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Die Pianistin und der Unternehmer

Simonetta Sommaruga und Johann Schneider-Ammann gratulieren sich gegenseitig zu ihrer Wahl in den Bundesrat. Keystone

Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga und Wirtschaftskapitän Johann Schneider-Ammann, die neu in die Landesregierung gewählten Parlamentarier, repräsentieren sehr unterschiedliche Wählergruppen. Ein Porträt.

Die frischgewählte 50-jährige sozialdemokratische Bundesrätin Simonetta Sommaruga ist im eidgenössischen Parlament gut vernetzt. Die guten Kontakte der Ständerätin erstreckten sich auch ins bürgerliche Lager.

Diese machen sie nicht zuletzt im eigenen Lager teilweise umstritten. Der linke SP-Flügel hat es Sommaruga bis heute nicht vergeben, dass sie sich 2001 mit dem «Gurten-Manifest» zusammen mit anderen SP-Reformern für mehr Markt und weniger ideologische Einengung einsetzte.

Populär blieb sie trotzdem. So wurde sie ab 1993 national bekannt als Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Dieses Engagement begründete auch die Polit-Karriere von Simonetta Sommaruga.

Sie amtete erst als Exekutivmitglied der Berner Vorortsgemeinde Köniz und wurde 1999 in den Nationalrat gewählt. Vier Jahre später zog sie sogar in den Ständerat ein und sprengte damit das dortige bürgerliche Berner Bollwerk.

Über die Parteigrenzen hinaus

In der Bundespolitik machte sich Sommaruga für parteiübergreifende Lösungen stark, wie die im Juni eingereichte Motion für eine Modernisierung des Erbrechts zeigt. Sie wurde von mehr als der Hälfte aller Ständeratsmitglieder unterschrieben.

Sommaruga vertritt in ihrer Partei den Mittelstand und die Konsumenten, weniger die Gewerkschaftsseite. So wie mit ihrer positiven Haltung für liberalere Ladenöffnungszeiten weicht sie immer wieder von klassischen linken Positionen ab.

Stärken: Finanzpolitik, Energie, Konsumentenfragen

Punkten konnte sie dagegen bei den Linken in der Finanzkrise, als sie den strauchelnden Grossbankern und Finanzhaien dezidiert gegenüber trat. Berühmt wurde im Februar 2009 ihr Auftritt in der TV-Sendung «Club», wo sie Bankiers gekonnt in die Schranken wies.

Als Vizepräsidentin der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie, als Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit und der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) setzt sie sich auch für Energie- und Gesundheitsfragen ein.

Unter anderem ist Sommaruga als Stiftungsrätin beim Berner Bärenpark engagiert, beim Schweizerischen Roten Kreuz und dem Hilfswerk Swissaid. Dazu kommt ein Mandat als Verwaltungsrätin – bei der Concret AG, die sich um Pflegequalität kümmert.

Sie ist verheiratet mit dem 15 Jahre älteren Hans-Rudolf Lehmann, besser bekannt als Schriftsteller Lukas Hartmann, und hat drei Stiefkinder und seit 2005 einen Enkel.

Sie wuchs auf mit zwei Brüdern und einer Schwester im aargauischen Sins. Ihr Vater, ein Tessiner, arbeitete als Werkleiter der Lonza. Simonetta Sommaruga ist ausgebildete Konzertpianistin. 1986 trat sie der SP bei. In Freiburg begann sie 1988 ein Anglistik- und Romanistik-Studium, das sie nach drei Jahren abbrach. Kurz darauf stieg sie bei der Stiftung für Konsumentenschutz ein.

Unternehmer in der Landesregierung

Der Unternehmer Johann Schneider-Ammann geniesst als Werkplatz-Vertreter breite Sympathien. Während er als überzeugter Wirtschaftsliberaler im bürgerlichen Lager punktet, lobt die Linke sein soziales Gewissen.

Das Vermögen der Familie Schneider-Ammann soll sich laut der «Bilanz»-Liste der 300 reichsten Schweizer auf 500 bis 600 Millionen Franken belaufen. Trotzdem wurde seine Kandidatur auch von Gewerkschaftern positiv aufgenommen.

So fand Corrado Pardini, Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Unia, im Vorfeld der Wahl, es sei wichtig, dass jemand aus der Realwirtschaft in den Bundesrat einziehe. Schneider-Ammann wisse als Präsident des Dachverbandes der Schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem, was Sozialpartnerschaft sei, findet Pardini, der mit ihm schon über den Gesamtarbeitsvertrag der MEM-Industrie verhandelte.

