Schweiz fördert Demokratie dort, wo es weh tut
Myanmar, Laos, Thailand, Taiwan: Dies sind Länder, in denen sich die Schweiz aktiv für mehr Demokratie engagiert. Doch was sich auf dem Papier so leicht und beinahe selbstverständlich anhört, ist in der Tat Knochenarbeit. Ein Augenschein in Südostasien.
Der Uberfahrer wirkte zunächst souverän. Nun hat er alle Mühe, die übers Handy eingegebene Adresse im Norden von Yangon zu finden.Bis 2006 war das die Hauptstadt Myanmars und immer noch ist es die grösste Stadt des Landes.
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Myanmar steht aktuell in der internationalen Kritik, weil aufgehetzte Gruppen Dörfer der Rohingya, einer muslimischen Minderheit, niederbrannten und die Bewohner mit Gewalt ausser Landes drängten. Der Hass auf die Rohingya wurde und wird von extremistischen, buddhistischen Mönchen geschürt.
Immer wieder fragt der Taxifahrer, ob ich zur norwegischen Botschaft möchte. «Nein, zur Schweizerischen», antworte ich. Aufgrund meines Stadtplanes bemerke ich, dass er bereits zum dritten Mal in die falsche Richtung rast.
Diskret-versteckt
Kein Wunder: Im Gegensatz zum neugebauten und prominent positionierten Glaspalast der Nordländer (die norwegische Botschaft beherbergt auch die Vertreter Dänemarks, Schwedens und Finnlands) direkt an der sechspurigen Pyay-Paradestrasse, befindet sich die Schweizer Botschaft in einer gemütlichen alten Villa mit üppigem Garten. Der Standort, obwohl nur wenige Meter vom Prunkbau der Skandinavier entfernt, liegt gut versteckt am Ende einer holprigen Strasse.
«Wir sind nicht so einfach zu finden», sagt die Pförtnerin, die seit der Eröffnung der Vertretung vor sechs Jahren erste Ansprechpartnerin für alle Besucherinnen und Besucher ist.
Fast 25 Mio. Franken pro Jahr
Die Schweiz gehört zu den engagiertesten Unterstützern der noch immer sehr fragilen Demokratie im ehemaligen Burma.
Anders als Schweden und Dänemark, die im 53-Millionen-Staat am Golf von Bengalen lediglich mit einem Konsulat präsent sind, betreibt die Schweiz eine Botschaft mit mehreren Dutzend Mitarbeitenden.
«In den letzten fünf Jahren haben wir uns mit gut 122 Millionen Franken hier in Myanmar engagiert«, sagt Agnès Christeler, die Leiterin der politischen Abteilung der Botschaft in Yangon. Davon seien rund 15% in die Demokratieförderung geflossen.
Basisarbeit
Konkret haben sich Christeler und ihr Team dem Aufbau eines Bürgerdialogs in der ehemaligen Militärdiktatur verschrieben: Seit den Wahlen von 2015 unterstützt die Schweiz im Land zivilgesellschaftliche Organisationen direkt mit Geld. Dazu beraten die Schweizer Vertreter die NGOs zu Fragen, wie diese in der öffentlichen Debatte an Einfluss gewinnen könnten.
Schlussendlich unterstützen Agnès Christeler & Co. alle politischen Parteien in ihren Bemühungen, Themen auf dem Bürgerdialog auf die politische Agenda von Parlament und Regierung zu setzen.
Im Vorfeld der ersten freien Wahlen vor drei Jahren hatte die Schweiz die Wahlbehörden in Myanmar logistisch unterstützt. Dazu zählten Wahlurnen, die Erstellung von Stimmrechtsregistern sowie die Organisation der Auszählung der Stimmen.
Mitbestimmung als Menschenrecht
Laut Artikel 21 der UNO-Menschenrechtserklärung hat jeder Mensch das Recht auf politische Mitbestimmung. Die UNO-Deklaration von 1948 ist aber nicht bindend.
Die Schweiz hat die weltweite Förderung der Demokratie in ihrer Verfassung verankert (Art. 54, Absatz 2).
