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Die Bilderbuchkarriere einer Strahlefrau

Im Garten der Heimat: Doris Leuthard. (Foto: Kurt Reichenbach für Schweizer Illustrierte) Kurt Reichenbach für Schweizer Illustrierte

Ihre Wahl war seit ihrem Ja-Wort unbestritten. Die 43-jährige Aargauerin Doris Leuthard will den Bundesrat wieder zu einem Team formen und den Dialog mit allen suchen.

Auch die Umsetzung von E-Voting und den Einbezug der Auslandschweizer in die politischen Prozesse bezeichnet sie gegenüber swissinfo als wichtiges Anliegen.

«Auslandschweizer sollten aktiv an den Entscheidungen teilnehmen. Durch ihren Auslandaufenthalt haben sie einen anderen Blickwinkel auf unsere politischen Entscheide. In diesem Sinne sind sie eine Bereicherung für den Entscheidfindungs-Prozess», führt Leuthard gegenüber swissinfo aus.

E-Voting bezeichnet sie als Voraussetzung für eine aktivere Teilnahme der Auslandschweizer. «Die Schweiz ist im europäischen Vergleich keine Musterschülerin und wir müssen hier vorwärts machen. Ich hoffe, dass der Bericht zum ‹vote électronique› nun auch den Auftakt zu einer umfassenderen Strategie des Bundes in Sachen E-Government bildet.»

«Charmeoffensive» und «Wohlfühlpackung»

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) stieg mit einer Einerkandidatur ins Rennen und vergass dabei, dass sie von anderen Parteien stets eine Kandidatenauswahl gefordert hatte.

Die Kandidatur war parteiintern – welcher CVP-Mann hätte schon als «Ladykiller» seinen Ruf ruinieren wollen? – und in der Öffentlichkeit praktisch nicht umstritten. Die Halbwertszeiten der Kritiken, welche der Kandidatin zu wenig Führungserfahrung oder ein kaum konturiertes politisches Profil vorwarfen, waren kurz.

«Wohlfühlpackung», «Charmeoffensive», «braune Rehaugen», «bezaubernd» – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, die Attribute stammen nicht ausschliesslich aus der Boulevardpresse.

Leuthard ist mit 43 Jahren rund 20 Jahre jünger als der Rest der Landesregierung. Ihr Auftritt entspricht ihrem Lebensstil, den die «Schweizer Illustrierte» ausführlich dokumentierte: Leuthard ist und lebt adrett und gepflegt.

Gehobener Mittelstand aus dem Schweizer Mittelland, ländlich, mit Gemüse- und Blumengarten, lediglich einen Steinwurf vom Haus der Eltern entfernt.

Hoffnungsträgerin der Einigkeit

Die selbständige Anwältin legte als Quereinsteigerin eine steile Karriere aufs politische Parkett. 1997 wurde sie in das aargauische Kantonsparlament gewählt, ohne zuvor die übliche Ochsentour auf Gemeindeebene absolviert zu haben. 1999 gelang ihr der Sprung in den Nationalrat.

2004 wurde sie Präsidentin der CVP Schweiz. Die CVP hatte kurz zuvor mit Verlusten bei den Parlamentswahlen und der folgenden Abwahl ihrer Bundesrätin Ruth Metzler einen Tiefpunkt in der Parteigeschichte erreicht.

Seither gilt sie als Präsidentin, welche die Partei auf die Strasse der Wahlerfolge zurück gebracht hat. Dass die effektiven Wahlresultate dieses Bild als PR-Masche enttarnten, spielte in der Euphorie vor der Wahl allerdings eine wenig bedeutende Rolle.

Immerhin ist es der Hoffnungsträgerin gelungen, die Partei, die in politischen Fragen selten einen geschlossenen Eindruck hinterlässt, einhellig hinter ihre Kandidatur zu bringen.

Katholisches Netzwerk

Doris Leuthard stammt aus dem katholischen Teil des Kantons Aargau. 1999 haben sie und der Chemiker Roland Hausin geheiratet und damit die jahrelange «wilde Ehe» in parteikonforme Bahnen gelenkt.

Im katholischen Milieu aufgewachsen, konnte die Tochter eines CVP-Kantonsparlamentariers schon vor ihrer politischen Karriere auf ein «schwarzes» Netzwerk zurückgreifen.

So stieg Leuthard bereits mit 26 Jahren in die Anwalts-Praxis des damaligen CVP-Kantonsparlamentariers Kurt Fricker ein, wo sie – inzwischen als Teilhaberin – bis anhin als Anwältin arbeitete.

Sie führe eine Partei mit mehreren tausend Mitgliedern, entgegnete sie jenen Kritikern, die ihr mangelnde Führungserfahrung vorgeworfen hatten: «Als ich Parteipräsidentin wurde, haben sich viele Wirtschaftsführer diesen Posten nicht zugetraut.»

Offen und bereit zum Dialog

Die Regierung müsse die Probleme spüren und Kollegialität vorleben. «Die Leute haben das Hickhack satt», kommentierte Leuthard die offen ausgetragenen Konflikte zwischen Bundesräten.

Ihr ausgeprägter Hang zur Mitte brachte ihr den Vorwurf ein, sie surfe auf einer Welle politischer Beliebigkeit. In Asylrechtsfragen verfolgt die Christin eine harte Linie und verstimmte damit die Bischofskonferenz. Nach einer Aussprache gaben sich die Kirchenherren wieder versöhnt.

Doris Leuthard steht – in Zeiten der Polarisierung – für Harmonie und Kohäsion. «Mein Ziel ist es, den gleichen offenen Dialog zu allen Schweizerinnen und Schweizern zu führen, ob sie im Ausland leben oder nicht.»

swissinfo, Andreas Keiser

Doris Leuthard ist die 5. Frau, welche den Sprung in die Landesregierung geschafft hat.

Die 1. Bundesrätin, die Freisinnige Elisabeth Kopp, wurde 1984 gewählt und musste nach fünf Jahren zurücktreten. Ein ominöses Telefonat mit ihrem Mann brachte sie zu Fall.

1993 wurde die Sozialdemokratin Ruth Dreifuss nach der Nichtwahl von Christiane Brunner unverhofft gewählt. Sie trat im Dezember 2002 zurück.

Die Christlichdemokratin Ruth Metzler wurde 1999 gewählt. Ende 2003 hat sie das Parlament zugunsten Christoph Blochers von der Schweizerischen Volkspartei abgewählt.

Die Sozialdemokratin Micheline Calmy-Rey ist seit 2002 Aussenministerin. Sie war bisher die einzige Frau im 7-köpfigen Gremium.

Doris Leuthard: geboren 1963 als ältestes von 4 Kindern in Merenschwand, Kanton Aargau, einer traditionellen CVP-Hochburg.

Studium der Rechtswissenschaften in Zürich.

Sprachaufenthalte in Paris und Calgary.

Bis zur Wahl in den Bundesrat: Rechtsanwältin in Wohlen und Muri, Kanton Aargau.

1997: Wahl ins Aargauer Kantonsparlament.

1999: Wahl in den Nationalrat (grosse Kammer des Schweizer Parlaments).

2001: Vizepräsidentin und seit September 2004 Präsidentin der CVP Schweiz.

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