Der Bundesrat: die Regierung ohne Chef
Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten kennt die Schweizer Regierung weder einen Premierminister noch einen ständigen Staatspräsidenten.
Seit 1848 besteht die Regierung aus 7 Mitgliedern, Bundesräte genannt, wovon eines jeweils für ein Jahr das Präsidentenamt ausübt.
Am 16. November 1848 war es so weit: Die im selben Jahr konstituierte vereinigte Bundesversammlung wählte erstmals die sieben Mitglieder des Bundesrats. Grundlage für die neuen Organe bildete die am 6. Juni 1848 von den Stimmberechtigten mit einer Dreiviertelmehrheit angenommene Bundesverfassung.
Mit dem neuen Grundgesetz ging eine Gewichtsverlagerung von den Kantonen hin zum Bund einher. Der neu geschaffene Bundesrat hatte andere und mehr Kompetenzen als sein direkter Vorgänger.
Eine Partei allein an der Macht
In den ersten Jahrzehnten hatte die Schweiz eine Einparteienregierung, sämtliche Mitglieder des Bundesrats waren Parteigänger der Freisinnigen Demokratischen Partei (FDP). Der föderalistischen Struktur des jungen Bundesstaates trug man Rechnung, indem in der Regel zwei der sieben Regierungsmitglieder katholischen Glaubens und zwei nicht deutschsprachig waren.
Erst 1891 überliessen die alleine regierenden Freisinnigen einen Sitz der katholisch-konservativen Partei. Mit einem zweiten wurde die Vorgängerin der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) für ihre vaterländische Haltung während des ersten Weltkriegs belohnt. Die seit den Wahlen 1919 aufstrebende Bauern- Gewerbe- und Bürgerpartei, Vorläuferin der Schweizerischen Volkspartei (SVP), erhielt 1929 ihren ersten Vertreter im Bundesrat.
Die Zauberformel entsteht und hält
Mit der Wahl von zwei sozialdemokratischen Vertretern in die Exekutive – das erste SP-Mitglied wurde 1943 in den Bundesrat gewählt – entstand 1959 jene parteipolitische Zusammensetzung, die während mehr als vierzig Jahren Bestand haben sollte.
Der Bundesrat setzte sich fortan aus je zwei Mitgliedern von FDP, CVP, SP und einem SVP-Mitglied zusammen. Diese Verteilung entsprach lange Jahre der ungefähren Wählerstärke der Parteien. Damit war die «Zauberformel» geboren.
Erst bei den Wahlen 2003 wurde sie gesprengt, als die SVP ihren seit Mitte der 1990er-Jahre stetig ansteigenden Wähleranteil geltend machte. Das Parlament honorierte diese Sichtweise und wählte auf Kosten einer CVP-Vertreterin den zweiten SVP-Mann in den Bundesrat. 2007 wurde dieser nicht mehr wiedergewählt; das Parlament sezte eine Frau aus der SVP an seine Stelle.
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Zauberformel
Chef von bis zu 12’000 Mitarbeitenden
Jedes der sieben Bundesratsmitglieder steht einem Departement vor, vergleichbar mit Ministerien in anderen Ländern. Seit 1848 hat sich die Struktur der Departemente nur geringfügig verändert. Neben einzelnen Verschiebungen innerhalb der Zuständigkeitsbereiche erfolgte die augenfälligste Anpassung bei der Bezeichnung der Departemente. So hiess etwa das heutige Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ursprünglich Politisches Departement.
In seiner Rolle als Departementsvorsteher steht ein Bundesratsmitglied an der Spitze einer hierarchisch gegliederten Verwaltungsstruktur mit bis zu 12’000 Mitarbeitenden (Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, VBS).
«Der Bundesrat hat entschieden»
Gemäss Verfassung entscheidet der Bundesrat als Kollegium. Regierungsentscheide erfolgen deshalb als Beschlüsse der gesamten Exekutive.
In den amtlichen Mitteilungen liest sich das dann jeweils so: «Der Bundesrat hat entschieden.» Gemeint ist damit nicht der Entscheid eines einzelnen Mitglieds, sondern aller sieben Bundesräte.
Auch der für die Amtsdauer von einem Jahr gewählte Bundespräsident verfügt über keine grösseren Machtbefugnisse als seine Kolleginnen und Kollegen. Der Bundespräsident ist damit ein «Primus inter pares», der Erste unter Gleichen. Während des Präsidialjahres führt er den Vorsitz des Siebnergremiums und repräsentiert die Regierung im In- und Ausland. Die Funktion eines Regierungschefs oder Staatspräsidenten kennt die Schweiz nicht.
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Bundesrat
«Gewählt ist mit 146 Stimmen…»
Gewählt werden die Mitglieder des Bundesrats nicht vom Volk, sondern vom Parlament, und dies für eine Amtsdauer von vier Jahren. Während dieser Frist kann sie das Parlament nicht per Misstrauensantrag abwählen; ebenso kann der Bundesrat das Parlament nicht auflösen.
Die Gesamterneuerungswahlen finden jeweils anfangs Dezember statt, wenn die beiden neu gewählten Parlamentskammern das erste Mal zusammentreten. Zur Wahl stellen können sich alle Stimmberechtigten. Ein politisches Amt ist dafür nicht erforderlich. In der Regel kandidieren jedoch Mitglieder des National- oder Ständerats. Vereinzelt wurden auch Vertreter von Kantonsregierungen in den Bundesrat gewählt.
Bis 1999 durfte pro Kanton höchstens ein Vertreter im höchsten Regierungsamt Einsitz nehmen. Diese Formel haben die Stimmbürger in einer Volksabstimmung gestrichen. Heute verlangt die Bundesverfassung lediglich, «dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind».
Bis 2007 hat das Parlament erst sechs Frauen in den Bundesrat gewählt. Seit Dezember 2007 sind erstmals drei Frauen gleichzeitig im siebenköpfigen Gremium.
swissinfo, Nick Lüthi
Die Exekutive der schweizerischen Eidgenossenschaft heisst seit 1848 Bundesrat.
Der Bundesrat besteht aus sieben Mitgliedern.
Gewählt wird der Bundesrat vom Parlament.
Das Parlament kann den Bundesrat nicht abwählen, ebenso kann die Regierung das Parlament nicht auflösen.
Im Bundesrat vertreten sind seit 1943 ausschliesslich Mitglieder der vier Parteien SP, FDP, SVP und CVP.
Die sieben Regierungsmitglieder entscheiden als Kollegium.
Die Schweiz kennt weder die Funktion eines Staatspräsidenten, noch die eines Regierungschefs. Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin wird jeweils für die Amtsdauer eines Jahres gewählt.
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