Das muss Sie in der Wintersession 2024 interessieren
Die Rolle der Schweiz in der Welt wird in der Wintersession Thema. Die Verteilkämpfe um die Bundesfinanzen werden hart. Und: Migration wird bis weit in die Mitte auf die Agenda gebracht.
Die Wintersession dauert vom 2. bis 19. Dezember. Starten wir mit den Themen, die Auslandschweizer:innen in der Wintersession direkt angehen.
Was Schweizer:innen im Ausland angeht
E-ID: Der Nationalrat sprach sich bereits im Frühling für die E-IDExterner Link aus. Im September nahm der Ständerat das entsprechende Gesetz ebenfalls an. Nun verbleiben noch kleine Differenzen bei Datenschutz- und Sicherheitsfragen. Diese sollten in Wintersession ausgeräumt werden können. Der Bundesrat will die E-ID 2026 einführen.
«Die elektronische Identität wird das Leben der Auslandschweizer erleichtern», ist die Direktorin der Organisation, Ariane Rustichelli, überzeugt. Sie hofft, dass Auslandschweizer:innen einen besseren Zugang zu den Dienstleistungen des Bundes und allenfalls auch zu jenen der Schweizer Banken erhalten werden.
Familiennachzug: Nochmals traktandiert wird zudem ein Geschäft, über das wir schon mehrmals berichtet haben, weil es im Interesse vieler Schweizer:innen im Ausland wäre: die Beseitigung der Inländerdiskriminierung beim FamiliennachzugExterner Link.
Der Nationalrat hatte den Gesetzesentwurf bereits angenommen. Dann lehnte der Ständerat ab. Jetzt muss der Nationalrat nochmals darüber befinden.
Im Ständerat führten vor allem mögliche Auswirkungen auf die Zuwanderung zur Ablehnung. Dies führte nun auch in der Kommission des Nationalrats zu einem Gesinnungswandel. Das Anliegen der Auslandschweizer-Organisation steht damit vor dem Aus.
Migration beansprucht auch die Wintersession
Uno-Migrationspakt: In den Nationalrat kommt in der Wintersession die Frage, ob die Schweiz dem UNO-MigrationspaktExterner Link beitreten soll.
Der Ständerat hat die Antwort bereits im Herbst gefunden: Nein, denn es gebe keine Vorteile eines Beitritts, vielmehr überwögen die Risiken. Nun sieht auch die vorbereitende Kommission des Nationalrats keinen Mehrwert in der Unterzeichnung des Pakts.
Lehnt auch der Nationalrat ab, muss der Bundesrat einen Brief an den UNO-Generalsekretär schicken und ihm sagen, dass die Schweiz dem Pakt nicht beitrete. Aussenminister Ignazio Cassis fürchtet einen Image-Schaden der Schweiz auf dem internationalen Parkett.
Eintrittsgebühr für die Schweiz: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi willExterner Link, dass der Bund von Ausländerinnen und Ausländern, die in die Schweiz einreisen, 25 Franken eintreibt. Der Ertrag soll dann in die Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV fliessen.
Aeschi sieht diese Eintrittsgebühr für die Schweiz als Massnahme, um den Massentourismus zu bekämpfen. Er verweist auf Bhutan, das 200 US-Dollar pro Tag als Gebühr verlange. «25 Franken Gebühr für die Schweiz wären für die Touristen finanziell verkraftbar», schreibt Aeschi in seinem Vorstoss.
Abkommen mit Marokko: In den Nationalrat kommt die Forderung nach einem MigrationsabkommenExterner Link mit Marokko. Asylgesuche von Menschen aus den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien, Tunesien oder Libyen haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Doch nicht einmal 1 % der Gesuche werden gutgeheissen.
Während die Schweiz mit Algerien und Tunesien bereits Rückübernahme-Abkommen hält, fehlt ein solches noch mit Marokko. Nötig wird es laut FDP-Ständerat Damian Müller, weil Delikte von Menschen aus den Maghrebstaaten in der Schweiz stark zugenommen haben.
Schutzstatus-S im Visier
Ende des Schutzstatus S: Sprengkraft liegt in einer StandesinitiativeExterner Link des Kantons St. Gallen. Sie will den Schutzstatus S für Flüchtlinge aus der Ukraine gänzlich abschaffen.
«Es erhärtet sich der Verdacht, dass der grosszügige Schutzstatus S durch eine steigende Zahl an Roma ausgenutzt wird», schreibt der Kanton St. Gallen, an der Ostgrenze der Schweiz gelegen. Der Bund müsse sofort handeln.
Weitere Anträge zum Thema Asyl liegen vor allem im Ständerat auf, darunter eine Forderung der MitteExterner Link: Die Schweiz soll die Erfahrungen anderer europäischer Länder mit restriktiveren Migrationsmassnahmen analysieren – und ihre Lehren daraus ziehen.
Die Schweiz in der Welt
Geld für die Entwicklungshilfe: Zwischen beiden Räten hin- und her verhandelt wird die Strategie der internationalen ZusammenarbeitExterner Link 2025-2028.
Mehr Geld für die Armee, weniger für die Entwicklungszusammenarbeit, das will die Finanzkommission des Nationalrats. Sie will die Gelder für die internationale Zusammenarbeit um 250 Millionen Franken kürzen.
Der Ständerat hatte bereits im Sommer Kürzungen von zwei Milliarden Franken bei der EntwicklungshilfeExterner Link vorgeschlagen. Die beiden Kammern müssen nun ihre Differenzen in Bezug auf die Gegenfinanzierung bereinigen.
International gilt 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts als Richtwert für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Schweiz investiert aktuell rund 0,42 %.
