Der Bundesrat macht sich stark für Schengen
Acht Wochen vor der Abstimmung haben gleich vier Bundesräte das Stimmvolk zu einem Ja für das Abkommen von Schengen und Dublin aufgerufen.
Die Schweiz gewinne mit dem Anschluss an die Abkommen an Sicherheit, entlaste ihr Asylwesen und stärke Tourismus wie Finanzplatz, argumentierten sie.
«Wir stehen nicht nur als Fachminister, sondern auch als Bundesrat geschlossen hinter Schengen und Dublin», sagte Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss am Donnerstag bei der Lancierung ihrer Kampagne.
Der Auftritt von gleich vier Bundesräten, die erst noch alle einer anderen Bundesratspartei angehörten, sei ein Zeichen der Überzeugung und der Geschlossenheit. Der Bundesrat habe den bilateralen Weg erfolgreich weitergeführt und solide Verhandlungsergebnisse erzielt, so Deiss weiter.
Deiss wurde von Justiz- und Polizeiminister Christoph Blocher, Finanzminister Hans-Rudolf Merz und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey begleitet. Der Bundesrat sei der Meinung, dass Schengen die Sicherheit verbessere und Dublin das Asylwesen entlaste, «wenn das System spielt», sagte Blocher.
Die Stimme der Kantone vertrat der Zürcher Regierungsrat Markus Notter. Die Kantone könnten dem Anschluss nach kritischer Durchleuchtung mit gutem Gewissen zustimmen, sagte er. Wichtig sei ihnen insbesondere, dass die kantonale Polizeihoheit gewahrt bleibe.
Zurückhaltender Blocher
Bundesrat Deiss wunderte sich, dass die Schweizerische Volkspartei (SVP) ausgerechnet gegen das «massgeschneiderte und vorteilhafteste» bilaterale Abkommen das Referendum ergriffen habe. Schengen/Dublin bringe neben Sicherheitsgewinnen auch wirtschaftliche Vorteile, namentlich für den Tourismus und die Wirtschaft.
Der bei Schengen/Dublin Feder führende Bundesrat Blocher beschränkte sich darauf, die praktischen Auswirkungen der Polizei-, Justiz- und Asylabkommen zu erläutern. Er verwies auf das neue System an der Grenze, das die systematischen Personenkontrollen aufhebe und durch Schleierfahndungen im Innern ersetze.
Mit Dublin und der Datenbank Eurodac könnten Asylsuchende, die bereits in einem anderen EU-Staat ein Gesuch gestellt haben, zurückgewiesen werden, sagte Blocher. Die Überstellung solcher Personen werde Zeit raubender, aber dafür auch europaweit möglich. Angepasst werden müssten das Visa-System und das Waffenrecht.
Schweiz bleibt Sonderfall
Der für den Zoll zuständige Bundesrat Merz sagte, an der Grenze ändere sich für die Schweiz wenig. Die Schweiz bleibe ein «Sonderfall», weil Warenkontrollen weiterhin durchgeführt würden. Dabei seien auch Personenkontrollen möglich: Als kriminell erkannte Personen würden nicht durchgewinkt.
Eine Zollunion mit der EU stehe zur Zeit nicht zur Debatte, versicherte Merz. Auch der Finanzplatz Schweiz begrüsse die bilateralen Abkommen. Denn das Bankgeheimnis bleibe in den Verträgen über Zinsbesteuerung, Betrugsbekämpfung und Schengen/Dublin gewahrt und auf Dauer gesichert.
Kein Präjudiz für EU-Beitritt
Bundesrätin Calmy-Rey räumte ein, dass bei den Schengen-Visa Missbräuche nicht auszuschliessen seien. Dank der kommenden europaweiten elektronischen Visum-Datenbank (VIS) könnten aber «Visa-Shopping», Visum-Fälschungen sowie ein verdächtiges Ansteigen von Visum-Erteilungen einfacher erkannt und verhindert werden.
Calmy-Rey schloss die Medienkonferenz mit der Versicherung, die bilateralen Abkommen seien kein «Trainingslager» für die EU. Für die EU-Gegnerschaft seien sie eine Alternative zum Beitritt, für die EU-Befürworter eine pragmatische Annäherung: «Der Bundesrat will die Schweiz nicht durch die Hintertür in die EU führen.»
swissinfo und Agenturen
Schengen/Dublin ist eines der acht Abkommen im zweiten Paket der bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU.
Das Schengener Abkommen regelt eine Grenzen überschreitende Zusammenarbeit von Justiz und Polizei sowie die Bekämpfung des Waffen- und Drogenmissbrauchs.
Beim Dubliner Abkommen geht es um die Verhinderung von Zweitgesuchen im Asylbereich durch eine Zusammenarbeit über die Grenzen.
Die SVP hat gegen die beiden Abkommen das Referendum ergriffen, um eine Volksabstimmung zu erzwingen.
Mit rund 86’000 Stimmen war es am 31. März zustande gekommen.
Am 5. Juni wird über Schengen/Dublin abgestimmt.
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