Die jungen Ausländer bleiben Fremde
Die Vorlagen zur erleichterten Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer der zweiten und der dritten Generation sind gescheitert. Ebenso die Postinitiative.
Angenommen hat das Schweizer Stimmvolk hingegen den Mutterschafts-Urlaub.
Die Mutterschafts-Entschädigung wurde mit 55.4% Ja Stimmen angenommen. Die Einbürgerungsvorlagen hingegen scheitern am Ständemehr.
Die erleichterte Einbürgerung der zweiten Ausländergeneration wird laut Hochrechnung mit 56%, die automatische Einbürgerung der dritten Ausländergeneration mit 51% abgelehnt. Beide Vorlagen haben das Ständemehr nicht erreicht.
Auch die Post-Initiative ist am Ständemehr gescheitert.
Bei allen vier Vorlagen zeichnet sich eine Stimmbeteiligung von rund 54% ab. Die Romandie stimmte anders als die Deutschschweiz. Auffällig ist auch der Unterschied zwischen Stadt und Land.
Umkämpfte Bürgerrechtsvorlagen
Rund 1,5 Millionen Ausländerinnen und Ausländer leben heute in der Schweiz, was ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung entspricht.
Für den Bundesrat ging es mit der ersten Vorlage darum, den so genannten Secondos, deren Eltern eingewandert sind, in der ganzen Schweiz gleiche Chancen und Bedingungen für eine Einbürgerung zu bieten.
Mit der zweiten Vorlage sollte der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts bei Geburt für Kinder der dritten Ausländergeneration geregelt werden. Betroffen gewesen wären Kinder, deren Grosseltern bereits in die Schweiz eingewandert waren.
«Tabuthema Ausländer»
Der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments unterstützten die Vorlagen. Von den Regierungsparteien kämpfte einzig die Schweizerische Volkspartei (SVP) dagegen.
Das Nein zu den beiden Einbürgerungsvorlagen ist für den Präsidenten der SVP, Ueli Maurer, ein Signal gegen das Schönreden von Problemen. Die anderen Parteien könnten das Tabuthema Ausländer nun nicht mehr unter dem Deckel halten.
Vom Nein sei er positiv überrascht, sagte Maurer am Sonntag weiter. Er hätte dieses Resultat nicht erwartet. Es zeige deutlich, dass man sich in der Schweiz nur noch getraue, hinter vorgehaltener Hand über Ausländerprobleme zu reden.
Für FDP-Präsident Rolf Schweiger sind die Einbürgerungs-Vorlagen gescheitert, weil die Politik die Befindlichkeit weiter Kreise in der Bevölkerung zu wenig beachtet habe. Die Ablehnung sei nicht in einem mangelnden Engagement der Befürworter begründet.
Historischer Sieg für Frauen und Familien
Das Ja zum bezahlten Mutterschaftsurlaub wird von allen Bundesratsparteien ausser der SVP als Erfolg gewertet. Die Parteienvertreter hatten allerdings ein deutlicheres Resultat erwartet.
Sehr zufrieden mit dem Abstimmungsausgang zeigte sich die SP, die viele Jahre lang für eine Mutterschaftsversicherung gekämpft hatte. Es ein «historischer Sieg für die Frauen und die Familien», sagte SP-Präsident Hans-Jörg Fehr.
Auch die Familienpartei CVP feiert den Ausgang als Erfolg. Vom bezahlten Mutterschaftsurlaub würden alle profitieren, sagte CVP-Vizepräsident Dominique de Buman. Nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Wirtschaft sei der Ausgang positiv.
Für die FDP ist das Ja zum bezahlten Mutterschaftsurlaub ein «gewaltiger Aufsteller», wie Parteichef Rolf Schweiger sagte. Das gesellschaftspolitisch Wünschbare sei bei dieser Vorlage mit dem wirtschaftspolitisch Sinnvollen zusammengefallen.
Zukunft der Post
Die Volksinitiative «Postdienste für alle» verlangte, dass der Bund per Verfassungsänderung ein flächendeckendes Poststellennetz garantiert. Darüber hinaus hätte der Bund die ungedeckten Kosten tragen sollen, die der Post durch die Grundversorgung entstehen.
Der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlamentes lehnten die Initiative ab, weil wichtige Anliegen des Volksbegehrens bereits auf Gesetzes- und Verordnungsstufe erfüllt seien. Unterstützung erhielt die Initiative einzig von der Sozialdemokratischen Partei (SP).
Die Schweizer Stimmberechtigten entschieden am Wochenende über vier Vorlagen.
1. Ordentliche Einbürgerung sowie erleichterte Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation.
2. Bürgerrechtserwerb von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation.
3. Volksinitiative «Postdienste für alle».
4. Änderung des Erwerbsersatzgesetzes für Dienstleistende und bei Mutterschaft.
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