Eine Schweizerin entscheidet sich für Obama
Déborah Fiaux ist amerikanisch-schweizerische Doppelbürgerin und Lehrerin an einer französischen Schule in Seattle. Lange Zeit hatte sie gezögert: Barack Obama oder Hillary Clinton?
An der Parteiversammlung ihres Wahlkreises nahe Seattle hat die 38-Jährige nun für den Senator von Illinois gestimmt.
Bevor sich Fiaux zur Schule begibt, wo die Parteiversammlung stattfindet, fühlt sie sich «sehr stolz, wählen zu dürfen». Obwohl sie weiss, dass beide demokratischen Kandidaten ihre Qualitäten haben, hat sie sich für Obama entschieden: «Ich vertraue ihm mehr.»
Er sei der Einzige, dem es gelingen könne, neuen Wind in die Politik des Landes einzubringen. «Und dies hat das Land dringend nötig», sagt sie. «Ich habe Lust, ihm diese Chance zu geben.»
Nach acht Jahren unter George W. Bush hoffe sie auf einen wirklichen Wechsel, auf einen Fortschritt, erklärt Fiaux, die im Jahr 2000 in die USA ausgewandert ist.
Sie gibt aber zu, dass bei ihrem Entscheid das «Feeling» eine grosse Rolle gespielt habe. «Obama hat ein unglaubliches Charisma», sagt sie bewundernd.
Mit Clinton, die sie sehr brillant und kompetent findet, würden alte Zeiten wieder aufgewärmt. Die Verbindung zu den Clinton-Jahren sei zu eng, fügt sie an. Obama sei viel progressiver und seine Ideen würden sie mehr überzeugen.
Grosser Ansturm im Veranstaltungslokal
Es ist das erste Mal, dass Fiaux in den USA an eine Parteiversammlung darf. Kurz vor 13.00 Uhr erreicht sie die «Pacific Cascade Middle School», 30 Kilometer östlich von Seattle, wo die Parteiversammlung ihres Wahlbezirks stattfindet.
Das Parkhaus ist schon überfüllt. Etwa 3000 Personen drängen sich in die Mensa der Schule. «Das habe ich noch nie gesehen», sagt Fiaux. Kaum ist sie eingetreten, erhält sie einen Anstecker «Obama08». Im Saal hängen einige Obama-Plakate, jedoch keines für Clinton.
Die Wähler sind nach Unterbezirken um mehrere lange Tische gruppiert. Der Ansturm ist gross, es hat keine Sitzplätze mehr. Die Leute sammeln sich rund um die Tische herum – stehend. Der Leiter des Tisches erklärt das Wahlprozedere.
«Das System ist wirklich kompliziert», sagt Fiaux nach einiger Zeit. Sie habe es ja gerne, wenn sich die Leute zu demokratischen Abstimmungen träfen, aber hier habe es zu viele Leute dafür, das sei unmöglich. «Es sieht aus wie in einem Bazar. Mir scheint, dass eine Schweizer Landsgemeinde effizienter ist», scherzt sie.
Kein Wahlgeheimnis
Die Leute können sich nun auf Listen eintragen: Name, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer, E-Mail und den Namen ihres favorisierten Kandidaten. Die Blätter werden herumgereicht, jeder kann das Votum des anderen sehen. Mehrheitlich steht der Name Obamas auf den Listen.
Am Tisch von Fiaux haben 74 Personen für Obama gestimmt, 24 für Clinton, 3 Stimmen sind leer eingegangen. Der Leiter des Tisches fragt, ob jemand noch seine Meinung ändern möchte, sonst stehe das definitive Resultat fest.
Die Leute beginnen zu diskutieren. Eine Unentschlossene wird identifiziert. Einige schreien ihr Parolen entgegen: «Vote for Obama!» Die junge Frau nimmt noch einmal die Liste zur Hand, löscht ihren Eintrag «undecided» und schreibt «Obama» hin.
Tisch für Tisch enden die Caucusse. Ein grosser Sieg für Obama steht fest. Bilanz von Déborah Fiaux: «Ein etwas veraltetes System. Die Versammlung ist chaotisch und unorganisiert. Ich hätte mehr Diskussionen zwischen den Leuten erwartet.»
swissinfo und Jean-François Schwab, sda
Die Idee hinter dem US-Wahlsystem ist, dass die Wähler und Wählerinnen in den einzelnen Staaten mitentscheiden können, wer als Präsidentschafts-Kandidat antreten wird. Wie die Delegiertenstimmen verteilt werden, ist von Staat zu Staat verschieden.
Die Anzahl der Delegierten hängt von der Bevölkerungszahl ab; die bevölkerungsreichen Staaten entsenden die meisten Delegierten.
Bei den Demokraten geschieht das grundsätzlich nach dem Proporz-System. Bei den Republikanern hingegen erhält der Kandidat mit den meisten Stimmen zum grossen Teil alle Delegierten. Zudem gibt es bei beiden Parteien unverpflichete Delegierte – darunter Parteigrössen, Parlaments-Abgeordnete und sonstige ehemalige und amtierende Politiker.
Wahltag ist am 4. November. Wobei auch hier wieder Delegierte gewählt werden. Das bedeutet: Der Kandidat mit den meisten Stimmen wird nicht unbedingt der nächste Präsident.
Wie im Jahr 2000, als Al Gore gegen George W. Bush verlor. Bush hatte weniger Wahlstimmen erhalten, aber 271 der Wahlmänner, Gore war auf 266 Wahlmänner gekommen.
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