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Das Weltsozialforum bereitet sich auf Rio+20 vor

Globalisierungskritische Stimmen in den Strassen von Porto Alegre. Keystone

Gleichzeitig mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos ist im brasilianischen Porto Alegre das Sozialforum eröffnet worden. Die Forumsteilnehmer wollen Vorschläge für den UNO-Klimagipfel "Rio+20" erarbeiten, der im Juni in Rio de Janeiro stattfindet.

Mit Slogans gegen den Kapitalismus und zum Schutz der Umwelt zogen rund 5000 Globalisierungskritiker am ersten Tag des alternativen Forums durch die Strassen von Porto Alegre.

Am Treffen, das bis am 29. Januar dauert, nehmen Organisationen der Zivilgesellschaft sowie soziale Bewegungen aus der ganzen Welt teil.

Das Weltwirtschaftsforum ist traditionsgemäss als Kontrapunkt zum Weltwirtschaftsforum WEF gedacht, das am Mittwoch im Schweizer Ferienort Davos eröffnet wurde.

Suche nach Lösungen

Die Ausgabe 2012 des Sozialforums, das unter dem Titel «Kapitalistische Krise, soziale und ökologische Gerechtigkeit» steht, findet dieses Jahr in einer reduzierten Form statt. Die Organisatoren rechnen mit rund 40’000 Teilnehmenden.

Das Forum hat sich zum Ziel gesetzt, Vorschläge zu diskutieren und auszuarbeiten und diese am Gipfel Rio+20 zu präsentieren, einer UNO-Konferenz über Umwelt und nachhaltige Entwicklung, die im Juni in Rio de Janeiro stattfindet.

Die zentralen Diskussionen in Porto Alegre werden sich um die Suche nach Strategien drehen, wie die globale Wirtschaftskrise überwunden werden könnte, ohne die unterprivilegierten Schichten der Gesellschaft zu benachteiligen. Dabei soll es nicht nur um eine einfache Definition einer nachhaltigen Wirtschaft gehen, sondern um weiterführende Lösungen.

«Drei Jahre nach der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929, drei Jahre nach dem enormen Preisanstieg bei Waren und Lebensmitteln infolge von Spekulationen der Finanzriesen, vier Jahre nach dem alarmierenden UNO-Klimabericht, der eine CO2-Reduktion forderte, sind für all diese Probleme keine Lösungen in Sicht. Die etablierten Mächte sind damit beschäftigt, alles beim Alten zu belassen», heisst es im Eröffnungspapier des Weltwirtschaftsforums.

Ohne Staatschefs

Das Sozialforum findet dieses Jahre fast ohne ausländische Staats- und Regierungschefs statt. Nur der Präsident Uruguays, José Mujica, wird am Donnerstag zusammen mit der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff an einem Podium teilnehmen.

Die Präsidentin Brasiliens hat ihre Minister und Spitzenfunktionäre angewiesen, mit den Vertretern der sozialen Bewegungen über Fragen zu diskutieren, die mit dem Motto des Forums in Zusammenhang stehen. Thematisiert werden sollen aber auch die Bemühungen zur Ausrottung der Armut in Brasilien, welches das oberste Ziel ihres Regierungsprogramms ist.

Gemäss dem Sondergesandten des präsidialen Generalsekretariats, Diogo Sant’Ana, will die brasilianische Regierung während des Sozialforums den Dialog mit der Zivilgesellschaft suchen, um «die Wogen zu glätten».

«Es gibt strittige Themen, aber aufgrund der Diskussionen, die wir mit dem Organisationskomitee geführt haben, glauben wir, dass es möglich sein wird, einen Konsens zu finden», sagte er und erinnerte an eine Passage des offiziellen Dokuments der brasilianischen Regierung für Rio+20, das nach diversen Konsultationen der Zivilgesellschaft zustande gekommen war.

Stammgäste

Ein starker Moment am Forum 2012 dürften auch die Debatten unter Beteiligung des ehemaligen brasilianischen Umweltministers, Marina Silva, sein, oder dem Begründer des «Null-Hunger»-Programms in Brasilien, José Graziano, dem neuen Chef der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO).

Zugegen in Porto Alegre sind einmal mehr auch Personen der internationalen Linken: Etwa der spanische Journalist Ignacio Ramonet, der portugiesische Soziologe Boaventura de Souza oder der italienische Politologe Luigi Bobbio.

Boaventura de Souza, einer der ersten, der in Porto Alegre eintraf, zog eine positive Bilanz der 11-jährigen Geschichte des Forums. «Dank dem Weltsozialforum ist Südamerika der Kontinent mit der grössten Zahl an antikapitalistischen Bewegungen geworden.»

Viel zu reden geben könnte die Teilnahme des Italieners Cesare Battisti: Letztes Jahr hatte die Regierung Brasiliens seine Auslieferung an Italien verweigert, wo er wegen Mord in vier Fällen angeklagt ist. Bei seiner Ankunft am Dienstag in Porto Alegre wurde er vom Gouverneur des Bundesstaats Rio Grande do Sul, Tarso Genro, empfangen, der Justizminister war, als Brasilien Battistis Auslieferung ablehnte.

Schweizer Präsenz

Wie viele Schweizer am Treffen in Brasilien dabei sind, ist schwierig zu beziffern. «Die Organisation registriert die Teilnehmer nicht nach Herkunftsländern», erklärt Ivan Trindade, Mitglied des Pressedienstes. «Ich schätze aber, dass rund ein Dutzend Schweizer Organisationen direkt oder indirekt an den Aktivitäten teilnehmen.»

Am Alternativforum dabei ist auch Uli Ide vom Hilfswerk der Evangelischen Kirche Schweiz (HEKS), der am Seminar «Richtung Rio+20: für eine andere Wirtschaft» teilnahm.

«Unser Ziel ist es, bis Rio+20 mit lokalen Akteuren aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor verschiedene Aktivitäten zu organisieren. Es ist möglich, die landwirtschaftliche Produktion zu ändern und alternative Vorschläge zu diskutieren, die in Richtung grüne Wirtschaft gehen», erklärt Uli Ide.

Das erste Weltsozialforum fand 2001 in Porto Alegre (Brasilien) statt. Auch in den beiden folgenden Jahren war Porto Alegre Austragungsort.
 
Im Jahr 2004 verliess das WSF Lateinamerika und fand erstmals in Asien statt: Am Weltsozialforum In Mumbai (Bombay) nahmen 70‘000 Personen teil.
 
2005 kehrte das WSF nach Porto Alegre zurück, während 2006 eine dezentralisierte Veranstaltung organisiert wurde (Bamako, Caracas, Karachi). 2007 gab es erstmals ein Weltsozialforum in Afrika (Nairobi, Kenia).
 
2008 gab es keine Mega-Veranstaltung, 2009 fand das Forum wieder in Brasilien, in Belém, statt.
 
2010 fand kein Sozialforum statt.

2011 fand das Sozialforum in Dakar, der Hauptstadt von Senegal, statt.

(Übersetzung und Adaption: Gaby Ochsenbein)

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