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Einbürgerungen gehören nicht an die Urne

Wie einbürgern? Das Parlament ist gespalten. Keystone

Einbürgerungsgesuche an der Urne sollen verboten werden. Höchstens Gemeindeversammlungen sollen über die Abgabe des roten Passes entscheiden können. Dies hat der Nationalrat beschlossen.

Damit halten sich die Volksvertreter nicht an die kleine Kammer. Diese wollte Urnenabstimmungen unter gewissen Bedingungen zulassen.

Die Volksinitiative «für demokratische Einbürgerungen» der Schweizerischen Volkspartei (SVP) will Urnenentscheide wieder zulassen und eine Beschwerdemöglichkeit ausschliessen.

Das Bundesgericht hatte Urnenentscheide als verfassungswidrig erklärt. Sowohl der Ständerat wie auch der Nationalrat lehnen die Initiative ab.

Nun hat der Nationalrat einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative ausgearbeitet.

Gemäss diesem können die Kantone vorsehen, dass Einbürgerungsgesuche den Stimmberechtigten an einer Gemeindeversammlung vorgelegt werden.

Die Ablehnung eines Gesuches ist nur möglich, wenn ein schriftlich begründeter Antrag vorliegt. Die Beschwerdemöglichkeit wird ausdrücklich vorgesehen.

Die Kantone haben Gerichtsbehörden einzusetzen, die Beschwerden gegen ablehnende Entscheide beurteilen.

Kriterium Religion

Den Stimmberechtigten sind die Staatsangehörigkeit, die Wohnsitzdauer und der Integrationsgrad der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers bekannt zu geben.

Auf Antrag von Jasmin Hutter (SVP) muss im Gesuch trotz parteiübergreifendem Widerstand auch die Religionszugehörigkeit angegeben werden.

Dagegen lehnte der Nationalrat den Antrag des freisinnigen Philipp Müller deutlich ab, auch Angaben über Sozialhilfe, Steuerdisziplin, Berufstätigkeit, Betreibungen, Schulden und Unterhaltspflichten zu veröffentlichen. Nach Mehrheitsmeinung verstiesse dies gegen den Schutz der Privatsphäre.

Fast ebenso klar lehnte der Nationalrat den Antrag von Hans Fehr (SVP) ab, dass auch positive Entscheide mit einer Popularbeschwerde angefochten werden können. Ein Weiterzug ans Bundesgericht ist möglich.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Links gegen Rechts

Die Debatte am Dienstagmorgen drehte sich um die Grundsatzfrage, ob eine Einbürgerung ein politischer oder ein reiner Verwaltungsakt sei. Das links-grüne Lager will Entscheide nicht Gemeindeversammlungen überlassen, weil diese Stimmungen unterworfen seien. Das Volk habe nicht immer Recht, sagte der Grüne Louis Schelbert.

Für Ulrich Schlüer (SVP) kommt dies einer «abgrundtiefen Geringschätzung der Demokratie» gleich. Gemeindeversammlungen freier Bürger seien nun einmal spontan und unberechenbar.

Entscheide des Souveräns seien nicht begründungspflichtig und nicht beschwerdefähig, doppelte Hans Fehr nach.

Absturz droht

Zwischen Links und Rechts bewegten sich die Mitteparteien. Ihnen liegt die Fairness von Einbürgerungsentscheiden und die Vermeidung von Willkür am Herzen.

Einbürgerungen hätten eine Doppelnatur, sagte Kommissionssprecher Kurt Fluri von der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP): Es seien politische Entscheide, aber mit rechtsstaatlichen Schranken.

Der Christdemokrat Gerhard Pfister rief dazu auf, die Chancen der SVP- Initiative zu minimieren. Beim Verlassen des Mittelweges drohe der Vorlage der Absturz.

In der Gesamtabstimmung passierte die Änderung des Bürgerrechtsgesetzes denn auch nur mit 77 zu 72 Stimmen bei 17 Enthaltungen.

Die Vorlage geht zurück an den Ständerat. Das letzte Wort allerdings wird das Stimmvolk haben.

swissinfo und Agenturen

Einbürgerungen an der Urne oder Gemeindeversammlungen wurden von einigen Gemeinden vorwiegend in der Deutschschweiz praktiziert. Zu Reden gaben vor allem die Ablehnungen in Emmen (Luzern).

Dort hatten Kandidaten mit Namen, die auf eine Herkunft aus Ex-Jugoslawien schliessen lassen, keine Chance.

2003 entschied das Bundesgericht, ablehnende Entscheide müssten begründet werden. Seit dem Lausanner Urteil sind damit Einbürgerungen an der Urne faktisch illegal.

Um das Urteil des höchsten Schweizer Gerichts umzustossen, lancierte die SVP eine Volksinitiative.

Wer sich in der Schweiz einbürgern will, muss seit 12 Jahren hier wohnhaft sein.

Eine Einbürgerungsbewilligung des Bundes erhält, wer gut integriert ist und die schweizerische Rechtsordnung kennt.

Die Einbürgerung erfolgt durch den jeweiligen Kanton und die Wohngemeinde.

2005 wurden 39’753 Einbürgerungen vorgenommen, so viele wie nie zuvor.

In der Schweiz leben mehr als 20% Ausländerinnen und Ausländer.

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