Hilfe für die Ukraine: Mehr tun könnte die Schweiz nach Ansicht von SP, Grünliberalen und Mitte auch für die Ukraine. Gemessen an der eigenen Wirtschaftsleistung, überweise die Schweiz einen vergleichsweise bescheidenen Beitrag an die Ukraine, heisst es in einer MotionExterner Link.
Diese fordert – als ausserordentliche Ausgabe – einen Beitrag für die humanitäre Hilfe an die Ukraine, der sich in der Höhe an anderen vergleichbaren Ländern orientiere. Speziell daran: Die Forderung wird in drei gleichlautenden Motionen von Mitgliedern der drei Parteien eingereicht.
Auch in den Ständerat kommt ein VorstossExterner Link, der mehr Engagement der Schweiz verlangt: mehr Geld für die humanitäre Hilfe und grössere Bemühungen auf diplomatischer Ebene.
Internationale Konflikte
Hamas, Hisbollah, UNRWA: Im September hat der Bundesrat ein Gesetz zum Verbot der HamasExterner Link verabschiedet und ans Parlament überwiesen. Hamas und Nachfolgegruppierungen gelten demnach als verbotene terroristische Organisationen. Der Nationalrat wird in der zweiten Sessionswoche darüber befinden.
Zudem herrscht in den Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte Einigkeit, dass auch die Hisbollah zu verbietenExterner Link sei. Ein erster Antrag dazu kommt ebenfalls in den Nationalrat.
Der Ständerat wollte derweil über die Schweizer Finanzierung der UNRWA befinden. Ein AntragExterner Link, die Schweizer Gelder sofort zu stoppen, kam im Nationalrat durch, nun hat die kleine Kammer das letzte Wort. Die Kommission hat das Geschäft aber kurz vor der Session vertagt.
Internationale Abkommen: Der Ständerat wird das FreihandelsabkommenExterner Link, das der Bundesrat mit Indien ausgehandelt hat, beurteilen. Widerstand ist nicht zu erwarten. Durchwinken wird er voraussichtlich auch aufdatierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Serbien, Angola, Jordanien und Deutschland.
In den Nationalrat kommt in der Wintersession zudem die Forderung, dass der Bund seine China-Strategie verlängernExterner Link soll. Aussenminister Ignazio Cassis hatte diese auslaufen lassen.
Die Schweiz führt im Moment Verhandlungen über ein Update des bestehenden Freihandelsabkommens mit China. Das ist umstritten. Kritiker fordern einen differenzierten Umgang mit der ambitionierten Weltmacht und sehen die China-Strategie dafür als geeignetes Mittel.
Politische Signale: Eher fürs Schaufenster, aber dennoch bemerkenswert ist ein Vorstoss, der die Anerkennung der Massentötungen und -vergewaltigungen an Jesidinnen und Jesiden im Irak 2014 durch den Islamischen Staat als Völkermord anerkennenExterner Link will.
Das Postulat verlangt lediglich die Anerkennung durch den Nationalrat, nicht durch die Schweiz. Das ist niederschwelliger und hat dennoch eine symbolpolitische Strahlkraft.
Ausserdem will die Aussenpolitische Kommission des Nationalrat, dass der Bundesrat rasch ein internationales Friedensforum zum Bergkarabach-Konflikt organisiert. Die entsprechende MotionExterner Link kommt ebenfalls zum Entscheid.
Der Kampf ums Budget 2025
Schuldenbremse: Die Wintersession bildet jeweils den Rahmen für die Budgetierung des folgenden Jahres. In diesem Jahr werden die Verteilkämpfe besonders hart gefochten, denn das Geld ist knapp.
Die Schweiz darf sich nicht verschulden, dazu zwingt sie die Schuldenbremse. Die Armee verlangt aber nach mehr Mitteln und auch die 13. AHV-Rente ist noch nicht finanziert.
Woher kommt das Geld? Fest steht bereits: Die Armee dürfte im kommenden Jahr rund eine halbe Milliarde Franken mehr zur Verfügung haben als ursprünglich geplant. Die beiden zuständigen Parlamentskommissionen sind sich hier einig.
Doch wie diese Mehrausgaben kompensiert werden sollen, wird in und zwischen den beiden Räten noch zu reden geben. Zur Debatte stehen Kürzungen im Asylwesen, beim Bundespersonal und bei der Auslandshilfe.
Geld für welche Armee? Gerade bei der Armee eröffnet sich möglicherweise aber noch eine Refexionsschlaufe. FDP-Ständerat Josef Dittli verlangt vom Bundesrat ein «Grundlagendokument» über «Zielbild und strategische Ausrichtung»Externer Link der Schweizer Armee. Dittli gilt als der beste Armeekenner unter der Bundeshauskuppel.
Mit seinem Vorstoss bringt ausgerechnet er nun eine bereits schwelende Debatte an die Oberfläche: Kritiker monieren, dass die Schweizer Armee zwar grosse Bedürfnisse anmelde, aber bisher kein erkennbares Verteidigungskonzept vorgelegt habe, das eine Prioritätensetzung in Zeiten knapper Finanzen erlauben würde. Den Diskussionen um die Armeefinanzen könnte dieser Vorstoss nochmals viel Sauerstoff geben.
>> Mehr über die Budgetdebatte erfahren Sie hier:
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Was passiert bei einem Nein zum Bundesbudget?
Und Europa?
In die letzte Woche der Wintersession wird der Bundesrat voraussichtlich seine Verhandlungsergebnisse mit der EU auf die Pulte fallen lassen.
Wie auch immer diese aussehen, sie haben Potenzial, das Geschehen im Ratssaal zur Nebenbühne zu machen. Denn jede Partei, jedes Mitglied der eidgenössischen Räte wird sich positionieren wollen.
Editiert von Samuel Jaberg
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