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«Die Schweiz verschwindet vom Radar»

Für die Erfassung der Daten des neuen biometrischen Passes muss weiterhin ein Konsulat im Ausland oder ein Passbüro in der Schweiz besucht werden. Ex-press

Während das Schweizer Aussenministerium durch die Zusammenlegung von Konsulaten effizienter werden will, befürchtet die Auslandschweizer-Organisation, dass die Schweiz durch diesen Umbau immer mehr von ihrer Präsenz im Ausland einbüsst.

Die Zusammenlegung von 20 Konsulaten durch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) kommt bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern nicht gut an.

Nun verteidigt der Chef der neuen Konsularischen Direktion (KD) im Aussendepartement, Botschafter Gerhard Brügger, den Schritt seines Departements.

«Der Zeitpunkt für die Zusammenlegung von Konsulaten ist die Folge einer regelmässigen und gründlichen Analyse, welcher das EDA das schweizerische Aussennetz unterzieht», schreibt er im Interview mit swissinfo.ch, das auf seinen Wunsch schriftlich geführt wurde.

«Dabei hat sich beispielsweise gezeigt, dass an einzelnen Standorten die Nachfrage nach konsularischen Dienstleistungen äusserst gering ist, womit sich dort die Aufrechterhaltung einer eigenen Konsularabteilung nicht mehr rechtfertigen liess», so Brügger weiter.

«Grundsätzlich verstehen wir sehr gut, dass das EDA haushälterisch mit den Ressourcen umgehen und rationalisieren muss – und auch soll», sagt Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO), gegenüber swissinfo.ch.

Allerdings sei man in seinen Auslandschweizer-Kreisen «durchwegs» der Meinung, das EDA gehe mit der Zusammenlegung von Konsulaten in die falsche Richtung: «Konsularisch meldet sich die Schweiz in immer mehr Ländern ab. Und das wird in der Auslandschweizer Gemeinschaft und im Auslandschweizerrat überhaupt nicht goutiert.»

«Stossrichtung stimmt»

Dem widerspricht Brügger in seiner Stellungnahme und verweist auf die Erfahrungen mit jenen Schweizer Konsularzentren, die ihre Arbeit schon aufgenommen haben: «Die bereits etablierten Konsularzentren (Hispanola, Balkan, Südliches Afrika, Südosteuropa, Benelux und Nordische Staaten) zeigen uns, dass die Stossrichtung grundsätzlich stimmt.»

Das könne höchstens als betriebswirtschaftlicher Grund angeführt werden, sagt Wyder. Aber: «Das ist nicht die Wahrnehmung der Schweizer Gemeinschaften vor Ort, die feststellen, dass Leistungen verschwinden oder nur noch in grosser Distanz abrufbar sind. Oder dass die Schweiz, wenn ein Generalkonsulat wie in Hamburg oder Bordeaux geschlossen wird, vom Radar verschwindet.»

«Im Stich gelassen»

Immer mehr Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer haben laut Wyder das Gefühl, die Schweiz interessiere sich nicht mehr für sie und lasse die «Botschafter der Schweiz», wie das EDA die Auslandschweizer immer wieder gerne bezeichnet, im Stich.

«Der Kontakt zu den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern wird nicht abgebrochen. Die Botschafterin oder der Botschafter vor Ort werden sicherstellen, dass die Verbindung zur Schweiz weiterhin gepflegt wird», schreibt Brügger zu den Ängsten der Auslandschweizer Gemeinde.

Dieses Argument allerdings ist Wyder zu «künstlich». «Diplomatische Aufgaben sind politischer Natur. Bei konsularischen Aufgaben geht es unter anderem um den Kontakt zur Schweizer Gemeinschaft.» Das sei eine andere Ebene, Konsuln hätten andere und spezielle Aufgaben. «Diplomaten werden die konsularischen Vertreter vor Ort nie ersetzen können.»

In den letzten 20 Jahren sei die Hälfte der Schweizer Berufskonsulate geschlossen worden, gibt Wyder zu bedenken. «In der gleichen Zeit hat der Bestand der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer um 50% zugenommen. Das sind gegenläufige Bewegungen.»

Die ASO wolle darum einen «intensiven und konstruktiven» Dialog mit dem EDA suchen und sich bei der Politik dafür einsetzen, dass die Ressourcen des Departements wieder aufgestockt würden, «um im Ausland und gegenüber den wachsenden Schweizer Gemeinschaften präsent zu sein».

