E-Voting: Schweiz steht international gut da
Wählen und Abstimmen per Internet steht seit Jahren auf der politischen Wunschliste der Auslandschweizer-Organisation ASO. Doch der Weg ist lang. Dennoch schneide die Schweiz im internationalen Vergleich gut ab, sagt ein Experte im Gespräch mit swissinfo.
Robert Krimmer ist Direktor des Kompetenzzentrums für elektronisches Wählen in Wien. Das Zentrum hat in einer zweijährigen Forschungsarbeit einen Index erstellt über die Bereitschaft von 31 Ländern, das E-Voting einzuführen.
Der Index berücksichtigt rechtliche, politische, gesellschaftliche und technische Kriterien.
swissinfo: Wo steht die Schweiz in Ihrem Index?
Robert Krimmer: Im europäischen Vergleich steht die Schweiz recht gut da. Sie hat grosse Erfahrung mit der brieflichen Stimmabgabe. Die Versuche in den Kantonen sind positiv verlaufen und es gibt seit bald 10 Jahren eine breite politische Diskussion.
Vor der Schweiz rangieren lediglich Grossbritannien, Estland und die Niederlande. Länder wie Österreich oder Deutschland haben noch keine rechtsgültigen Wahlen mit elektronischen Mitteln durchgeführt.
In Grossbritannien ist das Internet generell mehr verbreitet, es wurde mehr Geld eingesetzt und die Versuche mit E-Voting sind breiter abgestützt. Die politische Diskussion jedoch ist dort weniger ausgeprägt als in der Schweiz.
swissinfo: Estland hat im März 2007 E-Voting bei den Parlamentswahlen eingesetzt. Wie war das möglich?
R.K.: Das Land hat die digitale Signatur bereits eingeführt und deshalb eine höhere Rechtsgültigkeit für elektronische Wahlen.
Wesentlich ist aber, dass Estland eine noch sehr junge Verfassungstradition hat. Es war deshalb leichter, die Verfassung zu ändern, als etwa in der Schweiz. Da mussten nicht so viele Entscheidungsträger gefragt werden, ob sie die Verfassung ändern wollen oder nicht.
swissinfo: Die Niederlande haben nach ersten erfolgreichen Versuchen wieder auf Papierwahlen umgestellt. Was ging dort schief?
R.K.: Grundsätzlich ist das Vertrauen der Holländer in elektronische Wahlhilfen sehr gross. Die Niederlande sind das Land in Europa mit der grössten Erfahrung mit elektronischen Wahlen. Seit den 1960er-Jahren setzen die Holländer Wahlcomputer ein.
2004, bei den Europaparlaments-Wahlen, wurde erstmals ein Internetversuch für die Auslandbürger gestartet. Der wurde auch als sehr erfolgreich angesehen. 2006 dann hat eine Gruppe von Bürgern aufgezeigt, dass es mit den Wahlcomputern Probleme und Unsicherheiten gegeben hatte. Die Wahlcomputer sind, weil sie schon seit 30 Jahren im Einsatz stehen, nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik.
Das hat dann zu Vertrauensproblemen geführt. Bei den Politikern ist eine generelle Verunsicherung rund um elektronisches Wählen entstanden. Deshalb hat man gesagt: «Bevor wir jetzt den nächsten Schritt wagen und die nächste Generation von Wahlcomputern anschaffen, warten wir noch ein bisschen und schauen, wie sich das in andern Ländern weiter entwickelt.»
swissinfo: Wieso dauert es in der Schweiz so lange, bis das E-Voting eingeführt wird?
R.K.: Der Hauptgrund liegt in der Tatsache, dass es so viele Entscheidungsträger gibt. Jeder Kanton hat ein eigenes Wahlsystem und eine eigene Entscheidungskompetenz. Das führt dazu, dass sich Politiker überlegen, welche Konsequenzen das Wahlsystem auf ihr nächstes Wahlergebnis haben wird.
Wir sprechen vom sogenannten Mittelsmann-Paradoxon: Der Politiker, der darüber zu entscheiden hat, wie der Wahlprozess auszusehen hat, ist gleichzeitig davon betroffen. Deshalb trachtet er danach, dass das neue System ihm auch nützt.
Generell geht man zwar davon aus, dass E-Voting einen neutralen Einfluss hat auf die Stimmabgabe, also keine politische Partei bevorzugt. Das glaubt der Politiker aber nicht. In der Wahlforschung ist die Frage, ob das Medium einen Einfluss hat auf die Entscheidung des Bürgers bei der Stimmabgabe, derzeit noch umstritten.
swissinfo: Abgesehen von politischen und administrativen Hürden. Wie sicher ist E-Voting?
R.K.: Die eindeutige Identifizierung der Wähler und die anonyme Stimmabgabe, das kann im Wesentlichen abgesichert werden. Voraussetzung für die Anonymität ist, dass der Wähler seinen Rechner virenfrei hält.
Das ist eine der Hauptaufgaben: Man muss dem Wählenden vertrauen, dass er seinen Computer unter Kontrolle hat und dass er aktuelle Virenscanner verwendet.
Das gilt aber genauso für die Briefwahl. Da füllt man seinen Stimmzettel auch nicht im Restaurant aus, sondern zu Hause, wo man alleine sitzt.
swissinfo-Interview: Andreas Keiser
Von 2001 bis 2005 führten die Kantone Genf, Neuenburg und Zürich in enger Zusammenarbeit mit dem Bund Pilotversuche mit E-Voting durch.
Aufgrund der positiven Erfahrungen wurden die Versuche ausgedehnt. So finden 2008 erstmals Pilotversuche mit E-Voting statt, an denen sich Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer beteiligen können.
Im Kanton Neuenburg etwa konnten im Juni Auslandschweizer, welche im «Guichet Unique» registriert sind und in einem EU-Land oder in einem Mitgliedstaat des Abkommens von Wassenaar leben, ihre Stimme elektronisch abgeben.
Als nächster Kanton will auch Basel-Stadt Pilotversuche durchführen und dabei auch die Auslandschweizer einbeziehen.
Der ASR ist das oberste Organ der ASO. Er vertritt gegenüber den Schweizer Behörden die Interessen aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.
Dieses «Parlament der Fünften Schweiz» tagt zweimal jährlich in der Schweiz, um zu wichtigen Fragen der Auslandschweizer-Politik Stellung zu nehmen.
Der Rat tritt jeweils im Frühling und im Rahmen des Auslandschweizer-Kongresses im Spätsommer zusammen. In diesem Jahr findet der Kongress vom 22. – 24. August in Freiburg statt.
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