Der Optimismus kehrt nach Benghazi zurück
In Benghazi sei die Normalität beinahe wieder eingekehrt, sagt der Leiter des DEZA-Büros in der zweitgrössten Stadt Libyens. Nach Jahrzehnten unter dem Gaddafi-Regime, seien die Bewohner zurzeit daran, sich auf die Zukunft vorzubereiten.
Daniel Beyeler,ist Leiter des Büros der Direktion für Entwicklungs-Zusammenarbeit (DEZA) in Benghazi. swissinfo.ch hat mit ihm in Bern gesprochen.
swissinfo.ch: Wie ist die Stimmung zurzeit in Benghazi?
Daniel Beyeler: Es herrscht eine ruhige Atmosphäre, nahe an der Normalität. Es hat viel Verkehr, die uniformierten Polizisten sind zurück in den Strassen, die Kaffees sind wieder offen, fast alle Läden sind ebenfalls wieder geöffnet. Die Leute säubern die Strassen, was ein gutes Zeichen dafür ist, dass eine neue Ära angebrochen ist.
Wenn ich mit unseren Leuten oder auch mit den Leuten auf der Strasse rede, dann sind diese ziemlich zuversichtlich, dass der Transitions-Prozess bald beginnen wird.
Mein persönlicher Eindruck ist der, dass es ihnen dank dem Übergansgrat relativ gut geht. Die Mitglieder des Rates stammen aus allen grossen Städten des Landes. Soweit ich informiert bin, besteht keine Absicht, das Land auseinander zu dividieren.
swissinfo.ch: In welche Art von Projekten sind Sie involviert?
D.B.: Wir konzentrieren uns auf die humanitäre Hilfe im Bereich der Medizin und der Nahrung. Wir unterstützen die Spitäler in Tobruk und Benghazi mit Heilmitteln. Vor zwei Tagen kam ein Schiff an mit 20 Tonnen Baby-Milchpulver.
Zudem kümmern wir uns um Vertriebene aus Städten wie Misrata, Brega and Ajdabiya. Zurzeit gibt es in Benghazi 77 Lager, in denen 65’000 Menschen leben. Wir unterstützen die Lager mit Matratzen und mit Bettdecken.
swissinfo.ch: Treffen Sie auch Ausländer?
D.B.: Bis zum 2. Juni haben rund 950’000 Staatsangehörige aus Nachbarländern Libyen verlassen. Von Beginn weg hat die DEZA die internationale Migrations-Organisation finanziell und mit einem Experten unterstützt. Ziel war es, den Ausländern die Rückreise in ihr Heimatland zu ermöglichen?
swissinfo.ch: Welche Art von Hilfe leistet die Schweiz?
D.B.; Auf der einen Seite unterstützen wir unsern Hauptpartner, die internationale Rotkreuz-Organisation. Zudem unterstützen wir das Welt-Nahrungsprogramm und das UNO-Büro für humanitäre Hilfe finanziell.
Auf der andern Seite leisten wir auch direkte medizinische Hilfe und wir unterstützen Frauen-Projekte.
Wir bieten auch spezialisierte Medikamente, zum Beispiel für Krebspatienten. Diese Medikamente sind teuer und die Verteilkanäle nach Libyern sind oft unterbrochen. Wir bringen die Medikamente per Schiff nach Benghazi. Die Verteilung wird von unsern Mitarbeitern überwacht.
swissinfo.ch: Wie es scheint, sind die Leute in Benghazi recht gut organisiert. Ist die Korruption kein Problem?
D.B.: Ich denke nicht. All die Leute, mit denen ich rede, sind wirklich ehrlich. Sie sind froh, dass sich ihr Leben geändert hat. Sie arbeiten sehr hart.
Der Enthusiasmus der Leute ist erstaunlich. Sie treffen sich täglich im Zentrum von Benghazi, sitzen zusammen und reden miteinander. Die Atmosphäre ist sehr schön.
swissinfo.ch: Welche Rolle spielen die Frauen? Es war ja augenfällig, dass in all den arabischen Revolutionen auch die Frauen auf die Strasse gingen.
D.B.: Das ist in der Tat so. In der Vergangenheit waren in Libyen Frauen-Nichtregierungsorganisationen verboten. Es gibt jedoch eine Frauenorganisation, die seit zehn Jahren in Benghazi arme Leute unterstützt. Es gibt Frauenorganisationen und ihre Bedeutung nimmt zu.
swissinfo.ch Akzeptieren das die Männer?
D.B.: Ja, die Leute sind wirklich aufgeschlossen und ich denke, dass das ein gutes Zeichen ist für die Zukunft. Meine Mitarbeiter und ich stellen fest, dass die Leute gebildet und lernbegierig sind. Zudem kommen viele Libyer aus dem Ausland zurück, um das Land zu unterstützen. Das ist toll.
swissinfo.ch: Ist die Schweiz so früh nach Benghazi gegangen, um künftig dort in einer guten Position zu sein?
D.B.: Nein. Unsere Hauptaufgabe ist es, den Menschen in Not zu helfen. Auch andere Länder kamen zeitgleich mit uns nach Benghazi. Wir arbeiten ohne Rivalitäten zusammen, auch mit der UNO und mit den Organisationen des Übergangsrates. Es ist wirklich eine Zusammenarbeit zwischen Ost und West.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat in einer ersten Tranche 12 Mio. Franken seines Budgets für Projekte und Massnahmen gesprochen in den Bereichen humanitäre Hilfe, Migration, strukturelle Reformen, wirtschaftliche Entwicklung und Kampf gegen die Armut.
Das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) beträgt 2011 und 2012 für diesen Bereich des Mittelmeerraums zwischen 20 und 30 Mio. Franken.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch