Das Image der Schweiz, von aussen erlebt
International stand die Schweiz in den letzten Monaten in den Schlagzeilen, etwa wegen dem Bankkundengeheimnis oder dem Minarettverbot. Diese Themen wirkten sich laut dem Uno-Botschafter Peter Maurer auf das Bild der Schweiz aus.
«Die Schweiz, ein Sonderling oder ein Vorbild?» Zu dieser Fragestellung diskutierten an einer Veranstaltung des Open Forums in Davos mehrere Persönlichkeiten des In-und Auslands über das Image der Schweiz.
Peter Maurer, Botschafter der Schweiz am Uno-Hauptsitz in New York, vertritt die Interessen der Regierung und bekommt die Reaktionen anderer Länder zu spüren. swissinfo.ch hat nachgefragt.
swissinfo.ch: Haben Sie als Botschafter der Schweiz bei der Uno den Eindruck, dass der Ruf der Schweiz in letzter Zeit Schaden erlitten hat?
Peter Maurer: Man muss immer unterscheiden, mit welcher Gruppe und über welches Thema man spricht. Ich war in den letzten fünf Jahren an der Uno unter 193 Mitgliedstaaten tätig.
In der Uno ist die Schweiz ein hochgeachtetes Land, weil sie wesentlich zur Problemlösung beiträgt, In diesem Kreise merke ich herzlich wenig von Reputationsschaden.
In anderen Kreisen ist das zugegebenermassen anders. Es war nicht sehr leicht, den islamischen Staaten die Minarettabstimmung zu erklären.
swissinfo.ch: Wie haben die Vertreter dieser Staaten reagiert?
P.M.: Die Minarettabstimmung hat der Schweiz reputationsmässig geschadet. Alle meine Kollegen, ausnahmslos, haben mir gesagt, wie enttäuscht sie sind.
Die Reputation der Schweiz war in islamischen Ländern vorübergehend sicher angeschlagen. Mit einer klugen Politik, in dem man erklärt, was direkte Demokratie ist, kann man so etwas auffangen.
Man kann es auch durch längerfristige, kluge Aussenpolitik auffangen. Wir haben seit langer Zeit in Palästina gute Kontakte gehabt, und das hat uns geholfen zu erklären, wie unser politisches System funktioniert.
swissinfo.ch: Spürten Sie auch in Bezug auf die Steuerstreitigkeiten mit verschiedenen Ländern eine veränderte Haltung der Schweiz gegenüber?
P.M.: Im Kreise der vereinten Nationen wird primär die entwicklungspolitische Komponente des Bankkundengeheimnisses des Steuerstreites diskutiert und meine Kolleginnen und Kollegen setzen sich damit auseinander.
Ich habe nie irgendetwas Gegenteiliges gesagt: Die Art und Weise, wie in den letzten Jahren in unserem Land internationale Steuerpolitik und das Bankkundengeheimins interpretiert wurde, stösst international nicht auf viel Gegenliebe.
Aber das gehört in die Vielfalt der Meinungen und der Bilder, die über die Schweiz existieren. Es ist eben nicht so, dass die Schweiz entweder das Paradies auf Erden oder die Hölle auf Erden ist. Wir sind ein Land wie ein anderes.
swissinfo.ch: Wie wird die Schweiz Ihrer Meinung nach vom Ausland wahrgenommen?
P.M.: Unser Land wird differenziert wahrgenommen, es gibt Dinge, die man schätzt an der Schweiz, bei denen die Schweiz Vorbildcharakter hat und es gibt Interessendivergenzen und es gibt Perzeptionen, die uns von anderen Ländern trennen.
Das ist auch die Funktion eines internationalen Gremiums, der Uno und anderer Gremien, dass man diese Probleme diskutiert und Lösungen aushandelt.
swissinfo.ch: Haben Sie den Eindruck, dass sich durch die Uneinigkeiten mit andern Ländern der «Sonderfall Schweiz», das, worin sich die Schweiz von andern Ländern unterscheidet, gefährdet ist?
P.M.: Ich glaube nicht. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass es auf der Welt mindestens 193 oder noch mehr Sonderfälle gibt. Ich finde es fast ein bisschen eine Beleidigung, wenn man davon ausgeht, dass nur die Schweiz ein Sonderfall sei.
Ich glaube, jedes Land ist ein besonderes Land. Wir haben unsere Eigenheiten, und ich glaube nicht, dass sich wegen der Globalisierung die nationalen Eigenheiten auflösen.
Das haben wir auch in der Europäischen Union gesehen. Obschon sich ein europäisches Bewusstsein bildet, lösen sich die nationalen Eigenheiten nicht auf.
Auch die schweizerische Identität löst sich nicht auf. Sie wird eher gestärkt in der Zusammenarbeit mit andern. Denn in der Zusammenarbeit merkt man ja, wer man ist, was man vertritt und das ist ja eigentlich die Funktion internationaler Diplomatie und Politik.
swissinfo.ch: Glauben Sie, dass das Bankkundengeheimis gänzlich preisgegeben werden muss?
P.M.: Diese Diskussion ist im Wandel. Wie bei sehr vielen anderen Themen wird es Gegenstand nationaler Debatten und internationaler Verhandlungen sein, in welche Richtung sich dieses Bankkundengeheimnis weiter entwickelt.
Ich bin fest davon überzeugt, dass bei Meinungsdivergenzen die Lösung ist, dass man verschiedene Interessen verhandelt. So finden Staaten eine Lösung, und das wird auch das Bankkundengeheimnis und so viele andere Dinge im Laufe der Zeit verändern.
swissinfo.ch: Wird sich die Schweiz anpassen müssen?
P.M.: Internationale Verhandlungen haben im Kern die Reziprozität und den Austausch von Interessen zum Ziel. Wir haben Interessen an vielen Dingen des globalen Marktes.
Schweizerische Firmen stossen auf gewisse Behinderungen im globalen Markt, andere Länder stören sich an unserem Bankkundengeheimnis, das sind Themen, über die man verhandeln kann, im entsprechenden Gremium zur entsprechenden Zeit, und dann findet man auch Lösungen.
Eveline Kobler, Davos, swissinfo.ch
Peter Maurer wurde 1956 in Thun geboren und schloss seine Studien in Bern mit dem Doktorat der Philosophie ab. 1987 trat er in den Dienst des EDA ein und versah verschiedene Funktionen, ehe er ab 1996 als erster Mitarbeiter des Chefs der damaligen Ständigen Beobachtermission der Schweiz bei den Vereinten Nationen in New York tätig war. 2000 ernannte ihn der Bundesrat zum Botschafter und Chef der Politischen Abteilung IV bei der Politischen Direktion des EDA. Seit 2004 ist Peter Maurer Botschafter und Chef der Ständigen Mission der Schweiz bei den Vereinten Nationen in New York.
Der Bundesrat hat Peter Maurer vor kurzem zum neuen Staatssekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA ernannt.
Das Open Forum Davos 2010 findet vom 28. bis 30. Januar statt. Zum achten Mal wird es organisiert vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) und dem World Economic Forum (WEF).
Das Open Forum Davos setzt aktuelle Akzente in der Auseinandersetzung mit der Globalisierung und ihren Auswirkungen. Die Dialogplattform wird seit 2003 parallel zum Jahrestreffen des World Economic Forum durchgeführt.
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