Alle einbeziehen
Wie andere Länder Südostasiens tut sich auch die Ex-Diktatur Myanmar noch sehr schwer mit der Einhaltung der Menschenrechte und der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am politischen Geschehen.
«Wir bemühen uns sehr, mit allen relevanten Kräften im Land den Kontakt zu pflegen und Kooperationen einzugehen», sagt die Diplomatin und fügt vorsichtig hinzu: «Eine Garantie auf Erfolg gibt es in diesem Bereich jedoch nie».
«Eine Erfolgsgarantie gibt es im Bereich Demokratieförderung nicht.» Agnès Christeler, Schweizer Diplomatin.
Kein Ende der Geschichte
Seit dem Ende des Kalten Krieges, als der japanisch-amerikanische Politologe Francis Fukuyama im Jahre 1992 vorschnell das «Ende der Geschichte» und den Sieg der Demokratie verkündete, haben die weltweiten Bemühungen zur Demokratieförderung immer wieder grosse Rückschläge erlitten.
Darum zählt Demokratieförderung bis heute zu den wichtigsten Leistungsaufträgen der Schweizerischen Aussenpolitik. Stärkung der Demokratie ist aber auch zu einem Schwerpunkt der Landeskommunikation geworden.
In Kommunismusland
So auch in der laotischen Hauptstadt Vientiane. Hier hat die Schweiz keinen Botschafter stationiert, sie ist mit einem Büro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) präsent, einer Abteilung, die dem Schweizerischen Aussenministerium angegliedert ist. «Statt zu predigen und zu missionieren, setzen wir auf Dialog», sagt Tim Enderlin, der Leiter des Büros.
«Statt zu predigen und zu missionieren, setzen wir auf Dialog», Tim Enderlin, DEZA-Verbindungsbüro Vientiane/Laos
Wie in Myanmar gehört die Schweiz auch in den übrigen Anrainerstaaten des mächtigen Flusses Mekong zu den grössten und einflussreichsten Demokratieförderern: «Wir setzen auf langfristige und tragfähige Lösungen, nicht auf schnelle Resultate,» sagt Tim Enderlin.
Mitunter heikle Missionen
Klingt gut. Doch was bedeutet das? Sehr vieles. Und sehr Verschiedenes. So hat die Schweiz mit Myanmar einen Austausch von jungen Politikerinnen und Politikern der beiden Staaten organisiert.
Ebenso Besuche hoher Offiziere der burmesischen Armee am Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle von Armeen. Wahrlich ein heisses politisches Eisen.
Mühselige Vertrauensbildung
In Laos, seit der Abschaffung der Monarchie im Jahre 1975 ein kommunistischer Einparteienstaat, unterstützt die Schweiz gemeinsam mit europäischen Partnern ein Programm für Bürgerbeteiligung. Dieses ist bis zum Jahre 2020 angelegt.
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In 200 Tagen um die Welt für Demokratie und Volksrechte
«Damit die Regierung darauf einstieg, mussten wir zuerst einmal Vertrauen und eine gemeinsame Grundlage schaffen,» sagt Michal Harari, Leiterin des Gouvernanz-Programmes in Vientiane.
Als Beispiel für eine solche vertrauensbildende Massnahme legt Harari einen Atlas mit Karten und Statistiken zu Laos auf den Tisch. An seiner Erstellung haben auch Wissenschaftler der Universität Bern mitgearbeitet.
«In engem Dialog mit der Regierung werden nun konkrete Formen einer verstärkten Bürgerbeteiligung und zur Stärkung der Zivilgesellschaft entwickelt», betont Harari, in deren Team zahlreiche lokale Fachleute mitwirken.
Geschätzte Arbeit
So hart der Boden in Südostasien auch ist: Das Engagement der Schweiz für die Demokratie kommt gut an. «Es wirkt geduldig und bescheiden, ist aber hoch ambitioniert», lobt die thailändische Journalistin Theewaporn Kummetha am Rande eines Runden Tisches zur Zukunft der Demokratie. Ein Anlass, der vom Schweizer Botschafter in Bangkok organisiert wurde. Zur Einordnung: Thailand wartet seit dem Militärputsch vor vier Jahren noch immer auf die versprochenen Neuwahlen des Parlamentes.
