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Die Schweiz ist in Schengen angekommen

Keystone

Der Schengenbeitritt ändert bezüglich Grenzkontrollen nur wenig. Die Schweiz nähert sich damit aber mehr als je zuvor an die Polizei- und Asylkooperation der Europäischen Union (EU) an.

Zumindest offiziell gibt es nur wenig zu feiern, wenn die Schweiz am 12. Dezember dem Schengenraum beitritt.

In Basel hat Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf die Schengenexperten der EU, des Bundes und der Kantone zu einer kleinen Feier inklusive Rheinschifffahrt eingeladen.

Die Assoziierung sei «ein Gewinn für die Freiheit in der Schweiz und die Sicherheit der Bürger und Bürgerinnen», sagte die Justizministerin. An dem Anlass nahm auch Michael Reiterer, der EU-Botschafter in der Schweiz teil.

Ein Festakt auf Ministerebene ist Ende März geplant, wenn die Schweiz das Schengenregime auch in den Flughäfen einführen wird.

Sehr viel mehr Freude herrschte, als vor einem Jahr acht osteuropäische Staaten und Malta Schengen beitraten: Ausgelassen feierten damals Volk und Politiker mit Konfetti und Feuerwerk die Abschaffung der Grenzschranken.

Dass sie ohne Passkontrolle im Schengenraum reisen dürfen, war für viele Osteuropäer die endgültige Überwindung des eisernen Vorhangs.

Zollkontrollen bleiben

An der Schweizer Grenze hingegen wird sich nach diesem offiziellen Beitrittsdatum nur wenig ändern. «Weil bei uns die Warenkontrollen bestehen bleiben, hat der Schengenbeitritt nicht dieselbe symbolische Bedeutung», sagt Kropf.

Da die Schweiz nicht Mitglied der EU-Zollunion ist, bleibt an der Grenze bezüglich Waren alles gleich: Man wird wegen Schengen zum Beispiel nicht grössere Mengen Rotwein aus Frankreich einführen dürfen – und man muss weiterhin mit Zollkontrollen rechnen.

Aufgehoben werden an der Grenze nur die systematischen Kontrollen der Pässe und Identitätskarten. Ersetzt werden sie durch die so genannte Schleierfahndung, mobile Personenkontrollen im Grenzraum und in internationalen Zügen. Auch hier ist Schengen kein tiefer Einschnitt, da die Schweizer Grenzwächter schon seit längerem vermehrt auf mobile Kontrollen setzen.

Erfolge dank SIS

Am meisten ändert Schengen für die Polizei: Sie kann die Polizeidatenbank Schengener Informationssystem (SIS) nutzen, provisorisch bereits seit Mitte August.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) bezeichnet die ersten Erfahrungen mit SIS als «äusserst positiv». Durchschnittlich 30 Mal pro Tag erzielten Schweizer Polizisten und Grenzwächter in der Datenbank Treffer.

Konkret entdeckten sie in den ersten hundert Tagen des SIS-Anschlusses mit insgesamt 900 Treffern am häufigsten SIS-Einträge über Ausländer, die nicht in den Schengenraum einreisen dürfen.

600 Treffer bezogen sich auf Gegenstände wie zum Beispiel gestohlene Autos oder gefälschte Banknoten. Nur gerade 25 Treffer betrafen Personen, die zur Festnahme ausgeschrieben sind.

Faktisch ist SIS sehr viel stärker ein Instrument zur Einwanderungskontrolle als eines zur Verbrecherjagd.

Arbeit für Datenschutz

SIS wird in den kommenden Jahren durch die deutlich leistungsfähigere neue Datenbank SIS II ersetzt, in der zum Beispiel auch digitale Fingerabdrücke gespeichert werden.

Bereits mit Fingerabdrücken funktioniert Eurodac, die Datenbank der Asylbewerber und illegal eingereisten Personen. Die Schweiz wird am 15. Dezember an Eurodac angeschlossen. Weiter baut die EU gegenwärtig eine Datenbank der Visa-Bewerber auf.

Selbstverständlich bedeuten die polizeilichen Datenbanken, die den harten Kern von Schengen ausmachen, viel zusätzliche Arbeit für die Datenschützer des Bundes und der Kantone. Sie müssen darüber wachen, dass die Rechte der registrierten Personen gewahrt bleiben.

Darauf sind sie erst teilweise vorbereitet: Die Experten der Schengen-Staaten hatten diesen Frühling den Datenschutz in der Schweiz zwar als ausreichend beurteilt, sie mahnten aber auch mehr Mittel und Unabhängigkeit an.

Dublin im Schatten von Schengen

Ein wenig im Schatten von Schengen steht, dass die Schweiz ab 12. Dezember auch Mitglied des Asylsystems von Dublin ist. Dieses regelt, dass ein Flüchtling in den meisten Fällen nur in jenem Mitgliedstaat von Dublin ein Asylgesuch stellen darf, in den er zuerst eingereist ist. Ein solches System bevorzugt Binnenländer wie die Schweiz, die von Dublinstaaten umgeben sind.

Europapolitisch bedeutet Schengen und Dublin, dass die Schweiz bei einem kleinen, aber sehr dynamischen Teil der EU-Politik mitmacht: Sie muss neue Regeln übernehmen, welche die EU in diesem Bereich beschliesst. Dafür darf sie nun schon seit vier Jahren mitreden, wenn die EU-Staaten neues Schengen- und Dublinrecht erarbeiten.

Die Bilanz des Bundesamtes für Justiz ist positiv: «Dieses Mitspracherecht ist bedeutend, denn die Beschlussfassung erfolgt in aller Regel im Konsens.»

swissinfo, Simon Thönen, Brüssel

Diese Datenschutzrechte gelten für die Schengener Polizeidatenbank SIS:

Auskunft: Wer vermutet, dass er im SIS registriert ist, kann Auskunft und Einsicht verlangen.

Berichtigung: Sind unrichtige oder unzulässige Daten gespeichert, kann man die Korrektur oder Löschung fordern.

Rekurs: Wird die Auskunft oder Berichtigung verweigert, kann man Rekurs einlegen oder beim Datenschutzbeauftragten eine Überprüfung verlangen.

Schadenersatz: Kann bei einer widerrechtlichen Datenbearbeitung gefordert werden.

Als Mitglied des Schengen-Clubs muss die Schweiz neue EU-Regeln für den Schengen- und Dublinraum übernehmen. Eine Ausnahme hat Bern nur für Vorlagen ausgehandelt, die das Bankgeheimnis beeinträchtigen.

Seit der Unterzeichnung des Schengenvertrags 2004 hat die EU der Schweiz formell 71 neue Rechtsakte mitgeteilt.

Ein Referendum wurde bisher erst gegen eine Anpassung ergriffen, nämlich gegen die Einführung von Reisepässen mit Fingerabdrücken. Das Volk wird am 17. Mai 2009 darüber abstimmen.

Politisch umstritten dürfte eine weitere Änderung sein: Die Schweiz wird die maximale Dauer der Ausschaffungshaft von heute 24 auf 18 Monate verkürzen müssen.

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