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«Ein Misserfolg wäre noch nicht das Ende der Diskussion»

Walter Kälin, Experte für humanitäres Völkerrecht. Keystone

Das Resultat der Verhandlungen von Kopenhagen müsse die Frage der Klimaflüchtlinge einschliessen, sagt Walter Kälin, Repräsentant des UNO-Generalsekretärs. Der Schweizer Völkerrechtler sieht keine Alternative, um auf die klimatische Herausforderung zu reagieren.

Walter Kälin, Professor für Staats- und Völkerrecht der Universität Bern und international anerkannter Experte, ist einer der Väter des UNO-Menschenrechtsrats. Für ihn ist es unbestritten, dass die Unterhändler früher oder später um ein Abkommen nicht herumkommen – unabhängig davon, ob die Kopenhagener Konferenz scheitert oder nicht.

swissinfo.ch: Welches ist Ihre Rolle hier in Kopenhagen?

Walter Kälin: Ich bin als Repräsentant des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von Vertriebenen im eigenen Land hier in Kopenhagen.

Die Hilfswerke und die Leute, die sich mit den Menschenrechten befassen, sind äusserst besorgt über die rasche Zunahme der Zahl von Menschen, die infolge von Naturkatastrophen vertrieben werden, sei das infolge von Orkanen oder Trockenheit und Dürre.

Es ist klar, dass es sich in Regionen wie Zentralamerika oder Ostafrika sehr, sehr wahrscheinlich um die Folgen der Klimaveränderung handelt.

swissinfo.ch: Wird der Frage von Klimaflüchtlngen in Kopenhagen genügend Rechnung getragen?

W.K.: Wir hoffen es. Seit einem Jahr haben wir dafür lobbyiert, dass ein Artikel im Abkommen enthalten sein muss, welcher unterstreicht, dass die humanitären Folgen, inklusive Vertreibung und Migration, Teil der Auswirkungen des Klimawandels sind. Das Problem muss behandelt werden und ins Massnahmenpaket aufgenommen werden, um die Zahl der Vertreibungen zu reduzieren und die Instrumente dazu schaffen, dass das Leben von Vertriebenen wieder aufgebaut wird.

Im Moment ist das Schlussdokument noch nicht verabschiedet, aber wir sind relativ optimistisch. Ein entsprechender Artikel steht, und wir haben bei zahlreichen Regierungen von Ländern des Südens wie des Nordens äusserst positive Reaktionen beobachten können.

swissinfo.ch: Verfügt die UNO über genügend Mittel, um das Problem der Klimaflüchtlinge anzugehen?

W.K.: Natürlich nicht. Wir haben weltweit 12 Millionen Flüchtlinge und 25 Millionen Personen, die durch bewaffnete Konflikte und Gewalt vertrieben wurden. Alleine im letzten Jahr zählten wir 36 Millionen Menschen, die infolge von Naturkatastrophen flüchten mussten. Viele dieser Menschen konnten nach relativ kurzer Zeit in ihr Haus zurückkehren. Aber es zeigt die Dimension des Problems.

Mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mitteln sind die Hilfswerke nicht in der Lage, die betroffenen Regierungen und Personen zu unterstützen und ihnen zu helfen. Dies ist der Grund für unsere Überzeugung, dass die humanitären Folgen unbedingt in die Diskussion über den Adaptionsfonds (Teil der Verhandlungen in Kopenhagen) einbezogen werden müssen.

Es braucht beträchtliche Mittel, um den Regierungen dabei zu helfen, Vertriebene zu schützen und zu unterstützen. Zudem braucht es zusätzliche Gelder für die internationalen Organisationen.

swissinfo: Würde es etwas nützen, wenn der Status des Klimaflüchtlings rechtlich verankert wäre?

W.K.: Von Klimaflüchtlingen sprechen, heisst von Menschen sprechen, die ihr Land verlassen. Sie werden zu Fremden in einem Empfangsland, in dem sie nicht das Bürgerrecht des Landes haben. Menschen, die im eigenen Land vertrieben werden, bleiben Bürger dieses Staates. Und es ist wichtig, dass sie keines ihrer Rechte verlieren. In diesem Fall von Flüchtlingen zu sprechen, ist also problematisch.

Für Menschen, die Landesgrenzen überqueren müssen, ist die Situation anders. Sie sind nicht geschützt durch die Flüchtlingskonvention von 1951. Das ist problematisch, es gibt keinen rechtlichen Rahmen zu ihrem Schutz. Ein Artikel, integriert in dem Abkommen, das in Kopenhagen hoffentlich verabschiedet wird, wäre eine Basis für eine vertiefte und technische Diskussion über die Art und Weise, wie man den Status dieser Menschen regeln könnte.

swissinfo: Wer ist schuld, wenn Kopenhagen scheitert?

W.K.: Alle Regierungen, und nicht die eine oder andere Regierung. Aber ich würde nicht unbedingt von Misserfolg reden. Die Klimafrage ist eine äusserst komplexe Frage. Wir haben es mit sehr unterschiedlichen Interessen zu tun. Die Diskussionen brauchen Zeit.

Ich bin überzeugt, dass ein Misserfolg in Kopenhagen nicht das Ende der Diskussion bedeuten würde. Man wird durch eine Krise gehen, bevor man wieder beginnt und genau die gleichen Fragen wieder auf den Tisch bringt. Denn es handelt sich um Herausforderungen für die ganze Menschheit, und niemand kann es sich erlauben, eine n Schlussstrich zu ziehen.

swissinfo: Ist die UNO der richtige Rahmen, um das Problem wirklich anzupacken?

W.K.: Ich will nicht für alle UNO-Organisationen sprechen. Man muss zwischen dem politischen System und den Staaten sowie den eher technischen Organisationen wie dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) oder dem UNO-Entwicklungsprogramm (PNUD) unterscheiden.

Die Agenturen sind sich der Realität der Klimaherausforderung klar bewusst. Aber es geht darum, alle Regierungen einzubinden, und die Vereinten Nationen sind der einzige Rahmen, in dem dies wirklich möglich ist. Ich sehe keine andere Alternative.

Pierre-François Besson, Kopenhagen, swsissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Gaby Ochsenbein und Jean-Michel Berthoud)

An der UNO-Klimakonferenz von Kopenhagen, die bis am 18. Dezember dauert, versuchen über 190 Länder, sich auf ein globales Klima-Abkommen zu einigen, als Nachfolge oder Verlängerung des Kyoto-Protokolls, das Ende 2012 ausläuft.

Das Ziel der Klimakonferenz ist es zu verhindern, dass das Weltklima sich um 2 Grad Celsius erhöht im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Die zwischenstaatliche Expertengruppe über die Klimaentwicklung (Giec) ist der Meinung, dass eine Treibhausgas-Reduktion der Industriestaaten von 25% bis 40% bis 2020 im Vergleich zu 1990 nötig ist.

Die Giec fordert die reichen Länder auf, bis 2050 80% bis 95% der Treibhausgase einzuschränken. Die Entwicklungsländer sollen dies bis 2050 um 50% tun.

Die Landesregierung schlägt für die Schweiz eine Reduktion von jetzt bis 2020 von mindestens 20% der Emissionen im Vergleich zu 1990 vor. Die Schweiz ist bereit, die Reduktion auf 30% zu erhöhen, je nach Ausgang der Klimakonferenz in Kopenhagen.

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