Weniger Alleingang?

Eines der Argumente, mit denen das EDA die neuen Konsularzentren begründet, ist die veränderte Kommunikation, die es möglich macht, viele Dienstleistungen über E-Mail oder im Internet anzubieten. «Wir organisieren die Geschäftstätigkeit so, dass man auf den Weg ins Konsularcenter in aller Regel ganz verzichten kann, weil die Dienstleistungen an verschiedensten Standorten angeboten werden oder per Internet oder Post erledigt werden können», schreibt Brügger.

Das sei wertvoll und ein Trend der Zeit, ist auch Wyder überzeugt. Allerdings sei die Schweiz in Sachen E-Government «im Hintertreffen»: «Was im Moment abläuft, ist eigentlich, dass der Pflug vor das Pferd gespannt wird, dass nämlich zuerst Vertretungen geschlossen werden, und nachher bietet man nach und nach Leistungen auf Distanz an.»

Laut der ASO sollte es eher umgekehrt sein: «E-Government müsste sehr dezidiert ausgebaut werden. Und dann kann man die Präsenz vor Ort auch nach und nach etwas reduzieren», so Wyder.

Zudem sollte die Zusammenarbeit mit andern Schengen-Staaten geprüft werden, wie sie gegenwärtig im Bereich der Schengen-Visa bereits üblich ist. «Es gibt keinen Grund, weshalb wir nicht mit anderen Staaten zusammenarbeiten sollten, beispielsweise in der Erhebung biometrischer Daten für Pässe», ist Wyder überzeugt.

Mysterium Mobile Konsulate

Zwar können viele Dienstleistungen elektronisch angeboten werden. Die Erfassung von Daten für einen biometrischen Pass aber wird immer noch persönlich erfolgen müssen.

Gerhard Brügger kündigt an, dass auch die Schweiz «im nächsten Jahr» zum Abfedern der Konsulats-Zusammenlegungen «mobile Erfassungsstationen» aufbauen wolle, wie sie bereits einige Länder im Einsatz haben: «Ein mobiles Konsulat kann alle Dienstleistungen erbringen. Der Einsatz richtet sich nach dem Bedarf und den Möglichkeiten vor Ort», schreibt er.

Für Rudolf Wyder mag ein mobiles Konsulat situativ Lücken stopfen, aber das sei im Moment sowieso noch Zukunftsmusik, zumal man nicht wisse, wo und wie die ersten Einheiten zum Einsatz kommen sollen. Zudem: Ein mobiles Team «ersetzt natürlich die Gegenwart eines Konsulates in einem bestimmten Land nicht».

1. April: Kosovo und Albanien in Pristina, Kosovo; Südafrika, Malawi, Sambia und Simbabwe in Pretoria, Südafrika

Mitte April: Rumänien und Bulgarien in Bukarest, Rumänien

Anfang Mai: Dominikanische Republik und Haiti in Santo Domingo, Dominikanische Republik

16. Mai: Belgien, Luxemburg und Niederlande in Den Haag, Niederlande

30. Mai: Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen in Stockholm, Schweden; Lettland, Estland und Litauen in Riga, Lettland

Ab 4. Oktober: Österreich, Kroatien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn in Wien, Österreich

Das EDA empfiehlt Auslandschweizern in den betroffenen Ländern, Aufenthalte in der Schweiz oder in anderen Ländern zu nutzen, um ihre Ausweispapiere bei einer der Schweizer Auslandvertretungen oder in einem Passbüro zu erneuern.

Kostenlose Helpline EDA für konsularische Fragen: (0800) 24 7 365

Das Manifest fasst die zentralen politischen Anliegen der Auslandschweizer zusammen:

Schaffung eines Auslandschweizer-Gesetzes.

Erleichterung der Wahrnehmung der politischen Rechte (e-Voting, Teilnahme an den Ständeratswahlen).

Förderung der internationalen Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer (Personenfreizügigkeits-Abkommen, Abbau von Hürden).

Adäquate konsularische Betreuung (ausreichendes Konsularnetz, Ausbau e-Governement).

Ausbau der Kommunikation mit der 5. Schweiz (Schweizer Revue, swissinfo.ch, SwissCommunity).

Aufwertung des Auslandschweizerrats als Repräsentationsorgan.

Stärkung/Ausbau der internationalen Präsenz und Mitwirkung der Schweiz.

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