E-ID: Für ein Referendum wird es knapp

Erhält die Schweiz einen elektronischen Identitätsausweis, die E-ID? Noch läuft die Referendumsfrist. Aber die Gegnerschaft hat Mühe, die notwendigen Unterschriften zusammenzubringen.
Der Bundesrat hat Pläne für eine elektronische Identität vorgelegt, die so genannte E-ID. Es ist der zweite Anlauf. Der erste scheiterte an der Urne. Datenschutzbedenken und Ängste vor kommerzieller Nutzung der Identitätsdaten gaben den Ausschlag.
Der Bund nahm die damaligen Bedenken im nun vorliegenden Projekt auf. «Er hat es sehr viel besser gemacht und die breite Gesellschaft einbezogen», sagt selbst ein Gegner der ersten Stunde, Jorgo Ananiadis von der Piratenpartei.
Referendum gegen E-ID lanciert
Wichtigste Änderungen: Der Bund selbst – und nicht mehr Privatfirmen – soll nun die E-ID herausgeben und damit die bestmögliche Sicherheit gewährleistenExterner Link. Zudem soll die elektronische Identität freiwillig werden.
Damit konnte der Bundesrat das Parlament überzeugen. Dieses gab dem entsprechenden BundesgesetzExterner Link bereits im Dezember 2024 praktisch oppositionslos seinen Segen.
Aber gleich darauf, Anfang Januar 2025, wurde das Referendum ergriffen. «Der Nutzen ist klein, das Risiko gross», sagt Gegner Ananiadis.
Kommt das Referendum zustande, muss das Stimmvolk noch einmal an die Urnen. Sonst wird das Projekt nach den Plänen des Bundes bereits nächstes Jahr eingeführt.
Kernanliegen der Schweizer Diaspora
Die elektronische Identität ist ein Kernanliegen der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Sie würde es Schweizerinnen und Schweizern leichter machen, mit den Behörden in der Schweiz oder mit den Schweizer Konsulaten in ihrem Wohnland zu verkehren. Viele versprechen sich davon auch Erleichterungen beim Verkehr mit Banken oder Sozialversicherungen.
Zudem wird die E-ID unter interessierten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern auch oft als möglicher Türöffner für das lang ersehnte E-Voting gesehen.
Die Hoffnung ist: Klappt es mit der elektronischen Identität, kann dies das notwendige Vertrauen schaffen, um dem elektronischen Wählen und Abstimmen den Weg zu ebnen.
Erst die Hälfte der Unterschriften
Noch bis 19. April, bis zum Osterwochenende, läuft die Frist zur Einreichung der Unterschriften für das Referendum. 50’000 Unterschriften braucht es. Zum Sammeln selbst bleiben nur noch gut zwei Wochen. Schon am 4. April ist Sammelschluss, damit die Unterschriften noch beglaubigt werden können.
Einen Überblick über den Stand der Sammlung zu erhalten, ist nicht einfach. Denn die Opposition hat sich fragmentiert und ist teils zerstritten. So laufen zwar landesweit Unterschriftensammlungen, doch sie sind nicht koordiniert.
Dennoch lässt sich gut zwei Wochen vor Ende der Sammelphase mit Sicherheit sagen: Die Unterschriftensammlung harzt. Zählt man alles zusammen, fehlt noch rund die Hälfte der notwendigen Unterschriften.
Unter den Referendumsführern ist zum einen die Piratenpartei. Sie hat bisher laut der Referendums-WebseiteExterner Link rund 10’000 Signaturen gesammelt. Tatsächlich dürften es einige mehr sein, von rund 12’000 wird berichtet.
Die Junge SVP kam spät dazu
Zum andern sammelt auch die Bewegung Mass-Voll. Laut deren Gründer Nicolas Rimoldi kommen von Mass-Voll rund 7500 Unterschriften dazu, auch das ist der Stand gut zwei Wochen vor Ablauf der Sammelphase.
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Zwei weitere Gruppierungen, die in der Coronazeit entstanden sind, sammeln ebenfalls, nämlich «Aufrecht Schweiz» und «Freunde der Verfassung».
