Einbürgerungs-Initiative klar und deutlich abgelehnt
Knapp 64% des Schweizer Stimmvolkes sagen Nein zu Einbürgerungen an der Urne. Noch deutlicher lehnen die Stimmenden die "Maulkorb-Initiative" und den neuen Gesundheitsartikel ab.
Volk und Kantone haben mit ihren drei Nein bekräftigt, dass sich Demokratie und Rechtsstaat nicht ausschliessen dürfen. Dies sei das wichtigste Resultat der eidgenössischen Abstimmungen, sagte Bundespräsident Pascal Couchepin.
Der Bundesrat habe mit Befriedigung vom Abstimmungsausgang Kenntnis genommen, so Couchepin. Der Souverän habe eindeutig klar gemacht, dass Willkür, Diskriminierungen und Redeverbote in der schweizerischen Rechtsordnung keinen Platz hätten.
Couchepin gratulierte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zu ihrem mit «Eleganz, Brio und Mut» geführten Abstimmungskampf gegen die Einbürgerungs-Initiative «ihrer» SVP. Die Justizministerin wertete das Nein als Bekenntnis zum Rechtsstaat und zum Föderalismus.
Einbürgerungen unterstünden weiterhin dem kantonalen Recht, sagte Widmer-Schlumpf. Auch Gemeindeversammlungen dürften über die Abgabe des roten Passes entscheiden. Negative Beschlüsse müssten aber in einem redlichen Verfahren begründet werden, damit gegen sie Beschwerde geführt werden könne.
SVP verliert auf der ganzen Linie
Grosse Verliererin des Wahlwochenendes ist die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die drei Mal die Ja-Parole ausgegeben hat. Die Stimmbeteiligung betrug 44,1%.
Die Einbürgerungs-Initiative verlangte, dass Einbürgerungen wieder in geheimer Abstimmung durch das Stimmvolk an der Urne entschieden werden können.
Diese Praxis war ausgesetzt worden, nachdem sie das Bundesgericht im Jahr 2003 als verfassungswidrig erklärt hatte.
Die Gegner der Einbürgerungs-Initiative zeigten sich erleichtert über das Nein. Allgemein herrschte die Überzeugung, dass sich das grosse Engagement ausbezahlt hat.
Argumente führten zum Erfolg
Man sei mit kleinen Budgets, aber viel Arbeit zum Erfolg gekommen, sagte der Präsident der Grünen, Ueli Leuenberger. Leuenberger fordert nun eine Vereinfachung der Einbürgerungsverfahren. «Wir haben eines der schwierigsten Verfahren in Europa. Die unterschiedlichen Kriterien werden oft nicht verstanden.»
Der sozialdemokratische Schwyzer Nationalrat Andy Tschümperlin ist überzeugt, dass sich beispielsweise in der Innerschweiz viele Leute an der SVP-Kampagne und insbesondere an der Plakataktion gestört haben. Zudem steht Tschümperlin fest: «Argumente haben in diesem Abstimmungskampf gezählt.»
SVP gibt keine Ruhe
Dem stimmt auch der freisinnige Berner Nationalrat Christian Wasserfallen zu: «Wir konnten aufzeigen, dass wenig Fleisch am Knochen war bei der Initiative.» Dies habe die Schweizer Bevölkerung gemerkt.
Die unterlegene SVP zeigte sich nicht erstaunt über das klare Nein. «Wir hatten eine breite Front gegen uns und mussten damit rechnen», sagte SVP-Vizepräsident Adrian Amstutz.
Kritik an der Abstimmungs-Kampagne wollen weder Amstutz noch der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr gelten lassen. «Wir würden nochmals mit den gleichen Argumenten ins Feld ziehen», sagte Fehr. Es sei wichtig, dass die Gemeinden über Einbürgerungsgesuche entscheiden könnten.
Die Hürden für Einbürgerungen seien höher zu legen. Die SVP werde einen Vorstoss einreichen, dass nur noch Personen mit einer Niederlassungs-Bewilligung C Einbürgerungsgesuche stellen könnten. «Dies und anderes wird die SVP durchsetzen», sagte Fehr.
«Schwarzer Tag»
Die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» hat das Volk haushoch verworfen worden. Das Initiativkomitee spricht von einem «schwarzen Tag für die direkte Demokratie».
Verantwortungsvolle Behörden könnten die Information nicht einfach Interessengruppen überlassen, sagte die freisinnige Nationalrätin Christine Egerszegi vom überparteilichen Gegen-Komitee.
Die Initiative wollte den Behörden eine Informationstätigkeit vor den eidgenössischen Urnengängen weitgehend verbieten.
«Schludriges» Dossier
Der Krankenkassenverband Santesuisse bezeichnete das Nein zum Gesundheitsartikel als verpasste Chance. Das Stimmvolk ziehe offenbar konkrete Gesetzesreformen mit klar ersichtlichen Konsequenzen allgemein gehaltenen Verfassungsgrundsätzen vor, teilte der Verband mit.
Laut dem Präsidenten der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), Jacques de Haller, hat das Stimmvolk mit dem deutlichen Nein klar ausgedrückt,dass es ein Kassendiktat und die Vertragsfreiheit ablehnt.
Die Sozialdemokratische Partei deutet die Ablehnung des Verfassungsartikels als Sanktionierung eines völlig «schludrigen» Dossiers des Parlaments. Das Volk habe Nein zur Macht der Krankenkassen gesagt, sagte SP-Vizepräsident Stéphane Rossini.
swissinfo
Einbürgerungsinitiative:
Nein-Stimmen 63,8%.
Lediglich der Kanton Schwyz hat die Initiative angenommen.
Maulkorb-Initiative:
75,2% Nein-Stimmen.
Alle Kantone haben abgelehnt.
Gesundheitsartikel:
Nein-Stimmen: 69,5%
Alle Kantone haben abgelehnt.
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