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Die Schweizer Ambitionen für den Europarat

Keystone

Die Mitgliedstaaten des Europarates haben in Madrid die Durchführung einer hochrangigen Konferenz zur Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beschlossen. Die Konferenz wird Anfang 2010 in der Schweiz stattfinden.

«Wir haben in Madrid ganz klar die politische Unterstützung erhalten», freut sich Paul Seger vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten.

Die Schweiz übernimmt im November 2009 für ein halbes Jahr die Präsidentschaft des Europarats. Die Reform-Konferenz fällt also in die Zeit des Schweizer Vorsitzes. Sie wird voraussichtlich im Februar 2010 in Interlaken stattfinden.

Zu den Zielen der Konferenz soll laut der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey die kurzfristige Verbesserung der Effizienz des Gerichtshofes gehören. Gleichzeitig solle ein Prozess zu einer mittelfristigen Reform des Systems lanciert werden. Der Gerichtshof kämpft wegen der hohen Zahl an Beschwerden, die bei ihm eingereicht werden, mit Schwierigkeiten.

An der Konferenz sollen die Mitgliedstaaten ihr Engagement zur Einhaltung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und zu deren möglichst effizienter Umsetzung feierlich bekräftigen, sagte Calmy Rey vor ihren Amtskollegen in Madrid.

«Es geht darum, breite politische Unterstützung zu erhalten, damit wir die zentrale Rolle des Gerichtshofes bekräftig können», unterstreicht Seger.

Opfer des Erfolgs

«Heute ist der Gerichtshof in gewisser Weise Opfer seines Erfolgs. Die Zahl der hängigen Fälle muss unbedingt reduziert werden. Heute sind fast 100’000 Fälle hängig», sagt Seger im weiteren.

Auf einen ersten Schritt konnte sich der Gipfel in Madrid bereits einigen: «Wir haben mit der provisorischen Anwendung des Protokolls 14 einen beachtlichen Fortschritt erzielt», so Seger.

Dieses Protokoll erlaube es, gewisse Verfahren zu standardisieren und zu vereinfachen. Fälle, die ähnlich seien wie bereits behandelte, können von lediglich drei statt wie bisher von sieben Richtern behandelt werden.

Russische Opposition

Bisher war diese Neuerung von Russland blockiert worden und konnte deshalb nicht in Kraft treten. «Russland hat das Protokoll noch immer nicht ratifiziert. Wir haben dieses Problem umgangen, indem wir das Protokoll provisorisch in Kraft setzten. So kann es von jenen Staaten angewendet werden, die es anwenden wollen. Die Schweiz ist eines der ersten Länder, die sich dafür engagiert hatten», präzisiert Seger.

Die Schweiz werde nun die Konferenz in Interlaken vorbereiten: «An der Konferenz werden wir uns sicher für eine Neuorientierung des Europarates einsetzen.»

Die Schweiz verspreche sich viel von der Idee einer Neuorientierung. «Um gut funktionieren zu können, sollte sich der Europarat nicht um alles kümmern, sondern sich auf die Menschenrechte, die Demokratie und den Föderalismus konzentrieren. Das sind die drei spezifischen Domänen des Rates, die ihn auch von andern Organismen wie der OECD oder der EU unterscheiden», sagt Seger.

Grosse Matchfülle

Adrien-Claude-Zoller, Direktor der Genfer Nichtregierungsorganisation «Genève pour les droits de l’homme» unterstreicht die Wichtigkeit solcher Reformen: «Der Gerichtshof ist eine der ältesten europäischen Organisationen. Er ist unabhängig und die Staaten müssen sich an seine Entscheide halten. Die entsprechenden Gerichtshöfe in den USA oder in Afrika haben noch nicht dieselbe Machtfülle.»

Frédéric Burnand, Genf, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen. Andreas Keiser)

Am Ministertreffen des Europarats in Madrid wird das 60-jährige Bestehen der Organisation begangen.

Gleichzeitig übergibt Spanien den sechsmonatigen Vorsitz des Ministerrats an Slowenien.

Während seines Vorsitzes wird Slowenien diverse Konferenzen und Seminare in Ljubljana und andernorts organisieren.

Der slowenische Vorsitz will sich insbesondere um die Fortsetzung des Reformprozesses des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bemühen und sich für die Förderung der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene einsetzen.

Weitere wesentliche Programmpunkte bilden Kinder und die Aufklärung über die Rechte von Kindern, Roma, Bioethik und Biomedizin sowie die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in Südosteuropa, im Kaukasus und in Weissrussland.

Die Schweiz wird die Präsidentschaft im Anschluss daran vom November 2009 bis im Mai 2010 übernehmen.

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