Hoffnungsträger Taiwan
Einen weiteren Dialog zum Thema Demokratie hat die Schweiz in den letzten Tagen auch in Taiwan geführt.
Auf dieser Insel zwischen China, Japan und dem riesigen Inselreich der Philippinen hat das taiwanesische Parlament vor wenigen Monaten ein Gesetz zur Stärkung der direktdemokratischen Volksrechte verabschiedet. Dies betrifft immerhin über 23 Millionen Menschen.
Initiativen, fast wie in der Schweiz
Bereits sind Unterschriftensammlungen für nicht weniger als zehn nationale Gesetzesinitiativen im Gang.
Dabei werden Themen wie das Arbeitsrecht, die gleichgeschlechtliche Ehe und die Kernenergie auf die politische Agenda gesetzt – auch hier von unten. «Es macht viel Sinn, dass wir im Dialog auf die umfangreichen Erfahrungen unseres Landes mit Initiativen und Referenden aufmerksam machen», sagt Rolf Frei, der Vertreter der Schweiz in der Hauptstadt Taipei.
An einem Nachtessen in seiner Residenz trafen sich kürzlich neben Fachleuten und Journalisten aus der Schweiz auch Initianten, Parlamentarier und Regierungsvertreter Taiwans: «Ich bin überzeugt, wir können viel voneinander lernen», sagte Chen In-Chin, der Vorsitzende der nationalen Wahlbehörde Taiwans,
Chens Team muss sich nun plötzlich nicht mehr nur mit Fragen von Kandidatenlisten und Wahlen beschäftigen, sondern neu auch mit der Beglaubigung von Unterschriften und der Beratung von Initiativkomitees. Genau, wie dies die Bundeskanzlei der Schweiz in Bern macht.
Südostasien: Hartes Pflaster für Demokratie
Der Grund für die schwierige Ausgangslage vielerorts: Der Einfluss der Weltmacht China wirkt sich hier generell viel unmittelbarer aus als etwa in Europa. Ein kurzer Überblick über die Probleme:
Myanmar: Einfluss des Militärs auch sieben Jahre nach dem Übergang zur Demokratie immer noch sehr gross. Flüchtlingskrise der Rohingyas.
Laos: Gesellschaftliches Tauwetter nach Verjüngung von Staatsspitze und Führung der kommunistischen Partei. Wiederzulassung zivilgesellschaftlicher Organisationen (NGO).
Vietnam: Liberaleres Klima mit klaren roten Linien durch die regierenden Kommunisten. Das gilt auch für die Nutzung des Internets.
Thailand: Wachsende Ungeduld der Bevölkerung gegenüber dem Militärregime, das seit Jahren Neuwahlen verspricht, sich aber an der Macht festklammert.
Taiwan: Musterschüler der Region, dank neuen direktdemokratischen Volksrechten. Aussenpolitisch jedoch starkem Druck der Volksrepublik China ausgesetzt.
Hongkong: Ursprüngliches Versprechen der eigenständigen, demokratischen Entwicklung wird durch China immer mehr zurückgenommen. Zunehmende Desillusionierung der jungen Einwohner.
Malaysia: Neuwahlen des Parlamentes im August 2018. Hoffnung auf demokratische Reformen nach Jahren der Einschränkungen durch jetzige islamistische Machthaber.
Philippinen: Umstrittener Staatspräsident bleibt populär, ritzt jedoch in dieser lebendigen Demokratie an den Menschenrechten.
Indonesien: Weiterer demokratischer Hoffnungsträger Südostasiens mit über 250 Million Einwohnern. Stark religiös geprägte Gesellschaft.
Kambodscha: Asiens dienstältester Regierungschef klammert sich am Posten fest und schaltet jegliche Opposition zunehmend aus.
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