Doris Leuthard auf dem Weg in den Bundesrat
CVP-Präsidentin Doris Leuthard will in die Landesregierung. Die 43-jährige Aargauerin kandidiert für die Nachfolge von Bundesrat Joseph Deiss.
Leuthards Wahlchancen sind sehr hoch. Ihre Kandidatur stösst bei den grossen Parteien im Land kaum auf Widerstand.
«Ich bin überzeugt, dass ich das kann», sagte Leuthard bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur vor den Medien. Nach einer turbulenten Woche habe sie sich am vergangenen Wochenende nach Rücksprache mit ihrem Mann entschieden, für den freien Sitz in der Landesregierung zu kandidieren.
«Ich bin motiviert, mich in den Dienst des Landes zu stellen», sagte Leuthard. Sie sei überzeugt, dass es die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und ihre Werte im Bundesrat brauche.
Der Vorstand der CVP-Fraktion, welcher die Ersatzwahl vorbereitet, nahm die Entscheidung Leuthards mit Freude zur Kenntnis. Fraktionschef Urs Schwaller sagte, es sei wichtig, dass die CVP mit einer starken Persönlichkeit in der Regierung vertreten sei.
Gleichzeitig gab der Vorstand bekannt, dass er mit einer Einerkandidatur in die Wahlen gehen möchte. Die ganze Fraktion der Christlichdemokraten solle geschlossen hinter einer Person stehen.
Homestory tauglich
Ein wesentlicher Faktor für Leuthards Erfolg ist ihr gewinnendes Auftreten. Die CVP-Präsidentin strahlt in der Schweizer Politlandschaft einen gewissen Glamour aus und scheut auch Homestorys in der Boulevardpresse nicht.
Der Sinn für aussergewöhnliche Aktionen zeigte sich bereits, als Leuthard 1999 gleichzeitig für den National- und den Ständerat kandidierte. Für den Ständeratswahlkampf liess Parteisekretär Reto Nause 20’000 Beutel mit der Aufschrift «Duschbad: erfrischender Aargau» und mit Leuthards Farbbild verteilen.
Die damalige Aargauer Zeitung inspirierte dies zwar zur Schlagzeile «Duschen mit Doris». Den Ständerats-Wahlkampf aber gewann der damalige FDP-Baudirektor Thomas Pfisterer. Leuthard zog ihrerseits in den Nationalrat ein.
Keine Angst vor Kehrtwendungen
Leuthard weiss sich jedoch nach Ansicht politischer Beobachter nicht nur in Szene zu setzen, sondern besitzt auch ein Gespür für politische Entwicklungen, wie etwa das so genannte Muslimpapier zeigt. Auch Kehrtwendungen sind für die Aargauerin nicht tabu: Obwohl marktwirtschaftlich orientiert, plädierte Leuthard im vergangenen Dezember dafür, der Bund solle die Aktienmehrheit an der Swisscom behalten.
Zumeist aber politisiert Leuthard stramm bürgerlich. So stimmte sie in der Wintersession 2005 sowohl für das verschärfte Asylgesetz wie auch für das neue Ausländergesetz. Die linke Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV» lehnte sie dagegen ab.
Wirtschaftsfreundlich zeigte sich Leuthard etwa, als es in der Frühjahrssession darum ging, ob Kader, die einen Teil ihres Lohns als Aktien oder Optionen erhalten, steuerlich privilegiert werden sollen. Mit den übrigen Bürgerlichen stimmte sie dem Gesetz zu.
Dazu passt, dass Leuthard unter anderem Verwaltungsrätin der Neuen Aargauer Bank und der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg AG (EGL) ist. Die EGL ist eine Tochter der Axpo, die sich im Mai 2005 für den Bau eines neuen Schweizer Atomkratfwerks stark gemacht hatte.
Breite Zustimmung
Doris Leuthards Wahl in den Bundesrat dürfte nur noch eine Formsache sein: Bei den grossen Parteien stösst ihre Kandidatur nicht auf Widerstand, löst aber auch keine überschäumende Freude aus.
«Die SP wird Doris Leuthard ohne Begeisterung wählen», sagte die sozialdemokratische Fraktionschefin Hildegard Fässler. Sie sieht die «unspektakuläre Wahl einer politisch unspektakulären Frau» kommen.
«Spielchen treiben» werde die SP aber nicht, sagte Fässler. Allerdings werde man Leuthard zu einem Hearing einladen. Die Positionen der CVP-Präsidentin seien nicht in allen Belangen klar, da sie nicht immer deutlich Stellung beziehe.
Neue Frauengeneration
Auch Caspar Baader, Fraktionschef der Schweizerischen Volkspartei (SVP), teilt die Meinung Fässlers. Es sei schwierig zu beurteilen, ob Leuthard die Anliegen der SVP teile. Seine Partei werde die CVP-Chefin deshalb zu einem Hearing einladen. Opposition gegen Leuthard ist aber auch von der SVP nicht zu erwarten.
Der freisinnige Vize-Fraktionschef Didier Burkhalter sprach von einer erwarteten, guten Lösung. Eine Zweierkandidatur wäre seiner Ansicht nach nur eine Alibiübung gewesen. Mit der Politik Leuthards könne sich die FDP identifizieren.
Ruth Genner, Präsidentin der Grünen, begrüsst, dass die CVP eine Frau portieren will. Leuthard stamme zudem aus der neuen Generation und werde im Bundesrat sicherlich einen anderen Führungstil einbringen.
swissinfo und Agenturen
Doris Leuthard wurde 1963 in Merenschwand, einer traditionellen CVP-Hochburg, geboren.
Sie arbeitet als selbständige Rechtsanwältin in der Nachbargemeinde Muri (Aargau).
1997 wurde sie in das Aargauer Kantonsparlament gewählt und 1999 in den Nationalrat (Grosse Kammer des Schweizer Parlaments).
Im Mai 2001 wurde sie Vizepräsidentin und im September 2004 Präsidentin der CVP Schweiz.
Am 27. April hat Bundesrat Joseph Deiss von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) seinen Rücktritt aus der Landesregierung per 31. Juli 2006 angekündigt.
Am 14. Juni wird die vereinigte Bundesversammlung – Nationalrat (grosse Parlamentskammer) und Ständerat (kleine Kammer) seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger wählen.
Die 7 Sitze im Bundesrat sind auf die vier grossen Parteien verteilt und richten sich nach dem Wähleranteil.
Die CVP ist seit 1891 in der Landes-Regierung vertreten.
Seit 1983 hat die Partei auf nationaler Ebene regelmässig Wählerinnen und Wähler verloren. (Von 20,2% Wähleranteil im Jahr 1983 auf 14,4% im Jahr 2003.)
Im Dezember 2003 hat die CVP einen ihrer beiden Sitze in der Landesregierung zugunsten der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei verloren.
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