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Die Doppelbürger im Visier der Rechten

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Nach ihrem Doppelsieg bei den Bürgerrechts-Abstimmungen vom 26. September will die Schweizerische Volkspartei mit einem parlamentarischen Vorstoss das Doppelbürgerrecht verbieten.

Dies hat unter Auslandschweizern, aber auch unter Parteien und selbst innerhalb der SVP eine heftige Debatte ausgelöst.

«Wenn ich an alle Auslandschweizer denke, die einen zweiten Pass besitzen, und von denen viele das Schweizer Stimm- und Wahlrecht haben, macht mich das ganz krank», protestiert der Genfer liberale Nationalrat Jacques-Simon Eggly, Vize-Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO).

«Zwar haben mir einige Kollegen von der SVP versichert, dass ein Gesetz, das die Doppelbürgerschaft verbietet, keinen rückwirkenden Effekt habe», sagt Eggly im weiteren.

«Dennoch hiesse das, dass jeder Schweizer, der auswandert, keine politische Bindung mehr zur Heimat haben dürfte – eine für die heutige Zeit völlig abwegige Idee.»

Die Diskussion über den Status von Doppelbürgern ist in vollem Gang. Kurz nach ihren Abstimmungssiegen vom 26. September hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) nämlich daran erinnert, dass sie eine parlamentarische Initiative lancieren wolle.

Dabei möchte sie auf das Bürgerrechtsgesetz zurückkommen, wie es vor 1992 Gültigkeit hatte, als die Doppelbürgerschaft verboten war.

Ein Wahlversprechen

«Man kann nicht zwei Herren dienen», sagte SVP-Präsident Ueli Maurer gegenüber der Westschweizer Tageszeitung «Le Temps». Dennoch gibt er zu, dass die Frage nicht einfach zu lösen sei. «Meine Frau, welche auch die amerikanische Bürgerschaft besass, musste auf sie verzichten.»

Dennoch figuriert dieser Leitspruch schwarz auf weiss im Wahlprogramm 2003 – 2007 der SVP: «Der Schweizer Pass ist keine Ware, die man kaufen kann. Er ist das Resultat einer bewussten Wahl», sagt Maurer. Man müsse sich deshalb an die Versprechen halten, die man Wählerinnen und Wählern letztes Jahr abgegeben habe.

Motion Hutter

Bereits im vergangenen Mai hatte die St. Galler SVP-Nationalrätin Jasmin Hutter eine parlamentarische Motion zum selben Thema eingereicht, die von 37 Abgeordneten mitunterzeichnet war.

Laut Hutter ist die Doppelbürgerschaft «als Prinzip anfechtbar, weil sie an sich schon auf Opportunismus beruht». Man suche, so behauptet die Nationalrätin, nach den jeweiligen Vorteilen, die einem mal die eine, mal die andere Nationalität bringe.

Die Regierung müsste auf diese Motion im kommenden November antworten. Das Geschäft obliegt dabei dem Justiz-Departement, dem Bundesrat Christoph Blocher vorsteht, einer der zwei SVP-Vertreter in der Exekutive.

500’000 Doppelbürger allein in der Schweiz

1992 hat die Schweiz mit der Revision des Bürgerrechtsgesetzes die Doppelbürgerschaft zugelassen. Heute leben rund 500’000 Doppelbürgerinnen und –bürger im Land.

Diese Schätzung stammt vom Bundesamt für Statistik, welches aufgrund von Umfragen im Jahr 2000 erstmals Zahlen dazu publiziert hat.

Auch unter den Parlamentariern gibt es zahlreiche Doppelbürger, insbesondere in der Romandie. Beispielsweise im Fall von Pierre-François Veillon, SVP-Parlamentarier, dessen Lebenspartnerin Doppelbürgerin ist.

«In der Westschweiz, und besonders im grenznahen Bereich zu Frankreich, zeigt sich eben eine etwas andere Wirklichkeit», räumt der Waadtländer ein.

Der linke Parlamentarier Joseph Zisyadis, ebenfalls binationaler Waadtländer, hat die Mehrheit der Waadtländer Räte in Bern überzeugen können, die Ausländer in ihrem Kanton zur Einbürgerung zu ermuntern.

«Die beste Antwort auf diese Einschüchterungs-, Ausschluss- und Abriegelungs-Versuche besteht in der Wahl, Schweizer zu werden», sagt der Nationalrat der Partei der Arbeit (PdA).

Pierre-François Veillon, auch er ein Waadtländer, hat Zisyadis› Appell nicht mitunterzeichnet. Im Prinzip sei er aber nicht gegen die Doppelbürgerschaft. «Was die Politik betrifft, glaube ich, dass dieses Thema nicht aktuell ist. Wir haben genug zu tun mit den Bilateralen II.»

90’000 stimmende und wählende Auslandschweizer

Rund 70% der 612’562 Auslandschweizer sind Doppelbürger, 90’000 Auslandschweizer sind in den Stimm- und Wahlregistern eingetragen.

Politisch sind sie mehrheitlich für eine Öffnung der Schweiz nach aussen. Sie haben auch zu 70% die Einbürgerungs-Vorlagen des Bundesrates vom 26. September gutgeheissen.

Jean-Paul Aeschlimann, der zweite Vizepräsident der ASO, sagt denn auch, die SVP habe entweder ihre Bürgerinnen und Bürger im Ausland vergessen und sich damit selbst ins Knie geschossen. «Oder sie will die Auslandschweizer dafür büssen, dass sie nicht auf der SVP-Linie stimmen und wählen.»

Pierre-François Veillon muss selber zugeben, dass es «kompliziert und dumm» wäre, den Auslandschweizern das Recht zu entziehen, ihren Schweizer Pass behalten zu dürfen.

Der Genfer Nationalrat Jacques-Simon Eggly hofft nun, dass die SVP – berauscht von ihrem Erfolg vom 26. September – mit diesem Schritt einen Schritt zu weit geht und eine «gesunde Reaktion des Schweizer Volks erfolgt, inklusive der Landbevölkerung».

Ein Projekt Blocher ist im Tun

Zu erwähnen ist auch, dass das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (Imes), das zum Justiz-Departement von Bundesrat Blocher gehört, an einem neuen Projekt zur Doppelbürgerschaft arbeitet.

Unter den denkbaren Möglichkeiten des Umgangs mit dem Doppelbürgerrecht figurieren der Status Quo, der alles so belässt, wie es gegenwärtig geregelt ist, oder ein Zurückkommen auf den Status vor der Revision von 1992.

Dieser regelt die Doppelbürgerschaft restriktiver und verlangt von den Eingebürgerten, dass sie auf ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft verzichten.

Drittens wird auch die Möglichkeit erwogen, nur von den im Inland lebenden Doppelbürgern den Verzicht auf die zweite Bürgerschaft zu verlangen.

Christoph Blocher dürfte seinen Kollegen im Bundesrat bis kommenden November ein entsprechendes Projekt unterbreiten.

swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

Die Zahl der Auslandschweizer hat sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt.
Ende 2003 lebten 612’562 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.
70% davon sind Doppelbürger.
60% davon leben in der Europäischen Union.
25% davon in Frankreich.

Die Schweiz hat die Doppelbürgerschaft 1992 zugelassen.
Laut dem Bundesamt für Statistik leben im Inland rund 500’000 Doppelbürger.
Die Hälfte davon wurde durch Einbürgerung Schweizer, die andere Hälfte durch Abstammung.
57% sind in der Schweiz geboren.
Rund 75% sind auch Bürger eines EU-Landes.

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