Die Schweiz hat abgestimmt
Am Wochenende haben die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über drei Vorlagen abgestimmt: Über die Anti-Minarett-Initiative, die Waffenausfuhrverbots-Initiative und über eine Umlagerung der Kerosin-Steuern.
Die repräsentativen Umfragen des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR idée suisse sagen ein klares Nein zum Waffenausfuhrverbot, ein deutliches Ja zur Kerosin-Steuer und ein wahrscheinliches Nein zur Anti-Minarett-Initiative voraus.
53% der Befragten wollten Mitte November gegen die Anti-Minarett-Initiative stimmen, 36% dafür. Damit hatten die Minarett-Gegner gegenüber der ersten Umfrage von Mitte Oktober 3 Prozentpunkte zugelegt.
«Im Oktober deutete unsere Umfrage noch auf ein Nein hin. Nun ist der Ausgang der Minarett-Abstimmung ein bisschen offener geworden», sagte gfs.bern-Studienleiter Claude Longchamp zehn Tage vor der Abstimmung. Den Minarett-Gegnern sei es gelungen, eine Debatte über die Integration der Muslime auszulösen», so Longchamp. Bisher habe das Land diese Debatte verdrängt, im Abstimmungskampf habe sie sich zugunsten der Minarett-Gegner ausgewirkt.
Die Anti-Minarett-Initiative besteht aus einem einzigen Satz, der in der Bundeverfassung verankert werden soll: «Der Bau von Minaretten ist verboten.» Die Initianten argumentierten, Minarette seien Symbole des islamischen Machtanspruchs, die Speerspitze der politischen Islamisierung.
Entsprechend heftig fiel der verbale Glaubenskrieg in den Medien und in einer breiten Öffentlichkeit aus über die Stellung der Frauen im Islam, Kopftücher, Verschleierung, Missachtung von Schulvorschriften, fehlende Integration im Alltag und islamischen Fundamentalismus.
Initiative verletzt Verfassung
Die Gegner der Initiative (alle grossen Parteien, ausser der rechtskonservativen SVP, die Landeskirchen, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften) waren im Abstimmungskampf weniger präsent. Sie argumentierten, die Initiative verstosse gegen die Religionsfreiheit, gegen die europäische Menschenrechtskonvention und gegen das Diskriminierungsverbot.
Um gegen Fundamentalismus und schlecht integrierte Muslime vorzugehen, stünden der Schweiz zudem andere Mittel zur Verfügung – wie das Gesetz zur Inneren Sicherheit und die im Ausländergesetz verankerten Integrationsmassnahmen. Eine Annahme der Initiative wäre «gefährlich» für die schweizerische Aussenpolitik, warnte Aussenministerin Calmy-Rey und verwies auf die Exporte der Schweizer Industrie in arabische Länder, die sich im Jahr 2008 auf 8.7 Milliarden Franken beliefen.
Heisses Eisen
Nachgerüstete Pilatus-Trainingsflugzeuge, nachträglich mit Bomben ausgestattet, im Kriegseinsatz. Schweizer Handgranaten im Irak, eingesetzt von der britischen Armee. Piranhas für das Pinochet-Regime. Schweizer Panzer im Irak und in Pakistan: Waffenexporte sind seit Jahrzehnten umstritten.
Bereits 1977 haben die Schweizer Stimmberechtigten eine Volksinitiative, die den Export von Kriegsmaterial verbieten wollte, mit rund 78% Neinstimmen verworfen. Seither haben Bundesrat und Parlament die Exportgesetzgebung verschärft. Für das «Bündnis gegen Kriegsmaterial-Exporte», das aus pazifistischen, linken, grünen und kirchlichen Organisationen besteht, ist die Gesetzgebung zu wenig restriktiv. Deshalb reichte es im Jahr 2007 die Volksinitiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» ein.
Nur ein Exportverbot garantiere, dass «keine unschuldigen Menschen mehr durch Schweizer Waffen getötet» würden, argumentierten die Befürworter im Abstimmungskampf: «Export von Kriegsmaterial tötet Leben und widerspricht den Prämissen der schweizerischen Aussenpolitik. Kriege und Ausgaben für Waffen behindern die soziale Entwicklung. Waffenexporte kommen zudem in Konflikt mit der Neutralität», sagte der Grüne Nationalrat Jo Lang gegenüber swissinfo.ch.
Arbeitsplätze gefährdet
Die Gegner der Initiative wiesen auf die «strenge Gesetzgebung hin, die Ausfuhren in Gebiete verbietet, die in einem Konflikt stehen». Zudem wären bei einer Annahme bis zu 15’000 wichtige und hoch qualifizierte Arbeitsplätze gefährdet. «Wir entwickeln in diesem Land Produkte, die in die Rüstungsindustrie gehen, es sind aber auch so genannte Dual-Use Produkte, welche in die zivile Anwendung gehen. Wir wollen vor allem im zivilen Bereich dieses Know-how behalten und uns nicht zurück versetzen lassen», argumentierte der Freisinnige Nationalrat Johann Schneider-Ammann.
Nur Grüne dagegen
Praktisch kein Thema war in der Öffentlichkeit der Bundebeschluss zur Spezialfinanzierung im Luftverkehr. Demnach sollen die lediglich auf Inland-Flügen erhobenen Kerosin-Steuern künftig vor allem dem Luftverkehr zugutekommen. Bisher flossen die Gelder in die Bundeskasse und in den Strassenverkehr. Vorgesehen sind Verbesserungen der Flugsicherheit und Lärmschutzmassnahmen.
Lediglich die Grünen bekämpften aus ökologischen Gründen die Vorlage, konnten jedoch nicht einmal die eigene Basis überzeugen, wie die gfs.bern-Umfragen zeigten: Demnach wollen lediglich 20% der Grünen-Wähler ein Nein in die Urne legen.
swissinfo.ch
Am 29. November entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über drei nationale Vorlagen.
Am meisten zu reden gibt im In- und im Ausland die Minarett-Initiative. Sie will den Bau von Minaretten verbieten.
Umstritten ist auch die Volksinitiative, die den Export von Kriegsmaterial verbieten will.
Wenig Wellen wirft die Verfassungsänderung zur Umlagerung der Kerosin-Steuern vom Strassen- auf den Flugverkehr.
Ein Ja setzt bei allen drei Vorlagen das doppelte Mehr, also das Mehr von Volk und Kantonen voraus.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch