Dämpfer für UBS-Staatsvertrag
Nach einer langen Debatte brachte die Allianz aus SP und SVP im Nationalrat den Staatsvertrag mit den USA zu Fall. Das Ringen um das Abkommen geht nun in die nächste Runde.
Der Staatsvertrag mit den USA zur Herausgabe von 4450 UBS-Kundendaten stösst bei Parlament und Bundesrat kaum auf Begeisterung. Doch es scheint die einzige Möglichkeit, um im Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA eine Lösung zu finden.
Während der rund fünfstündigen Debatte im Nationalrat warnten die Vertreter der Christlichdemokratischen Partei (CVP), der FDP.Die Liberalen und der Bürgerlichen-Demokratischen Partei (BDP) immer wieder vor den wirtschaftlichen Folgen für die Schweiz, die eine Ablehnung des Staatsvertrags zur Folge hätte.
«Dieses Abkommen wird uns auferzwungen auf Grund eines Gesetzes, das so alt ist wie die Welt, nämlich des Rechts des Stärkeren», sagte der freisinnige Nationalrat Charles Favre.
«Trotzdem akzeptieren wir es, weil es unerlässlich ist, um die Beziehungen zu den USA zu normalisieren. Es steht eine beträchtliche Anzahl Arbeitsplätze auf dem Spiel, wir müssen unsere Verantwortung übernehmen.»
Die SP will Garantien
Die Sozialdemokratische Partei (SP) hatte ein Ja zum Abkommen an verbindliche Massnahmen zur Banken- und Boni-Regulierung geknüpft.
Im April hatte der Bundesrat Massnahmen angekündigt, um gegen exzessive Boni im Bankensektor vorzugehen und Verhandlungen in Bezug auf die Risikolimitierung bei systemrelevanten Banken angekündigt.
Doch die Linke gab sich damit nicht zufrieden. «Es ist, als würde zu viel Energie in die Interviews in den Sonntagszeitungen gesteckt, so dass am Montag nicht mehr genug Energie bleibt, um griffige Bankenregeln zu erarbeiten. Die Rechte zieht die Rhetorik Taten vor», sagte SP-Präsident Christian Levrat.
«Kriminelle Aktivitäten entlasten»
Die SP hält an ihren Forderungen fest. Sie will den Missbräuchen im Bankensektor ein Ende setzen, um eine weitere Bankenrettung durch den Staat respektive den Steuerzahler zu verhindern. Deshalb lehnte sie den UBS-Staatsvertrag ab, auch wenn dies die Partei in ein moralisches Dilemma stürzt.
«Die Regierung schlägt ein internationales Abkommen vor, mit dem die kriminellen Aktivitäten der UBS in den USA entlastet werden sollen», sagte Levrat. Es sei fast ein bisschen wie wenn Italien für Camorra-Mitglieder, die auf amerikanischem Territorium festgenommen wurden, um Gnade bitten würde. «Die Schweiz nimmt keine Kriminellen in Schutz – es sei denn, es handelt sich um Banker.»
Kehrtwenden der SVP
Auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) sah die Bedingungen für ein Ja zum Staatsvertrag nicht erfüllt und schloss schliesslich mit der SP eine Allianz gegen den Vertrag.
Die SVP machte in Sachen UBS-Staatsvertrag mehrere Kehrtwenden. Während sich die Partei anfangs klar gegen das Abkommen stellte, namentlich um das Bankgeheimnis zu schützen, zeigte sie sich später unter gewissen Bedingungen bereit, das Abkommen zu unterstützen.
So machte die SVP ihre Zustimmung davon abhängig, dass das Parlament keine Boni-Steuern beschliesst. Die Partei forderte am Montag, dass der Nationalrat sich mit den zwei Boni-Motionen befassen müsse, die der Ständerat vergangene Woche gutgeheissen hatte, bevor er über den Staatsvertrag entscheide.
Zurück zur Realpolitik
Dass der Staatsvertrag mit 104 zu 76 Stimmen abgelehnt wurde, bedeutet jedoch nicht das endgültige Aus: Das Abkommen geht nun zurück an den Ständerat, der vergangene Woche zugestimmt hatte.
Die Debatte im Nationalrat bot den Parlamentariern Gelegenheit, sich eineinhalb Jahre vor den Eidgenössischen Wahlen zu profilieren. Es stellt sich die Frage: Kann sich die Schweiz, die bereits mit Steuerstreits mit verschiedenen Nachbarn konfrontiert ist, einen Konflikt mit den USA leisten?
Angesichts der Kräfteverhältnisse werden die Parlamentarier wohl schon bald zur Realpolitik zurückkehren.
Olivier Pauchard, Bundeshaus, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Corinne Buchser)
Die US-Steuerbehörde IRS erklärte Anfang April, man zähle darauf, dass die Schweiz die Umsetzung des Vertrages, 4450 UBS-Kontendaten über ein Amtshilfeverfahren an die USA auszuhändigen, einhalte. Andernfalls stehe den US-Behörden weiter der Rechtsweg offen.
Insgesamt umfasst die Zusammenstellung der IRS 17 juristische Schritte und reicht zurück bis Dezember 2007, als sich der russisch-amerikanische Milliardär Igor Olenicoff als erster schuldig bekannte, über UBS-Konten Gelder am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Olenicoff bezahlte saftige Bussgelder und verklagte dann seinerseits die Bank.
Auf die Spur Olenicoffs kam die IRS durch den ehemaligen UBS-Banker Bradley Birkenfeld, der den Steuerbehörden die unlauteren Geschäfte der Bank offenlegte, seine Rolle dabei aber vertuschte und deshalb nun eine 40-monatige Haftstrafe absitzt.
Im Juni 2008 reichte das Justizdepartement vor Gericht in Florida den sogenannten John Doe Summons ein – die Forderung, von der Bank Auskunft über bis zu 52’000 UBS-Konten zu erhalten.
Im November 2008 wurde der UBS-Spitzenmanager Raoul Weil angezeigt. Er soll sich mit anderen Managern und wohlhabenden Kunden zum Betrug an den USA verschworen haben.
Im August 2009 unterzeichnete der Bundesrat das Abkommen mit den USA, das den Streit beilegen sollte. Statt Einsicht in alle 52’000 fraglichen UBS-Konten zu gewähren, sollte die Schweiz den Amerikanern 4450 Daten der Hauptverdächtigen US-Steuerpflichtigen mit UBS-Konten überreichen.
Den Anzeigen gegen Amerikaner mit UBS-Konten, die sich dem Fiskus entziehen, hat das Abkommen indes keinen Abbruch getan.
Im Januar 2010 erklärte das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die USA für illegal.
Anfang Juni stimmte der Ständerat dem Staatsvertrag mit den USA zur Herausgabe von UBS-Kundendaten zu.
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