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Deutsche in der Schweiz können zuhause wählen

In der Schweiz wohnhafte Deutsche können an der Bundestagswahl mitmachen. Keystone

Am 27. September ist Wahltag in Deutschland. Wie Auslandschweizer in ihrer Heimat ein Wahlrecht haben, können auch Deutsche vom Ausland aus, zum Beispiel aus der Schweiz, für die Bundestagswahl ihre Stimme abgeben. Die Begeisterung hält sich jedoch in Grenzen.

Das Interesse an der Politik in der ehemaligen Heimat dürfte abnehmen, je länger man weg ist und je besser man am neuen Ort integriert ist, könnte man meinen. In Bezug auf die Partizipation von Deutschen in der Schweiz an der bevorstehenden Wahl spielt diese Logik allerdings nicht immer.

Dies zeigte sich im Gespräch mit Auslanddeutschen am Rande eines Anlasses des Swiss German Clubs der Sektion Zentralschweiz auf dem Bürgenstock im Kanton Nidwalden: Es gibt solche, die wählen, obwohl sie seit ewig weg sind, und andere, die nicht wählen, obwohl sie erst ein Jahr in der Schweiz leben.

«Für mich ist niemand wählbar»

Sylvana Burré, die vor einem Jahr in Deutschland alles aufgegeben hat und zu ihrem Schweizer Freund in die Urschweiz gezogen ist, wird sich am Urnengang nicht beteiligen. Dies obwohl die deutsche Politik für sie «noch immer aktuell ist und es auch bleiben wird».

«Ich weiss nicht, wen ich wählen soll. Mir fällt niemand ein, der für mich wählbar ist – weder links noch rechts. Da enthalte ich mich lieber.» Die amtierende Kanzlerin habe es zwar nicht schlecht gemacht, hätte es aber besser machen können, vor allem in der Aussenpolitik: «Warum muss sich Deutschland überall einmischen? So wie in Afghanistan?»

Und auch innenpolitisch habe es Angela Merkel nicht wirklich in den Griff gekriegt. «Die Arbeitslosigkeit steigt, und es ist nicht absehbar, dass sich das 2010 ändern wird», sagt Burré.

«Ich wähle nie in Deutschland»

Auch Joseph Thoma, Managing Director der Athaneum Immobilien GmbH in Sarnen, Obwalden, wird sich an der Wahl nicht beteiligen. Die Politik in Deutschland interessiert ihn nur dann, wenn sie die Schweiz betrifft. «Ich lebe hier, bin integriert und habe geschäftlich mit Deutschland nichts zu tun», so der Doppelbürger, der seit 1981 in der Schweiz lebt.

«Ich wähle nie in Deutschland. Damals ging ich weg, weil mir die Politik nicht passte.» Bei der jetzigen Wahl hätten die Leute eh nur die Wahl, das kleinere Übel zu wählen. «Das wäre dann eventuell die CDU/CSU zusammen mit der FDP.»

In der Schweiz hingegen macht Thoma von seinem Stimm- und Wahlrecht regelmässig Gebrauch: «Hier ist es demokratischer. Man hat viel mehr Mitbestimmung.»

«Frau Merkel bekommt meine Stimme»

Auch Barbara Stiemerling ist vor vielen Jahren aus Deutschland ausgewandert. Nach Aufenthalten in Hongkong und Peking wohnt die Bonnerin seit 10 Jahren in der Schweiz, wo sie in der internationalen Hotellerie tätig ist.

Da sie seit Frühjahr 2009 Leiterin des Swiss German Clubs Zentralschweiz ist, interessiere sie sich wieder mehr für deutsche Politik und will jetzt zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder wählen. «Ich möchte, dass Frau Merkel Bundeskanzlerin bleibt und werde ihr meine Stimme geben.»

Ihr sei wichtig, dass die CDU an der Macht sei, denn durch Steinbrücks Attacken gegen die Schweiz «haben wir Deutschen in der Schweiz sehr leiden müssen». Damit so etwas nicht mehr passiert, will sich Stiemerling an der Wahl beteiligen.

Immer wieder Steinbrück

Dass die Äusserungen Steinbrücks nicht eben zur Freundschaft zwischen den beiden Ländern beigetragen haben, könne man nicht an einer Partei festmachen, meint Joseph Thoma. «Leute wie Steinbrück gibt es in jeder Partei.»

Auch Silvana Burré findet nicht gut, was Steinbrück «abgezogen hat». Die deutsche Politik tangiere ihr Leben in der Schweiz aber nicht und sie habe keine negativen Reaktionen zu spüren bekommen. «Ich bin ja kein Steuerflüchtling.»

«Deutschland ist wichtig für die Schweiz und auch für meine Aufgaben», sagt Rolf-Peter Pfaff, Geschäftsführer der pfaffCONSULTING GmbH in Luzern. Er lebt seit 20 Jahren in der Schweiz, beobachtet die deutsche Politik genau «Ich bin interessiert, an einer wirschaftsliberal-orientierten Regierung in Deutschland und wünsche mir, dass Merkel am Ruder bleit.»

Er hat sich vorgenommen zu wählen, den Antrag zur Wahlregistrierung allerdings noch nicht gestellt. «Noch habe ich ein paar Tage Zeit.»

«Ein Wechsel täte Deutschland gut»

Margret Junk, seit März dieses Jahres bei einer Kantonalbank tätig und Inhaberin eines Weinguts an der Mosel, ist bereits im Wahlregister eingetragen. Sie ist überzeugt, dass ein Wechsel Deutschland positiv weiterhelfen könnte. Merkel müsse ja nicht gleich auswandern. «Es gibt mit Sicherheit einen netten Job für sie», sagt die Bankkauffrau.

Wem Junk ihre Stimme geben will, sagt sie nicht. Nur so viel: «Es gibt durchaus Alternativen zur amtierenden Bundeskanzlerin. Aber ich lasse mich ungern auf eine Couleur oder Richtung beschränken.»

Gaby Ochsenbein, Bürgenstock, swissinfo.ch

In der Schweiz leben laut offiziellen Zahlen gegen 240’000 Deutsche.

Wie von der deutschen Botschaft in Bern zu erfahren war, sind keine Daten zur Zahl der Auslanddeutschen weltweit verfügbar, weil es für Deutsche im Ausland keine Meldepflicht gibt.

Laut der Botschaft gingen bei der deutschen Botschaft in Bern einige Hundert Anfragen im Zusammenhang mit den Wahlen 2009 und der Registrierung ein.

Daten zur diesjährigen Bundestagswahl liegen naturgemäss noch keine vor.

Bei der letzten Bundestagswahl 2005 hatten 54’808 einen Antrag auf Registrierung im Wählerverzeichnis gestellt.

Im Vergleich mit der Schweiz scheint die Zahl bescheiden, haben sich doch von den knapp 700’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern bei den letzten nationalen Wahlen 120’000 eingetragen.

In der Schweiz leben zur Zeit knapp 240’000 deutsche Staatsangehörige.

Die Deutschen nach den Italienern die zweitgrösste Ausländergruppe.

Die Schweiz ist in den letzten Jahren zum beliebtesten Auswanderungsziel für Deutsche geworden.

Ein Grossteil der in der Schweiz wohnhaften Deutschen sind gut qualifizerte Arbeitskräfte, viele sind Kaderleute oder Akademiker.

Die Schweiz ist der neuntgrösste Handelspartner Deutschlands, Deutschland der grösste Handelspartner der Schweiz und die Schweiz der sechstgrösste Direktinvestor in Deutschland.

Rund 75’500 Schweizerinnen und Schweizer leben in Deutschland.

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