Die SVP-Asylinitiative hat viele Befürworter
Eine erste repräsentative Umfrage ergab: 57% der Schweizer würden heute für die SVP-Asylinitiative stimmen.
Doch die Würfel sind noch nicht gefallen. Die meisten eidgenössischen Initiativen werden in der Volksabstimmung abgelehnt.
Am 24. November 2002 werden sich die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für oder gegen eine restriktivere Asylpolitik entscheiden. Das GfS-Forschungsinstitut befragte im Auftrag der SRG SSR idée suisse Anfang Oktober knapp 1300 Personen zur Asylinitiative der SVP.
Befürworter in der Mehrheit
Würde die Abstimmung bereits heute stattfinden, wären 57% der Stimmbürger für die Intitiative, 23% dagegen und knapp 20% ohne Meinung.
Damit ist die Initiative potentiell mehrheitsfähig. Sicher ist jedoch, dass der Nein-Anteil zu Lasten der Unschlüssigen steigt. Die Befürworter der Asylinitiative stehen mehrheitlich politisch in der Mitte und rechts, die Gegner links oder sind parteiungebunden.
Für die Mehrheitsbildung wird entscheidend sein, in welchem Mass die Zustimmungs-Bereitschaft im ganzen bürgerlichen Lager bis zum Abstimmungstag hält. Erfahrungsgemäss gibt es die meisten Veränderungen in der politischen Mitte.
Bildung und Alter ausschlaggebend
Die Positionen gegenüber der Asylinitiative unterscheiden sich deutlich im Bezug auf das Bildungsniveau der Befragten. Befürworter der Asylinitiative tendieren gegen eine Ausbildung auf tieferem Niveau als die Gegner der Initiative.
Ebenso klar unterscheidet sich die Ausrichtung der Stimmabsichten nach dem Alter: Zu den Befürwortern gehören die Rentnergeneration, zu den Gegnern die jüngeren Bürger.
Nicht ausschlaggebend bei der repräsentativen Umfrage waren hingegen das Geschlecht und der Wohnort.
Kritik an heutiger Asylpolitik
Die am breitesten geteilte Kritik am Asylwesen betrifft die Kosten. 76% der Stimmbürger empfinden diese als zu hoch. Ausserdem sind 74% der Befragten der Meinung, die Behörden hätten die Einreise Asylsuchender nicht im Griff. Auch die Ausschaffung abgelehnter Asylsuchender wird laut 66% der Befragten zuwenig konsequent betrieben.
Wasser auf die Mühlen der Initianten sind die kürzlich erfolgte illegale Einreise asylsuchender Roma und die Diskussionen über kriminelle afrikanische Asylbewerber.
«Die SVP-Intiative verspricht einfache Lösungen, bietet jedoch etwa im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung keine konkreten Vorschläge», betont Jürg Schertenleib, Pressesprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), gegenüber swissinfo.
Argumente der Initiativ-Gegner
44% der Befragten kritisieren vor allem den Widerspruch zur humanitären Tradition der Schweiz. Die aktuelle Umfrage gibt dem Pressesprecher der SFH zu denken: «Bei einer Annahme der Initiative wäre die Schweiz wohl das einzige Land der Welt, dessen Verfassung ein Aufnahmeverbot für Verfolgte enthält.»
Ein Drittel der Stimmbürger bezweifelt – wie der Bundesrat – die realistische Umsetzbarkeit der Initiative. Gemäss Jürg Schertenleib ist denn die Asylinitiative tatsächlich nicht umsetzbar, da 98% der Flüchtlinge über die grüne Grenze ins Land kämen und somit die Einreise über einen sicheren Drittstaat nicht nachweisbar sei.
Knapp 40% der Befragten meinen ausserdem, einige Forderungen der SVP seien bereits in der Asylgesetzrevision berücksichtigt.
Volksinitiativen werden meistens abgelehnt
Die Geschichte zeigt: 9 von 10 Volksinitiativen auf eidgenössischer Ebene werden in der Volksabstimmung abgelehnt. Eine weitere Faustregel besagt, dass Initiativen anfänglich mehr Unterstützung erfahren als am Abstimmungstag.
Denn einerseits sind die Befürworter am Anfang einer Kampagne viel stärker mobilisiert, andererseits baut sich die Gegnerschaft erst im Lauf einer Abstimmungskampagne auf. Beide Effekte können zusammen einen Meinungswandel von 10 – 30% der Stimmbürger herbeiführen.
Erste Bilanz
Asylfragen werden heute europaweit kritisch betrachtet. Als Beispiel sei die Verschärfung der Einreisemöglichkeiten in die EU genannt. Diese erste GfS-Befragung deutet auf eine ähnliche Situation in der Schweiz hin. Das Bild der aktuellen Asylpolitik ist mehrheitlich negativ gefärbt.
Obwohl die Initiative zum heutigen Zeitpunkt als potentiell mehrheitsfähig eingestuft werden kann, spricht die Erfahrung vergangener Abstimmungen für einen bevorstehenden Meinungswandel. Am 24. November 2002 werden wir es definitiv wissen.
swissinfo
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