Doris Leuthard ist seit dem 18. September Parteipräsidentin der CVP. Davor hatte die Rechtsanwältin die Partei seit dem Rücktritt ihres Vorgängers Philipp Stähelin im letzten Dezember interimistisch geführt.

Im Interview nimmt Leuthard Stellung zum Wählerschwund ihrer Partei und spricht sich aus für Eigenverantwortung und Solidarität in der Gesellschaft.

Mit ihrem neuen Parteiprogramm wolle die CVP zeigen, dass das Dilemma zwischen Links und Rechts aufgelöst werden könne.

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