Die Szene der damals geeint auftretenden Massnahmenskeptiker agiert heute getrennt, das einstige Mobilisierungspotenzial ist geschrumpft. Auch von diesen beiden Gruppierungen liegen laut Rimoldi zum jetzigen Stand rund 7500 Unterschriften vor.
Als neue Unterstützerin ist erst Mitte März auch noch die Junge SVP dazugekommen. Wie gross das Mobilisierungspotenzial der Nachwuchsorganisation der grössten Schweizer Partei ist, bleibt offen.
Präsident Niels Fiechter sagt: «Zu den erwarteten Unterschriftenzahlen gibt die Junge SVP Schweiz keine Auskunft.» Ebenfalls Unterstützung zugesagtExterner Link hat die nationalkonservative Kleinpartei EDU.
Uneinigkeit in der E-ID-Gegnerschaft
Dass die Gegnerschaft bisher nicht richtig Schwung entwickeln konnte, hat auch mit ihrer Fragmentierung zu tun, die von öffentlichen ausgetragenen Konflikten begleitet wurde. Gleich zu Beginn des Referendums buhlten Mass-Voll und die Piratenpartei um den Anspruch auf die Referendumsführerschaft.
Die Piratenpartei distanzierte sich von Mass-Voll – unter anderem, weil letztere mit der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat» zusammenarbeitet. Die Piratenpartei wiederum machte dann letzte Woche mit internen Querelen um die Durchführung einer Medienkonferenz auf sich aufmerksam.
Jorgo Ananiadis von der Piratenpartei bedauert, dass die Auseinandersetzungen um das Referendum in den Schweizer Medien beinahe mehr Aufmerksamkeit erhielten als die Argumente gegen die elektronische Identität.
«Am Ende unterstützen ja alle das Referendum», sagt er. Tatsächlich sind auch die Motive der Opposition einander ähnlich, allerdings mit Nuancen.
Skepsis bezüglich Video-Identifikation
Die digital-affine Piratenpartei anerkennt zwar die Bemühungen des Bundes um eine verantwortbare digitale Lösung. «Aus heutiger Sicht liegt eine technische Lösung vor, die zu den besseren gehört», sagt Ananiadis.
Seine Organisation sieht jedoch im Video-Gesichtsscan, der zur Einrichtung der App vorgesehen ist, ein Datenschutz-Problem. «Videoidentifikation ist gemäss unserem technischen Wissen noch nie sicher möglich gewesen», sagt Ananiadis und verweist auf die Gefahr von Identitäts-Diebstählen.
Ein anderes Argument ist für die Piratenpartei die mögliche Kopplung der Identität an Konsumdaten – etwa dann, wenn die E-ID zum Altersnachweis bei Einkäufen verwendet wird. «So geben wir dem Datenkapitalismus unsere Persönlichkeit preis», sagt Ananiadis.
Angst vor Überwachung durch E-ID
Nicolas Rimoldi von Mass-Voll wiederum hegt grundsätzlichere Zweifel. Seine Organisation sieht die E-ID als Türöffner zu mehr Staatskontrolle bis hin zu Staatswillkür. «Es wäre naiv, anzunehmen, dass die E-ID freiwillig bleiben wird», sagt er.
Der Staat werde wie in der Corona-Pandemie bei den Impfungen Wege finden, um Bürgerinnen und Bürger ohne E-ID mit Nachteilen zu belegen, so seine Befürchtung.
Auch die Junge SVP befürchtet, dass der durch die E-ID zuviel Macht über die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger erhält. «Der Bundesrat kann mit der E-ID dem schlechten Beispiel der EU folgen, welche ihren Überwachungs- und Kontrollapparat stark ausbaut», sagt Parteipräsident Fiechter.
Der Bund hat mit seiner E-ID bisher viele Skeptikerinnen und Skeptiker überzeugt. Die Verbliebenen werden wohl skeptisch bleiben.
Editiert von Samuel Jaberg
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