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«Die Befragung war hart aber fair»

Keystone

Im Zusammenhang mit dem geplanten Steuerfluchtgesetz von Finanzminister Peer Steinbrück fand in Berlin eine Anhörung im deutschen Bundestag statt. Eingeladen war auch Urs Philipp Roth von der Schweizerischen Bankiervereinigung. swissinfo hat mit ihm gesprochen.

Kurz vor seiner Rückkehr in die Schweiz gab sich der Geschäftsführer der Bankiervereinigung (SBV) zufrieden mit dem Verlauf des Hearings.

swissinfo: Die Anhörung im Parlamentsausschuss ist zu Ende und Sie sind auf dem Rückweg nach Zürich. Wie ist es gelaufen?

Urs Philipp Roth: Die dreistündige Anhörung von insgesamt 25 Experten fand in einer sehr sachlichen und konstruktiven Atmosphäre statt. Abgeordnete von allen Parteien haben mir rund zehn Fragen gestellt. Ich habe die Befragung als hart aber fair erlebt.

swissinfo: In welche Richtung zielten die Fragen an die Schweiz? Was wollte man von Ihnen wissen?

U.P.R.: Die Fragen betrafen vor allem die künftige Handhabung der OECD-Regeln bei Steuerdelikten. Ich habe den Abgeordneten erklärt, dass die Schweiz in Zukunft bereit sei, den deutschen Behörden Auskünfte entsprechend einem neuen bilateralen Doppelbesteuerungs-Abkommen zu erteilen. Diese Amtshilfe wird jedoch nur im Einzelfall und bei konkretem Verdacht auf ein Steuerdelikt geleistet.

Auf weitere Nachfragen hin habe ich bestätigt, dass keine Auskünfte bei der in Deutschland ebenfalls strafbaren Steuerhinterziehung vorgesehen seien, der Bundesrat jedoch in diesem Zusammenhang zu Revisionen bereit sei.

Mir war es wichtig zu vermitteln, dass es nicht dazu kommen darf, mit einer Lockerung des Bankgeheimnisses den gläsernen Bürger zu schaffen.

swissinfo: Konnten Sie auch Mythen des Schweizer Bankgeheimnisses beseitigen?

U.P.R.: Ja, das kann man so sagen. Zum Beispiel musste ich mehrmals betonen, dass die Schweiz kein Hort für Steuerfluchtgelder sei und die Mehrheit der Kunden von Schweizer Banken sich steuerehrlich verhalte.

Weiter habe ich erklärt, dass wir Inhaber-Sparbücher abgeschafft haben und es in der Schweiz auch keine anonymen Konten gebe.

swissinfo: Im Vorfeld dieser Anhörung haben Sie das geplante Steuerfluchtgesetz des Finanzministers Peer Steinbrück als «überzogen und kontraproduktiv» bezeichnet. Konnten Sie im Hearing diese Position vermitteln – und wurden Sie verstanden?

U.P.R.: Der vorliegende Gesetzentwurf stösst ja selbst innerhalb der deutschen Regierung auf Widerstand – insofern stehen wir mit unserer Kritik nicht alleine da. Die unterschiedlichen Positionen zum geplanten Gesetz kamen auch im Hearing zum Vorschein.

Ich habe die Parlamentsabgeordneten darauf hingewiesen, dass es gravierende Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft hätte, sollte das geplante Gesetz zur Steuerhinterziehung, so wie es derzeit vorliegt, auf die Schweiz angewendet werden.

Der deutschen Regierung sollte klar sein, dass ein unilaterales Vorgehen dem Land letztlich nur schaden würde.

swissinfo: Wurden Sie im Hearing auch auf die angespannte Beziehung zwischen den beiden Nachbarländern angesprochen?

U.P.R.: Nein, das war auch nicht vorgesehen. Ich war schliesslich nur einer von vielen Experten, die dem Parlament Rede und Antwort standen.

swissinfo: Es gab also keine Bemerkungen über Indianer oder gar Drohungen mit der Peitsche?

U.P.R.: Zum Glück nicht! Im Gegenteil – meine Anwesenheit wurde sehr begrüsst. Mehrere Abgeordnete – übrigens vor allem aus der SPD – haben mich darauf angesprochen, wie sehr sie es schätzten, dass die Schweiz in der Anhörung mit einem Experten vertreten sei und sich den Fragen stelle.

swissinfo: Wie geht es nun weiter in der Zusammenarbeit mit Deutschland?

U.P.R.: Der Schweizer Bundesrat wird mit Deutschland ein neues bilaterales Doppelbesteuerungsabkommen aushandeln. Gegen die neuen Abkommen könnte das Referendum ergriffen werden.

In den nächsten Wochen wird sich auch zeigen, ob und in welcher Form in Deutschland das geplante Gesetz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung zur Anwendung kommt. Die Anhörung im Ausschuss ergab diesbezüglich nichts Neues.

swissinfo, Paola Carega, Berlin

Wie bringen nationale Steuerämter ihre Landsleute über die Landesgrenze hinweg zum Bezahlen ihrer Steuern?

Dazu existieren im Moment hauptsächlich zwei Methoden: Steuerrückbehalt (Withholding Tax) und automatischer Informationsaustausch.

Die Schweiz praktiziert, wie die EU-Staaten Österreich, Luxemburg und Belgien, den Steuerrückbehalt. Die anderen EU-Staaten verwenden den automatischen Informationsaustausch.

Nun plant aber eine EU-Richtlinie, dass der automatische Informationsaustausch dann zur EU-Regel werden soll, wenn Brüssel mit Nicht-EU-Staaten (Drittstaaten wie der Schweiz) einen Informationsaustausch vereinfacht.

Dieser Info-Austausch muss gar nicht automatisch sein, sondern kann auch auf der Basis von «auf Anfrage» vereinbart werden.

Falls also Brüssel mit der Schweiz einen Info-Austausch «auf Anfrage» vereinbaren kann, hängen die drei EU-Staaten Österreich, Luxemburg und Belgien auch drin – ausgerechnet jene Länder, die die Schweiz immer gegen Brüssels Forderungen unterstützt hatten.

Und grosse EU-Länder wie Deutschland möchten den Informationsaustausch lieber heute als morgen.

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