Doris Leuthard in die Landesregierung gewählt
Das Parlament hat die 43-jährige Doris Leuthard als neue Bundesrätin gewählt. Sie war die einzige Kandidatin und erzielte 133 von 242 Stimmen.
Doris Leuthard tritt die Nachfolge des Christlichdemokraten Joseph Deiss an, der per Ende Juli zurücktritt. Am Freitag wird die neue Regierung die Departements-Verteilung vornehmen.
Ihre Wahl sei auch ein Entscheid für die jüngere Generation und für die Frauen, sagte die 43-Jährige Bundesrätin nach der Wahl. Sie nehme das als besonderen Auftrag entgegen und werde alle ihre Energie für die Zukunft des Landes einsetzen.
Zum eher enttäuschenden Resultat stellte sie fest, sie habe nicht damit rechnen können, von ganz rechts und ganz links unterstützt zu werden. Sie habe allerdings immer gesagt, sie werde ihre Überzeugungen nicht preisgeben, um zu gefallen. Vor diesem Hintergrund sei sie zufrieden, das Resultat sei sachgerecht.
In den Medien und in Bundesbern galt die Wahl Leuthards seit Wochen als Formsache. Kein Thema war die Vertretung der sprachregionalen Landesteile in der siebenköpfigen Landesregierung. Dies, obschon ihr Vorgänger, Joseph Deiss, 1999 als Vertreter der Romandie gewählt worden war.
Mit Doris Leuthard ist der Kanton Aaargau als viertgrösster Schweizer Kanton nach 37 Jahren wieder in der Landesregierung vertreten. Der letzte Aargauer Bundesrat war der Freisinnige Hans Schaffner (1961-1970).
Die Rolle der Auslandschweizer
Unbestritten war der Anspruch der Frauen auf den frei werdenden Sitz. Seit der Abwahl von Ruth Metzler im Dezember 2003 war Aussenministerin Micheline Calmy-Rey die einzige Frau im Bundesrat.
Den Einbezug der Auslandschweizer in die politischen Prozesse ist für die neue Bundesrätin ein wichtiges Anliegen. «Auslandschweizer sollten aktiv an den Entscheidungen teilnehmen. Durch ihren Auslandaufenthalt haben sie einen anderen Blickwinkel auf unsere politischen Entscheide. In diesem Sinne sind sie eine Bereicherung für den Entscheidfindungs-Prozess», führte Leuthard gegenüber swissinfo aus.
«Bäume wachsen nicht in den Himmel»
In ihren Reaktionen sprachen die Präsidenten der Bundesratsparteien von einem «doch respektablen» Resultat. Für Leuthard selbst war die Wahl im ersten Durchgang wichtig.
Der Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Ueli Maurer, sagte, die 133 Stimmen für Leuthard seien weniger als erwartet. Noch vor 10 Tagen hätte er mit 170 Stimmen gerechnet. Leuthards Resultat sei aber im Vergleich zu anderen Bundesratswahlen durchaus respektabel.
Der Präsident der Sozialdemokratischen Partei (SP), Hansjürg Fehr, hielt es für bemerkenswert, dass doch fast 60 Stimmen auf die beiden zum sozialen Flügel der CVP zählenden Nationalrätinnen Chiara Simoneschi-Cortesi und Lucrezia Meier-Schatz entfielen. Ein bedeutender Teil des Parlaments habe sich so für eine Auswahl und gegen eine Einerkandidatur ausgesprochen.
Das Resultat zeige aber auch, dass es durchaus mit der Person Leuthards zusammenhänge. Nach dem «Personenkult» vor der Wahl hätten viele zeigen wollen, dass «die Bäume nicht in den Himmel wachsen».
«Zwei Frauen sind nicht genug»
Fulvio Pelli, der Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) konstatierte, dass einige Parlamentarier Leuthard nicht allzu sehr belohnen wollten. Andere hätten sich für eine Auswahl ausgesprochen. Wahltaktische Überlegungen stellten sich für die Freisinnigen derzeit nicht. 2007 sehe man weiter.
Die Präsidentin der Grünen, Ruth Genner, hat sich erfreut darüber geäussert, dass nun wieder eine junge Frau in den Bundesrat einzieht. Zwei Frauen seien aber noch nicht genug.
Genner kritisierte zugleich, dass es neben der Wirtschaftsfrau Leuthard keine Auswahl gegeben habe. Eine Wahl nicht nur aus liberalen Wirtschaftskräften, sondern auch aus den sozialen Kräften der CVP wäre laut Genner wünschenswert gewesen.
Departements-Verteilung am Freitag
Auf dem Bundesplatz hatten sich bereits am frühen Morgen Tausende von Aargauerinnen und Aargauern eingefunden. Sie verfolgten die Wahl auf einer Grossleinwand. Zur Feier des Tages spielten die Aargauer Band «Lockstoff» und das Aargauer Symphonie Orchester.
Der Freiburger Joseph Deiss hatte am 27. April zur allseitigen Überraschung nach sieben Amtsjahren seine Demission auf Ende Juli angekündigt. Der Bundesrat tritt am Freitag in neuer Zusammensetzung zusammen, um das frei werdende Volkswirtschafts-Departement (EVD) zu besetzen.
swissinfo
Die sieben Mitglieder der Landesregierung werden von der Vereinigten Bundesversammlung (grosse und kleine Kammer zusammen) jeweils für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt.
Es kommt selten vor, dass ein Regierungsmitglied während einer Legislatur zurücktritt.
Doris Leuthard tritt die Nachfolge von Wirtschaftsminister Joseph Deiss an, der auf den 31. Juli seinen Rücktritt eingereicht hat.
Der Anspruch der Christlichdemokratischen Partei (CVP) auf den Sitz in der Regierung wurde von den drei anderen Regierungsparteien nicht bestritten.
Mit 14,4% Wähleranteil ist die CVP die kleinste Bundesratspartei.
Leuthard wurde von der CVP-Fraktion einstimmig als einzige Kandidatin nominiert.
Sitzverteilung im Bundesrat: 1 CVP, 2 SP, 2 FDP, 2 SVP.
Doris Leuthard ist das 109. Mitglied der Landesregierung, aber erst die 5. Frau.
Die Aargauerin ist Anwältin und seit 2004 Präsidentin der CVP Schweiz.
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