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Eine Ohrfeige für Bush

Die Schweizer Presse kommentiert die Niederlage der Republikaner. swissinfo.ch

Die Verluste der Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern des Parlaments bezeichnet die Schweizer Presse als eine Ohrfeige für Präsident George W. Bush.

Die Wahlniederlage seiner Partei werde den Präsidenten für die restlichen zwei Jahre seiner Amtszeit nicht nur aussenpolitisch schwächen, meinen die Zeitungen vom Donnerstag.

Der Berner Bund sieht im Ausgang der Zwischenwahlen in den USA eine Notbremse der Wählerinnen und Wähler.

«Das Volk in den USA legte in den letzten sechs Jahren die Exekutive und Legislative in die Hände der gleichen Partei. Und so vernachlässigte der Kongress die Kontrollfunktion gegenüber dem mächtigen Präsidenten.»

Die Folgen seien fatal, schreibt der Bund. «Die Republikanische Partei verwandelte Budgetüberschüsse dank Steuergeschenken an die Oberschicht und hemmungsloser Vetternwirtschaft in Defizite.»
Anlass, diese Politik in Frage zu stellen, habe es für Bush nicht gegeben, da ihm niemand auf die Finger klopfte. «Diese Aufgabe haben nun die Wähler übernommen», so der Bund.

Misstrauensvotum

Die Niederlage sei ein Ausdruck der verbreiteten Unzufriedenheit über die Politik der Administration Bush, vor allem im Irak, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.

«Letzteres wurde von Führern beider Parteien unterstrichen, und Bush versuchte noch am Mittwoch, mit der Ernennung eines neuen Verteidigungsministers einen Neuanfang in der Irak-Politik zu signalisieren. Aber auch die Häufung von Affären republikanischer Abgeordneter, eine gewisse Arroganz der Mehrheit und der ungenügende Leistungsausweis des Kongresses hatten der Partei schwer geschadet.»

Bush bleibt Chef

Doch jetzt einfach auf grosse Veränderungen zu hoffen, sei Wunschdenken, hiesst es im Zürcher Tages-Anzeiger.

«Präsident Bush bleibt Commander in Chief der weltweit einzigen Supermacht.»

Die Europäer würden gerne der Illusion erliegen, Demokraten und Republikaner in den USA würden sich aussenpolitisch so stark unterscheiden, wie sie das zum Teil innenpolitisch tun.

«Aber nach wie vor gilt für viele Amerikaner die Maxime, dass im Kriegsfall politischer Streit unter den Parteien zurückzustehen hat», schreibt der Tages-Anzeiger. «Auch deshalb muss Europa weiterhin auf eine transatlantische Partnerschaft setzen – unabhängig vom Ausgang des jüngsten Urnengangs.»

Denkzettel

In seinem Kommentar betont der Südschweizer Corriere del Ticino «das Gewicht des Irak, das auf den Stimmzetteln der Wählerinnen und Wählern in Amerika lastete». In den vergangenen fünf Jahren sei die nationale Sicherheit immer das zentrale Thema gewesen, auf das sich die politische Debatte konzentrierte.

Der Corriere bezieht sich im Kommentar auf den Thriller von Edgar Allan Poe «Der Brunnen und das Pendel», um das Wahlverhalten der Amerikaner zu beschreiben. Einmal so und dann wieder zurück.

«Das Verändern der Mehrheitsverhältnisse im Kongress ist eine Art von lebensrettendem demokratischem Mechanismus, um die Ungleichheit der politischen Kräfte auszugleichen und Gegensteuer zu geben.»

Für den Corriere del Ticino war nicht das bessere Programm der Demokraten wahlentscheidend. «Es war eine Denkzettel-Wahl gegen die Republikaner.»

Markige Worte

«Aus der Bahn geworfen» oder «böse Niederlage» – die Westschweizer Presse unterstreicht mit markigen Worten die Niederlage der Republikaner, für die sie Präsident Bush verantwortlich macht.

L’Express aus Neuenburg schreibt vom «Zombie-Präsidenten», 24 Heures spricht von der «Lahmen Ente» und La Liberté vom «Cowboy, der vom Pferd geworfen wurde». Alle Zeitungen weisen zudem auf die schwierige restliche Amtszeit des Präsidenten hin.

Le Temps kündigt nach dem Misserfolg des Präsidenten «das Ende der kurzen Periode an, während derer die USA geglaubt haben, die einzige Grossmacht zu sein und sich auch so verhalten haben». Die US-Administration habe ihre Kraft unüberlegt eingesetzt und damit so etwas wie «den Vorhang heruntergelassen».

24 Heures und die Tribune de Genève finden dennoch, dass sich «sicher nicht alles von heute auf morgen verändern wird, was von George Bush in Unordnung gebracht wurde. Nicht im Irak und nicht in Washington».

Und Le Quotidien Jurassien gibt zu bedenken, «dass auch die Demokraten keine Ersatzlösung haben».

swissinfo, Urs Maurer

Repräsentantenhaus (435 Sitze): Demokraten 228, Republikaner 196 plus 1 Unabhängiger.
Senat (100 Sitze): Demokraten 51, Republikaner 49.

In den USA setzt sich die Legislative – also der Kongress – aus gewählten Repräsentanten aller 50 Bundesstaaten zusammen. Laut Verfassung hat der aus zwei Kammern bestehende US-Kongress die Budgethoheit sowie das Recht zur Gesetzes-Initiative.

Es wird allgemein behauptet, der Kongress nehme Einfluss auf die amerikanische Politik, indem er den «Geldhahn auf- oder zudrehe». Allein dem Kongress kommt das Recht zu, Bundesgesetze zu erlassen, Kriegserklärungen auszusprechen und Verträge mit fremden Ländern zu unterzeichnen.

Die Mitglieder des Repräsentantenhauses werden für zwei Jahre gewählt. Jeder Repräsentant vertritt einen Wahlbezirk seines Bundesstaates. Die Anzahl der Wahlbezirke wird durch eine alle zehn Jahre durchgeführte Volkszählung festgelegt.

Senatoren werden für sechs Jahre gewählt. Ihre Wahlen finden gestaffelt statt, d.h. alle zwei Jahre wird ein Drittel des Senats neu gewählt. Die Verfassung sieht vor, dass der Vizepräsident dem Senat vorsteht. Er hat dabei kein Stimmrecht, ausser bei Stimmengleichheit.

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