Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die Schweiz – Sympathieträgerin im Kosovo

"Es ist nicht möglich, in einem solchen Einsatz hierarchisch führen zu wollen." Swisscoy

Die Schweizer Soldaten mit ihrer hohen demokratischen Kultur würden ihr Land bestens vertreten, lobt der abtretende swisscoy-Kommandant.

Im swissinfo-Interview zieht der Tessiner Stefano Brunetti Bilanz über sechs Monate Einsatz in der Provinz Kosovo.

swissinfo: Stefano Brunetti – in wenigen Tagen kehren Sie und mit Ihnen das 12. Swisscoy-Kontingent wieder in die Schweiz zurück. Ihre Bilanz?

S.B.: Die Bilanz, die ich ziehen kann, ist sehr positiv. Positiv, weil es uns gelungen ist, während der ganzen Einsatzdauer eine Super-Stimmung beizubehalten und mit Kontingenten anderer Nationen eine hervorragende Zusammenarbeit zu leisten.

Wir haben die Schweiz sehr gut vertreten und viele Projekte und Leistungen erbracht. Zudem haben wir während des Einsatzes keine bemerkenswerten Unfälle oder kritischen Situationen erleben müssen, darüber bin ich sehr froh.

swissinfo: Seit 1999 haben die Schweizer vor allem logistische Aufgaben wahrgenommen. Nun werden die provisorischen Brücken demontiert und die Wasseraufbereitung ist weitgehend Routine. Hat die Swisscoy noch genügend zu tun?

S.B.: Die Sicherheitslage ist noch nicht stabil. Hier leisten wir einen wesentlichen Beitrag für die Stabilisierung dieser Region. Dies garantieren wir vor allem mit unseren zwei Halb-Zügen der mechanisierten Infanterie, die ständig Aufgaben wie Patrouillen und Check Points erledigen, sowie mit der Militärischen Polizeigruppe.

Man darf zudem nicht vergessen, dass wir Offiziere im Stab der multinationalen Brigade Süd-West und im Stab der Task Force Dulje im Einsatz haben. Diese Offiziere übernehmen wichtige Führungs-Verantwortung und leisten sehr gute Arbeit.

Als weiteres sind die Bergungs- und Transportfähigkeiten der Swisscoy zu erwähnen. Diese Leistungen gehen zu Gunsten der ganzen Brigade.

Bei der Wasser-Aufbereitung geht es um eine eminent wichtige Verantwortung, welche die Swisscoy für alle im Camp Casablanca lebenden Soldaten übernommen hat, nicht nur für die Schweizer.

Man kann demzufolge nicht von Routine sprechen. Aus einem kleinen Fehler können gravierende Folgen für die ganze Task Force entstehen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir die Arbeit während des ganzen Einsatzes nie suchen mussten.

swissinfo: Demonstrationen und damit drohende Auseinandersetzungen zwischen der albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit sind seit den blutigen Unruhen im März 2004 ein wichtiges Thema. Wie hat die Swisscoy darauf reagiert?

S.B.: Wie alle anderen Nationen haben wir unsere Bewaffnung und Ausrüstung gezielt angepasst. Dank der neuen Ausrüstung und der Bewaffnung sind wir in der Lage, Demonstrationen verhältnismässig, aber immer defensiv entgegenzutreten.

Diese Fähigkeit wurde auch während unserem Einsatz ständig mit anderen ähnlichen ausländischen Verbänden trainiert und überprüft. Wir haben rasch einen hohen Grad an Professionalität erreicht.

swissinfo: Die Gesprächsaufklärung ist ein wichtiger Teil der Arbeit. Was passiert mit diesen Rückmeldungen aus der Bevölkerung?

S.B.: Diese werden analysiert, um damit ein besseres Bild der Lage und Stimmung in der Bevölkerung zu erhalten und ihre Sorgen und Erwartungen zu eruieren.

Dies gibt uns somit die Möglichkeit, Reaktionen und Aktionen besser und zielgerichtet zu planen.

swissinfo: Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Milizsoldaten aus der Schweiz und den Soldaten der grossen Berufsarmeen?

S.B.: Gerade weil wir hauptsächlich Milizsoldaten im Kontingent haben und über ein hohes ziviles Fachwissen verfügen, sind wir bei anderen Armeen sehr geschätzt.

Die Schweizer Milizsoldaten sind in der Regel sehr sprachbegabt, sehr motiviert, pflichtbewusst, flexibel und verfügen über hohe demokratische Wertvorstellungen. Diese Eigenschaften erlauben sofortige Kontakte und sind Sympathieträger.

swissinfo: Im Camp fällt der freundschaftliche Umgang auf. Es gibt verschiedene Sport- und Freizeit-Einrichtungen. Wie nützlich ist das für die Motivation der Leute?

S.B.: Nur motivierte, überzeugte und zufriedene Soldaten bringen optimale Leistungen im Einsatz. In unserem Kontingent haben wir seit dem ersten Tag eine besondere Führungskultur eingeführt, Die Kultur der Familie Swisscoy 12.

Unter dem Motto “einsatzbezogen, einfach und erfolgreich”, haben wir die Kameradschaft, den Respekt, den Einsatzwillen und das Zusammenleben gepflegt und gefördert. Es ist gar nicht möglich und wäre auch kontraproduktiv, in einem solch langen Einsatz hierarchisch führen zu wollen.

swissinfo: Nun kehren Sie wieder in die Schweiz zurück. Mit welchen persönlichen Erfahrungen?

S.B.: Ich werde in meiner neuen Funktion als Stellvertreter des Kommandanten des Ausbildungszentrums Swissint sehr viel aus diesem Einsatz mitbringen. Erstens einmal die grosse menschliche Erfahrung als Kommandant eines Kontingentes, das in einem komplexen multinationalen Umfeld tätig war. Ein solcher Einsatz kann gar nicht verglichen werden mit einem ähnlichen Einsatz in der Schweiz.

Zweitens konnte ich meine Kenntnisse im Bereich der Führungsprozesse und Abläufe im Internationalen Bereich erweitern. Ich hatte die Gelegenheit entscheidende Kontakte mit Kameraden aus vielen Nationen zu knüpfen. Diese werden in meiner zukünftigen beruflichen Tätigkeit prägend sein.

Die sechs Monate im Kosovo sind für mich mitunter eine der wichtigsten Erfahrungen in meiner beruflichen Laufbahn. Ich bin sehr froh, diese gemacht zu haben.

swissinfo-Interview: Andreas Keiser, Suva Reka

Gesamthaft zählen die multinationalen Truppen der Kfor (Kosovo Force) 20’000 Soldatinnen und Soldaten.

Die Provinz Kosovo ist seit 1999 ein UNO-Protektorat.

Das 200-köpfige 12. Swisscoy-Kontingent kehrt am 6. Oktober in die Schweiz zurück und wird vom 13. Kontingent abgelöst.

Stefano Brunetti ist Oberstleutnant im Generalstab. Er ist bis am 6. Oktober Kontingents-Kommandant der Schweizer Armeeangehörigen im Kosovo und in Mazedonien.

In Zukunft wird der 47-jährige Kommandant Stellvertreter des Ausbildungszentrums Swissint in Stans.

Der Tessiner hat 1990 die Ausbildung zum Berufsoffizier an der Militärakademie der ETH Zürich abgeschlossen.

Brunetti war von 1995 bis 1999 stellvertretender Schulkommandant in Airolo.

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft