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Duell der Bundesräte

Keystone

Der Countdown läuft: Drei Wochen vor den Schweizer Parlamentswahlen sind die Bundesräte in den Medien omnipräsent.

Während Justizminister Christoph Blocher seine Regierungskollegen beschuldigt, kritisieren Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und Innenminister Pascal Couchepin dessen Partei, die SVP.

Mit markigen Worten versuchten Bundesratsmitglieder und Parteipräsidenten am Wochenende einmal mehr, sich und ihren Parteien Gehör zu verschaffen.

Die Kampagnen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) seien Ausdruck von «Hass und Xenophobie», sorgten in anderen Ländern für Irritation und stellten ein Sicherheitsrisiko für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland dar, sagte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey. Sie sei besorgt um das Image der Schweiz.

Jene Partei, die mit der Schweizer Flagge werbe, sei die «am wenigsten schweizerische Partei», betonte Calmy-Rey einmal mehr. Das Plakat, auf welchem ein schwarzes Schaf von den weissen ausgegrenzt werde, begünstige rassistische Aktionen, sagte Calmy-Rey. Das sei nicht einfach Wahlpropaganda, sondern eine Gefahr.

Der Uno-Berichterstatter zu Rassismus, Doudou Diène, hat vor dem Uno-Menschenrechtsrat den Rückzug des SVP-Plakats verlangt.

Duce-Vorwurf bekräftigt

Bundesrat Pascal Couchepin wiederum kritisierte den personalisierten Wahlkampf der SVP. Dieser scheine zwar anzukommen. Doch sei es eine Minderheit, welche hinter der SVP stehe. Die Mehrheit unterstütze «gemässigte Kräfte».

Couchepin rechtfertigte zudem seine Duce-Äusserung, die er in einem Interview Anfang September gemacht hatte. Er habe niemanden des Faschismus bezichtigt. «Wenn eine Partei sagt, das Schicksal eines Landes hänge von einer einzigen Person ab, dann ist man in einem Duce-System», sagte Couchepin. Dies habe er sagen wollen, «nicht mehr und nicht weniger».

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Mit Oppositionszeitung gedroht

Die SVP fokussiert derweil weiterhin auf Bundesrat Christoph Blocher. Parteipräsident Ueli Maurer kündigte in einem Interview an, die SVP werde eine eigene Tageszeitung lancieren, falls Blocher nicht wiedergewählt werde.

Die Strategie scheint sich für die Partei auszuzahlen: «Dass die Blocher-Kampagne so massiv ist, hat einen einfachen Grund: Für Blochers Stärkung als Bundesrat fliesst das Geld. Einen solchen Spendeneingang wie für diese Kampagne habe ich noch nie erlebt», so Maurer.

Kollegen beschuldigt

Blocher seinerseits hält mit Kritik an seinen Regierungskollegen nicht zurück und spricht von «Diffamierung». Seine Bundesratskollegen hätten ihn in der Affäre um Ex-Bundesanwalt Valentin Roschacher in ein schlechtes Licht gestellt.

Die Kritik bezieht sich insbesondere auf Couchepin, der vor die Medien getreten war. «Gestützt auf Gerüchte aus einigen Zeitungen hat man versucht, Zweifel an mir zu nähren», sagte Blocher. «Ich bin ein Politiker mit einer dicken Haut, aber in einer solchen Art würde ich nie mit einem politischen Gegner umgehen.»

Bundesrat versus GPK

Am Freitag hatte der Bundesrat dem Justizminister in der Affäre den Rücken gestärkt. Christoph Blocher habe seine Verpflichtungen gegenüber dem Bundesrat erfüllt, heisst es in der Antwort des Bundesrates auf einen dringlichen Vorstoss der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei (SP).

Zwar müssten grundsätzlich alle sieben Bundesräte über die Kündigung eines Bundesanwalts entscheiden. Weil aber Valentin Roschacher von sich aus demissioniert habe, habe Blocher korrekt gehandelt. Der Bundesrat sei gleichentags von Blocher über die Demission Roschachers informiert worden.

Im Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) wird dem Justizminister unter anderem vorgeworfen, er habe bei der Kündigung Roschachers den Bundesrat umgangen und damit seine Kompetenzen überschritten.

swissinfo und Agenturen

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GPK

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Geschäftsprüfungs-Kommissionen (GPK) von Nationalrat und Ständerat sind die höchsten Aufsichtsorgane des Bundes. Sie üben im Auftrag der beiden eidgenössischen Räte die Oberaufsicht aus über die Geschäftsführung des Bundesrates (Landesregierung) und der Bundesverwaltung, der eidgenössischen Gerichte und der anderen Träger von Aufgaben des Bundes. Bei der Oberaufsicht handelt es sich um eine politische Kontrolle von…

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Am 21. Oktober wählt das Schweizer Stimmvolk im In- und Ausland den Nationalrat (200 Sitze) und praktisch den gesamten Ständerat (43 von 46 Sitzen) neu. Nur die Kantone Zug und Appenzell Innerrhoden haben ihre Ständeratswahl vorgezogen.

Die Stimmberechtigten können nur Kandidierenden die Stimme geben, die in ihrem Wohnkanton zur Wahl stehen. Auch Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer wählen in jenem Kanton, in welchem sie im Wahlregister eingetragen sind. Dieses Jahr kandidieren 44 von ihnen für den Nationalrat. Insgesamt sind es 3089 Personen.

Den Wahlen kommt auch im Hinblick auf die Machtaufteilung in der Landesregierung (Bundesrat) eine grosse Bedeutung zu. Das neue Parlament wird als eine der ersten Handlungen gleich den gesamten Bundesrat bestätigen oder aber neu zusammenstellen können.

Der Abgang von Ex-Bundesanwalt Roschacher, die Rolle, die Justizminister Blocher dabei gespielt hat, Fragen der Gewaltenteilung und der politischen Aufsicht: Rund um diese Themen ist seit Anfang September ein Polit- und Medienrummel im Gang, dessen Ausmass wohl nur mit den bevorstehenden nationalen Wahlen zu erklären ist.

Justizminister Blocher wird von einer parlamentarischen Aufsichtskommission vorgeworfen, er habe bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Roschacher den Bundesrat umgangen, seine Kompetenzen überschritten und die Gewaltentrennung verletzt.

Blocher weist die Kritik als tendenziös zurück. Er und und seine Partei (SVP) wittern hinter den Vorwürfen einen Komplott, der seine Wiederwahl als Bundesrat gefährden soll. Der Bundesrat seinerseits hat einen Experten ernannt, der ihn bei der Interpretation des Aufsichtsberichts unabhängig beraten soll.

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