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E-Voting: langwieriger Prozess trotz neuer Dynamik

Keystone

Seit Basel-Stadt mit Genf einen Vertrag für das Abstimmen per Mausklick unterschrieben hat, ist Dynamik in die Einführung des E-Votings für Auslandschweizer gekommen. 16 Kantone wollen das E-Voting ermöglichen. Der Weg dazu ist wegen dem Föderalismus komplex und zeitaufwändig.

«Bis das Abstimmen und Wählen per Internet in der Schweiz flächendeckend für alle und auf allen Ebenen eingeführt ist, dauert es noch Jahrzehnte. E-Voting ist überhaupt nicht mit dem E-Banking vergleichbar», sagt Hans-Urs Wili, Projektleiter «Vote électronique» bei der Bundeskanzlei und erklärt den langen Zeithorizont mit den hochkomplexen Strukturen.

Die Schweiz hat 26 Kantone und 2614 Gemeinden. Jeder Kanton und jede Gemeinde sind grundsätzlich souverän bei der Organisation von Wahlen und Abstimmungen. «Der Föderalismus führt zu einem Mosaik, zu einem Flickenteppich der Eigenheiten und voneinander abweichenden Regelungen», sagt Wili und verweist darauf, dass etwa die Stadt Bern beim Wahlmaterial-Versand drei verschiedene Systeme habe und diese bei Abstimmungen und Wahlen auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene auch anwende. «Allein bei Abstimmungen auf Bundesebene haben wir 26 Wahl-Systeme. Dazu kommen die Systeme bei kantonalen und kommunalen Wahlen.»

E-Voting wird schrittweise eingeführt. Im Januar 2003 konnten sich die gut 1000 Stimmberechtigten der Genfer Gemeinde Anières erstmals elektronisch an einer Abstimmung auf Gemeindeebene beteiligen. In einem nächsten Schritt führten die Kantone Genf, Neuenburg und Zürich in ausgewählten Pilotgemeinden erfolgreich E-Voting-Versuche auf Bundesebene durch.

Stolperstein Stimmrechtsregister

In seiner Bilanz zu diesen Pilotversuchen kam der Bundesrat im Jahr 2006 zum Schluss, dass das E-Voting vor allem auch den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern das Abstimmen und Wählen erleichtern kann. Mit der elektronischen Stimmabgabe entfallen die Probleme mit zu spät eingegangenen Stimmzetteln genauso wie die – je nach Land – hohen Portokosten.

Damit Auslandschweizer elektronisch abstimmen und wählen können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Stimmwillige Auslandschweizer müssen sich auf der Botschaft oder auf dem Konsulat registrieren lassen und die Stimmrechtsregister der Kantone müssen harmonisiert werden. 117’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer haben sich registrieren lassen. «Die meisten Kantone haben wie gesetzlich vorgesehen ihre Stimmrechtsregister inzwischen harmonisiert», bilanziert Wili und weist darauf hin, dass die Hoheit über die Register bei den Kantonen liegt.

Genf-Basel: Meilenstein

Grundlage für das E-Voting der Auslandschweizer ist das geänderte Gesetz über die politischen Rechte, das seit 1. Januar 2008 in Kraft ist. Im Juni 2008 konnten Auslandschweizer im Kanton Neuenburg zum ersten Mal elektronisch abstimmen. Die entsprechende Premiere im Kanton Genf fand beim eidgenössischen Urnengang vom 27. September 2009 statt. Am 29. November führt der Kanton Basel-Stadt seinen ersten Versuch durch. Ab Juni 2010 will der Kanton Zürich die Auslandschweizer in 13 Pilotgemeinden per Internet abstimmen lassen.

Basel-Stadt hat als erster Kanton kein eigenes E-Voting-System entwickelt, sondern im Juni 2009 einen Beherbergungs-Vertrag mit dem Kanton Genf abgeschlossen. Die Ausarbeitung des Vertrages hat acht Monate in Anspruch genommen. Dabei sei es nicht nur um Informatikprobleme gegangen, sagte die Basler Staatsschreiberin Barbara Schüpbach bei der Vertragsunterzeichnung. «Es musste auch immer wieder das Vertrauen gewonnen werden», denn Vertrauen sei das «oberste Gebot in einem derart heiklen Bereich», wie dem Stimmgeheimnis.

«Unsere Strategie sieht vor, dass die Kantone auf die Vorarbeiten anderer Kantone zurückgreifen», erklärte damals Bundeskanzlerin Corina Casanova und bezeichnete das Pilotprojekt zwischen Basel und Genf als «Meilenstein».

Der lange Weg

Zurzeit verhandeln auch die Kantone Bern, Luzern, Waadt, Uri, Ob und Nidwalden mit Genf über eine kostensparende Zusammenarbeit. Weitere sieben Kantone haben im September 2009 beschlossen, mit dem Kanton Zürich über eine Zusammenarbeit zu verhandeln. Erste Versuche sind für Ende 2010 geplant.

Das sei ein optimistischer Zeitplan, sagt Hans-Urs Wili. «Beim Vertrag zwischen Basel und Genf waren lediglich zwei Kantone beteiligt, das zentralistische Genf und Basel-Stadt mit lediglich drei Gemeinden umfasst. Da hat es acht Monate bis zur Unterzeichnung des Vertrages gedauert.» Beim «Zürcher-Modell» der sieben Kantone seien die föderalistischen Verhältnisse erheblich komplizierter, die Kantons- und die Gemeindestrukturen unterschieden sich stärker voneinander, so Wili: «Allein schon die Absichtserklärung umfasst zwölf Seiten.»

ASO: «Andere Kantone werden mitgerissen»

Ariane Rustichelli von der Auslandschweizer-Organisation ASO weist darauf hin, dass das E-Voting seit Jahren eines der zentralen Anliegen der ASO sei und zeigt sich erfreut: «Seit knapp zwei Jahren bewegt sich endlich etwas.» Die Zusammenarbeit unter den Kantonen habe zur Folge, dass «andere Kantone mitgerissen werden».

Die Bundeskanzlei rechnet damit, dass bis zu den Nationalratswahlen die Auslandschweizer «einigermassen vollständig» werden per Internet abstimmen können. Ihr Ziel ist eine 50%-prozentige Abdeckung bis Ende 2012.

Andreas Keiser, swissinfo.ch

2008 waren 676’176 (rund 10%) der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ansässig; die Mehrheit in Ländern der Europäischen Union.

Die grössten Schweizer Kolonien befinden sich in Frankreich (176’723), Deutschland (75’008), den USA (73’978), Italien (48’147) und Grossbritannien (28’438).

In Österreich lebten 14’002, in der Slowakei 284, in Slowenien 337 und in Liechtenstein 3584 Schweizerinnen und Schweizer.

Die Auslandschweizer würden den viertgrössten Kanton der Schweiz bilden, hinter Zürich, Bern und Waadt.

124’399 Auslandschweizer hatten sich 2008 in einem Stimmregister eingetragen (+4,2% gegenüber 2007 oder 23,9% der gesamten Auslandschweizergemeinde)

Mit einer baldigen Einführung von E-Voting soll für die immer zahlreicher werdenden politisch aktiven Auslandschweizer gewährleistet werden, dass sie nicht wegen verspätet eintreffenden oder falsch zugestellten Abstimmungsunterlagen an der Ausübung ihrer politischen Rechte gehindert werden.

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