«Die Mitteparteien konnten ihre Ziele durchsetzen»
Überraschung bei der Verteilung der Zuständigkeiten im Bundesrat: Gleich vier Departemente wurden neu besetzt. Dies zeige die Stärke der Mitteparteien, analysiert der Politologe Michael Hermann.
Nach der grossen Rochade in der Departementsverteilung des Bundesrats müssen sich drei Bundesrätinnen und ein Bundesrat in neue Dossiers einarbeiten. Auf sie warten grosse Herausforderungen.
Der Politologe Michael Hermann ist der Leiter der Forschungstelle Sotomo, einer Schnittstelle zwischen Hochschule, Wirtschaft und der Öffentlichkeit. Sie ist mit dem Geografischen Institut der Uni Zürich verbunden.
swissinfo.ch: Warum wurden bei der Verteilung der Departemente so viele Wechsel vorgenommen?
Michael Hermann: Diese Möglichkeit hat sich eröffnet, seitdem die beiden Bundesräte Hans-Rudolf Merz und Moritz Leuenberger auf den gleichen Zeitpunkt zurückgetreten sind. Und es gab einige Bundesräte, die ihre Departemente wechseln wollten.
Einerseits Doris Leuthard, die das Volkwirtschaftsministerium verlassen wollte und das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) übernehmen wollte und Eveline Widmer-Schlumpf. Sie war im Kanton Graubünden Finanzministerin und die Präsidentin der Kantonalkonferenz der Finanzminister.
Es ist klar zu erkennen, dass die politischen Mitteparteien, die Freisinnigen (FDP), die Christlich-Demokratischen (CVP) und die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) die Mehrheit im Bundesrat innehaben. Sie konnten ihre Ziele durchsetzen.
Die Verlierer sind die Rechten und die Linken. Bei der Linken ist es klar. Die Sozialdemokraten hielten bisher immer ein Schlüsseldepartement: Entweder das Innenministerium, das Finanzministerium, das Verkehrsdepartement oder das Umweltdepartement. Damit konnten sie eine andere Politk als die bürgerlichen Parteien betreiben.
Seltsam, dass die Nicht- Juristin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin des Justizdepartements geworden ist. In der Regel führten dieses Ministerium Anwälte.
swissinfo.ch: Liegt Simonetta Sommaruga die Führung des Polizei- und Justizdepartements?
M.H.: Die Entscheidung gefällt ihr nicht, aber sie wird ihre Arbeit tun. Das ist ein politisches Signal, dass die Mitte die Wechsel diktiert hat. Normalerweise wird nicht so vorgegangen.
Im Normalfall werden die Entscheidungen kollektiv und im Konsens gefällt und es besteht keine Notwendigkeit, eine Abstimmung durchzuführen. Diese Abstimmung war ziemlich einzigartig und sie zeigt, dass nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden waren.
swissinfo.ch: Spielten die Wahlen 2011 eine Rolle in der Umverteilung der Departemente?
M.H.: Ich denke nicht. Es sind nicht die Parteien, welche die Portfolios bestimmen. Es waren die drei Bundesräte, die die Mitte darstellen, zusammen mit Johann Schneider-Ammann, der das Volkswirtschaftsministerium übernehmen wollte.
Ich glaube nicht, dass die Bundesräte viel über die Wahlen im kommenden Jahr nachdachten.
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swissinfo.ch: Wie wird sich diese Neuverteilung auf die Arbeit des Bundesrates auswirken?
M.H.: Ich denke nicht, dass dies die Gruppendynamik beeinflussen wird. Sommaruga wird enttäuscht sein. Aber sie ist sehr professionell wird wohl Allianzen schmieden. Ich denke nicht, dass das Klima auf längere Zeit hinaus vergiftet sein wird.
Wenn man neu ist im Bundesrat, hat man zu akzeptieren, dass man sein Departement nicht auswählen kann. Traditionsgemäss erfolgt die Zuteilung nach dem Anciennitätsprinzip, der oder die Amtsälteste kann bestimmen, welches Departement er oder sie will.
swissinfo.ch: Wird Widmer-Schlumpfs Wechsel ins Finanzdepartment ihre Chancen vergrössern, nächstes Jahr wiedergewählt zu werden?
M.H.: Ich denke, sie hat ihre Chancen vergrössert, nicht wiedergewählt zu werden. Sie hat die Linke verletzt, weil das Finanzministerium frei geblieben wäre, hätte sie nicht gewechselt.
Das Finanzministerium ist viel attraktiver als das Polizei- und Justizdepartement. Manchmal entstehen unheilige Allianzen zwischen Links und Rechts und sie hat provoziert, dass eine derartige Allianz ihr nicht noch einmal vier Jahre zugestehen wird.
Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA):
Micheline Calmy-Rey
Stellvertretung: Didier Burkhalter
Eidgenössisches Departement des Innern (EDI): Didier Burkhalter
Stellvertretung: Simonetta Sommaruga
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD): Simonetta Sommaruga
Stellvertretung: Eveline Widmer-Schlumpf
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS): Ueli Maurer
Stellvertretung: Johann Schneider-Ammann
Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD): Eveline Widmer-Schlumpf
Stellvertretung: Micheline Calmy-Rey
Eidgenössisches Volkswirtschafts Departement (EVD):
Johann Schneider-Ammann
Stellvertretung: Doris Leuthard
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK):
Doris Leuthard
Stellvertretung: Ueli Maurer
Reaktion der Sozialdemokratischen Partei (SP): Für eine gute Zusammenarbeit sei die neue Verteilung die denkbar schlechteste Ausgangslage.
Besondere Kritik übt die SP an Doris Leuthard als Leiterin des Gremiums: Sie habe ihr persönliches Interesse, aber auch parteipolitische Überlegungen über alles andere wie etwa die Fachkompetenz gestellt.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hält fest, ein Jahr vor den Eidgenössischen Wahlen vier Departemente mit neuen Vorstehern oder Vorsteherinnen zu besetzen, sei «eine Zwängerei» und verantwortungslos.
Sie verdächtigt die Mitte-Parteien, «ihre Bundesratssitze über eine Neubesetzung von Departementen abzusichern.»
Hans Grunder, Präsident der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) zeigte sich zufrieden mit der Departementsrochade. Für Themen der Energieversorgung, beispielsweise der Bau neuer AKWs, sei es wichtig, dass das UVEK in bürgerlichen Händen sei.
Die neu gewählte Bundesrätin Simonetta Sommaruga machte deutlich, dass sie nicht ihr Wunschdepartement
erhalten hat.
«Ich respektiere den Entscheid des Kollegiums und werde mich mit all meinen Kräften auch im Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement engagieren.»
Übertragung aus dem Englischen von Eveline Kobler
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