Glaube an den heimischen Werkplatz

Für den Schweizer Werkplatz setzte sich der 58-jährige Unternehmer vorab aber in der Ammann Group ein. Während viele Firmen-Chefs in den letzten Jahrzehnten den Niedergang des Industrie-Standortes Schweiz prophezeiten und die Produktion ins Ausland verlagerten, glaubte Schneider-Ammann ans heimische Schaffen.

Der Sohn eines Emmentaler Tierarztes stieg Anfang der 80er-Jahre als ETH-Elektroingenieur ins Geschäft des Schwiegervaters Ulrich Ammann ein. Er hat die Firma internationalisiert und vergrössert. Der Umsatz mit Asphalt- und Betonmischanlagen sowie diversen anderen Baumaschinen wurde mehr als vervierfacht und liegt heute bei über einer Milliarde.

Wirtschaftsliberaler

Schneider-Amman vertrat im Nationalrat seit 1999 in erster Linie wirtschaftsliberale Positionen. So sprach er sich dezidiert gegen jeglichen Ausbau der Sozialwerke aus – auch gegen die Mutterschaftsversicherungs-Kampagne.

In der Europapolitik zeigte er sich als Befürworter des bilateralen Wegs. Er setzte sich für die Personenfreizügigkeit ein und lehnt einen EU-Beitritt ab.

Schon vor der Krise kritisierte Schneider-Ammann überrissene Boni und Löhne und prangerte während der Finanzkrise das Geschäftsgebaren der Banken an.

Die Kritik am Finanzplatz hat ihm in seiner Partei aber nicht nur Sympathien eingetragen. Vereinzelt wird ihm hinter vorgehaltener Hand zum Vorwurf gemacht, dass er es mit dieser Kritik zulasse, dass ein Keil zwischen Werk- und Finanzplatz getrieben werde.

In der Ammann-Group wird nun die sechste Generation der Ammann-Familie die Leitung der Firma übernehmen. Das hat der Patron vor seiner Bundesratskandidatur in die Wege geleitet.

Erstmals in ihrer Geschichte wird die Schweiz von einer Frauenmehrheit regiert. Vier der sieben Bundesratssitze werden nun von Frauen gehalten. Damit verfügt die Schweiz im internationalen Vergleich über einen der höchsten Frauenanteile.

Eine Statistik der Interparlamentarischen Union (IPU) von Anfang 2010 setzt Finnland mit 12 Frauen in der 19-köpfigen Regierung an die Spitze. Dies entspricht einem Frauenanteil von über 63%. In der Schweiz beträgt er nun neu 57,1%.

Frauenmehrheiten kannten Anfang 2010 auch die Kapverden (53%), Spanien (53%) und Norwegen (52,6%). In zwei Dritteln der von der IPU statistisch erfassten rund 100 Länder lag der Frauenanteil unter 25%.

Die Schweiz figuriert in diesen Statistiken im europäischen Vergleich noch nicht lange in vorderen Rängen. Erst seit 1971 haben die Frauen auf eidgenössischer Ebene das Stimmrecht.

13 Jahre später wurde 1984 die freisinnige Zürcher Nationalrätin Elisabeth Kopp zur ersten Bundesrätin gewählt. Sie musste Anfang 1989 im Zuge der «Telefon-Affäre» zurücktreten und wurde durch ihren Parteikollegen Kaspar Villiger ersetzt.

Zwischen 1989 und 1993 war der Bundesrat wieder frauenlos.

1993 verlor die offizielle SP-Kandidatin Christiane Brunner das Rennen um die Nachfolge von Bundesrat René Felber gegen den Neuenburger Francis Matthey. Nachdem dieser unter dem Eindruck landesweiter (Frauen-)Proteste und dem Druck seiner Fraktion verzichtet hatte, wurde am 10. März 1993 Ruth Dreifuss zum 100. Mitglied der Landesregierung gewählt.

Eine zweite Frau stiess erst 1999 dazu, die christlichdemokratische Innerrhoder Regierungsrätin Ruth Metzler.

Im Dezember 2002 trat die Genfer SP-Staatsrätin Micheline Calmy-Rey die Nachfolge von Ruth Dreifuss an.

Ein Jahr später verlor Ruth Metzler ihren Sitz zugunsten von Christoph Blocher.

Im Juni 2006 wurde mit Doris Leuthard (CVP) wieder eine zweite Bundesrätin gewählt.

Im Dezember 2007 erhöhte sich nach der Abwahl Blochers und der Wahl Eveline Widmer-Schlumpfs (BDP) die Zahl der Frauen auf drei.

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