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Es gibt kein schmerzfreies Sparen

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3,5 Milliarden Franken will Finanzminister Kaspar Villiger bis spätestens 2006 einsparen. Das wird in vielen Bereichen schmerzliche Folgen haben.

In Kürze will der Bundesrat einige Grundsatzentscheide fällen, wie das Sparpaket zu verwirklichen ist.

Die Erhöhung des Sparprogramms für die Bundesfinanzen von 2 auf 3,5 Mrd. Franken wird im Bundesrat hart diskutiert. Weil die Kernaufgaben des Staates gegen 90% der politisch beeinflussbaren Ausgaben ausmachen, sind jetzt einschneidende Abstriche unumgänglich.

Das führe zwar noch nicht “zum Untergang der alten Eidgenossenschaft”, gibt Bundesrat Villiger zu bedenken, doch hätten Einsparungen von 3,5 Mrd. negative Folgen für Landwirtschaft, Armee, Entwicklungshilfe oder Bildung.

Die sechs grössten Posten im Bundeshaushalt betragen zusammen über 33 Mrd. Franken. Das sind über 80% der Gesamtausgaben, ausgenommen Schuldzinse und Kantonsanteile an Steuereinnahmen.

Neuer Angriff auf die AHV?

Den grössten Anteil des Staatshaushaltes machen die Sozialversicherungen aus.

Bereits im Januar hat der Bundesrat beschlossen, bei der kommenden Rentenanpassung 2006 auf den Mischindex (Angleichung an Preis- und Lohnentwicklung) zu verzichten und nur die Teuerung auszugleichen. Damit würden 75 Mio. gespart.

Auch bei den Bundesbeiträgen an die Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung (AHV) können infolge revidierter volkswirtschaftlicher Grunddaten 110 Mio. gespart werden.

Wenn im Bereich AHV jetzt noch mehr gespart werden müsste, wäre das nur noch beim Teuerungsausgleich möglich, der den Bund gemäss Bundesamt für Sozialversicherung 220 Mio. kostet. Mit einer Halbierung des Ausgleichs könnten nochmals 110 Mio. gespart werden. Ein Szenario, das selbst von Innenminister Pascal Couchepin als unrealistisch bezeichnet wird.

Schwere Hürden auch in anderen Bereichen

Vorschläge, die Ausgaben für Bildung und Forschung statt, wie im Januar beschlossen, um 5% nur noch um 4% zu erhöhen, haben die zuständigen Bundesräte Pascal Couchepin und Joseph Deiss bereits abgelehnt.

Und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ist dagegen, dass das von der Schweiz beschlossene und weltweit verkündete Ziel, die Entwicklungshilfe bis 2010 von 0,34 auf 0,4% des Bruttosozialproduktes zu erhöhen, aufgegeben oder zeitlich verschoben wird.

Auch weitere als die im Januar beschlossenen Abstriche beim öffentlichen Verkehr (z.B. Eisenbahn-Grossprojekte) würden beim entsprechenden Departement nicht auf fruchtbaren Boden fallen.

Kantone zur Kasse gebeten

Der Bundesrat hat zwar versprochen, von einer reinen Kostenverlagerung vom Bund zu den Kantonen abzusehen. Doch bei weiteren Einsparungen würden die Kantone zur Kasse gebeten.

Das wäre beispielsweise für Abstriche im Asylbereich der Fall, die über den bereits von Justizministerin Ruth Metzler vorgeschlagenen fallweise Verzicht auf automatische Fürsorgeleistungen hinausgehen würden. Bereits der Vorschlag Metzlers löste bei den Kantonen Unmut aus.

Auch die von Verkehrs- und Energieminister Moritz Leuenberger vorgesehene Kürzung der allgemeinen Strassenbeiträge anstelle der Einstellung des Programms “Energie Schweiz” wäre eine reine Kostenverlagerung an die Kantone.

Erbschaftssteuer und erhöhte Mehrwertsteuer

Als Alternative zu einem allzu radikalen Zusatzsparpaket hat Finanzminister Villiger den Vorschlag lanciert, mit einer Bundes-Erbschaftssteuer oder einer Erhöhung der Mehrwertsteuer neue Einnahmen zu schaffen.

Eine Mehrwertsteuer-Erhöhung lehnen alle Regierungsparteien ab. In diesem Zusammenhang wies die Finanzkommission des Ständerates, die dem Sparpaket Villigers zustimmt, darauf hin, dass die Unternehmens-Besteuerung in der Schweiz zwar nach wie vor günstig ist. Doch habe es im vergangenen Jahrzehnt einen starken Anstieg der Fiskalquote gegeben. Dies sei ein Fingerzeig, mit weiteren Steuererhöhungen zurückhaltend zu sein, um den Kostenvorteil einer tiefen Steuerquote im Vergleich zu den wichtigsten Industriestaaten nicht zu verlieren.

Die Sozialdemokraten begrüssen als einzige Bundesratspartei die Prüfung einer nationalen Erbschaftssteuer. Die Kantone dagegen lehnen eine solche ab. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) weist darauf hin, dass mehrere Kantone die Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen in Volksabstimmungen bereits klar abgeschafft hätten. Die Pläne des Bundesrats seien deshalb wohl eher ein politisches Manöver, um das Sparen schmackhaft zu machen.

Kontroverse um Sparpaket hält an

Der Bundesrat will das 3,5-Milliarden-Sparpaket bis Ende April schnüren und im Sommer ins Parlament bringen.

In den nächsten Wochen wird sich erweisen, ob vorab die bürgerlichen Parlamentarier, deren Parteien das Sparpaket befürworten, bereit sind, die vorgeschlagenen Kürzungen zu unterstützen. Die Kontroverse um den finanzpolitischen Kurs des Bundes wird durch den Umstand, dass diesen Herbst das Parlament neu bestellt wird, zusätzlich angeheizt.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Die grössten Ausgaben des Bundes (ohne Schuldzinsen und Kantonsanteile an Steuereinnahmen):

Sozialversicherungen: 29%

Verkehr: 18%

Armee: 12%

Landwirtschaft: 9,6%

Bildung und Forschung: 9,4%

Entwicklungshilfe: 3,4%

Übrige: 18%

Bundesrat Kaspar Villiger rechnet im laufenden Jahr mit einem Loch in der Staatskasse von 8 bis 10 Mrd. Franken. Deshalb will der Finanzminister bis spätestens 2006 3,5 Mrd. Franken einsparen. Bereits im Januar präsentierte er ein Entlastungsprogramm für 2003 von 2 Mrd.

Mit dem Zusatzprogramm von 1,5 Mrd. will Villiger den abgelehnten Aufschub der Familienbesteuerung kompensieren. Dieses zweite Sparpaket zur Sanierung der Bundesfinanzen ist bei den politischen Parteien umstritten und führt auch im Bundesrat zu einem zähen Ringen.

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