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Der Zivildienst steht vor unsicherer Zukunft

Ein Zivildienstler hilft während seines Einsatzes einer betagten Patientin beim Gehen. Keystone

Den Zivildienst gibt es seit zehn Jahren. Seine Existenz ist durch die sinkende Zahl der Zivildienstleistenden bedroht. Ein Komitee schlägt vor, ihn für Frauen und Ausländer zu öffnen.

1996 hat die Schweiz als eines der letzten Länder Europas den zivilen Ersatzdienst aus Gewissensgründen eingeführt.

Heute sei es einfacher, dienstuntauglich erklärt zu werden als in den Zivildienst einzutreten. Dies kritisierte das Schweizerische Zivildienstkomitee an einer Pressekonferenz zum zehnjährigen Bestehen der Institution.

Seit der Einführung der Armee XXI im Jahr 2002 habe die Zahl der Zivildienstgesuche um 20% abgenommen. Wenn es so weitergehe, sei der Zivildienst ein Auslaufmodell.

Das Schweizerische Zivildienstkomitee versammelt verschiedene Organisationen wie die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), das Zentrum für gewaltfreie Aktion und die Gemeinschaft Schweizer Zivildienstleistender.

Dass nur Diensttaugliche, die eine Gewissensprüfung absolvierten, zum Zivildienst zugelassen würden, sei unhaltbar und willkürlich, argumentierte das Komitee.

Auch finanzielle Belastung

Die Gewissensprüfung schrecke nicht nur vor einem sinnvollen Dienst an der Gemeinschaft ab, sondern belaste die Allgemeinheit auch finanziell: Im Jahr 2003 habe allein das Zulassungsverfahren die Steuerzahlenden mehr als 6,6 Mio. Franken gekostet.

Das Zivildienstkomitee appellierte an den Nationalrat, in der Herbstsession der vom Ständerat abgeänderte Motion Studer zuzustimmen.

Der abgeänderte Text fordert zwar keine explizite Abschaffung der Gewissensprüfung mehr, erteilt dem Bundesrat jedoch den Auftrag, ein Gesetz zu erarbeiten, das die Zulassung zum Zivildienst vereinfacht.

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Sorge um Nachwuchs

Das Komitee appellierte zudem an die Politiker, sich vermehrt für den Zivildienst einzusetzen. Viele Jugendliche würden den Unterschied zwischen Zivildienst und Zivilschutz nicht kennen – hier sei Aufklärungsarbeit dringend nötig.

Ausserdem soll der gemeinnützige Dienst auch Frauen und Ausländern zugänglich gemacht werden.

Das Zivildienstkomitee äusserte in Bern auch seine Sorge um genügend Nachwuchs. 40% der Wehrdienstpflichten wurden im neuen Aushebungssystem der Armee XXI 2005 für untauglich erklärt. Diese Zahl steigt seit der Einführung des neuen Armeemodells 2002 kontinuierlich an, wie das Zivildienstkomitee sagte.

Früher waren jeweils 15 bis 20% der Stellungspflichtigen dienstuntauglich. Die neuen Zahlen zeigten, dass die Armee nicht mehr auf alle jungen Männer angewiesen sei. Sie schaue, bei welchen sich die teure Ausbildung auch lohne. Das stelle letztlich die Wehrgerechtigkeit in Frage, gab Nationalrat Hans Widmer zu bedenken.

Parallel zu dieser Entwicklung nahmen die Zivildienstgesuche im selben Zeitraum um einen Fünftel ab. Für junge Männer werde es immer leichter, dem Militärdienst auf dem «blauen Weg» zu entkommen, hiess es beim Zivildienstkomitee.

Andererseits erfreut sich der Zivildienst bei jenen, die Dienst leisten müssen, steigender Beliebtheit. Zwischen 1998 und 2005 nahmen die Zulassungsgesuche um 80% zu; 2005 stellten 8% der Diensttauglichen ein solches Gesuch.

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Miliz-Armee

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizer Armee beruht auf dem Milizprinzip: Alle Männer im wehrpflichtigen Alter durchlaufen eine Grundausbildung und erweitern das Wissen und Können in periodischen Kursen. Laut Bundesverfassung dient die Armee der Verhinderung von Kriegen und trägt bei zur Erhaltung des Friedens. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr von schwerwiegenden Bedrohungen für die innere Sicherheit…

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Bundesverfassung geändert

1977 und 1984 hatte die Schweizer Bevölkerung mit 60% der Stimmen zwei Volksinitiativen abgelehnt, die einen Zivildienst forderten.

Erst nach Ende des Kalten Krieges 1989 änderte sich die Stimmungslage. 1991 wurde eine Änderung des Militärstrafgesetzes an der Urne angenommen, die Dienstverweigerern mit anerkannten Gewissensgründen eine Arbeitsleistung in öffentlichem Interesse ermöglichte.

Ausgelöst durch eine Parlamentarische Initiative von Nationalrat Helmut Hubacher überarbeitete das Eidgenössische Parlament 1991 den Wehrpflicht-Artikel der Bundesverfassung. Er lautete nun «Jeder Schweizer ist wehrpflichtig. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor».

swissinfo und Agenturen

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Der Zivildienst dauert anderthalb mal so lang wie der Militärdienst, also 390 Tage. Er kann auf einmal oder in mehreren Einheiten von mindestens 180 Tagen absolviert werden.
Der Zivildienstler arbeitet in öffentlichen Institutionen, im Bereich Gesundheit, Soziales, Umweltschutz, humanitäre Hilfe oder Entwicklung (auch im Ausland).
Während seines Diensts erhält er wie im Militärdienst einen Sold von 80% seines Lohnes.
In den letzten 10 Jahren haben in der Schweiz über 15’000 Menschen Zivildienst geleistet. Sie absolvierten insgesamt 2 Mio. Diensttage.

Das Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) ist auf den 1. Oktober 1996 in Kraft getreten. Der Verfassungsgrundsatz der allgemeinen Wehrpflicht wird durch den Zivildienst nicht angetastet. Er ist keine frei wählbare Alternative zum Militärdienst und bleibt eine besondere Form der Erfüllung der Wehrpflicht.

Wer Zivildienst leisten will, muss zuerst für militärdiensttauglich erklärt werden und anschliessend einen Antrag stellen. Als nächstes gibt es eine Anhörung vor einer Kommission, welche die Glaubwürdigkeit seiner Motive prüft.

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