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«Es gibt keine Alternative zur Weltklimakonferenz»

UNO-Klimakonferenzen als Monster-Anlässe: 10'000 Teilnehmer in Bali 2007 (Bild), bis zu 15'000 in Durban.. Keystone

Monsteranlass mit über 10'000 Teilnehmenden, kaum Fortschritte: Dieser Eindruck dominiert fast nach jeder Weltklimakonferenz . Zum Anlass sieht der Schweizer Umweltbotschafter Franz Perrez keine Alternative, plädiert aber für eine Reduktion der Sitzungen.

Kritische Beobachter sahen insbesondere nach den letzten beiden Klimagipfeln von Cancun 2010 und Kopenhagen 2009 nur dürftige Fortschritte. Was also bringen die jährlichen Riesenkonferenzen, ausser viel Spesen, schier unendlichen Diskussionen, und viel CO2-Ausstoss aufgrund von Zehntausenden von Flugstunden der Teilnehmer?

«Rein formell wäre es nicht nötig, dass so viele  Personen am Gipfel anwesend sind», räumt Franz Perrez, Leiter der Schweizer Verhandlungs-Delegation in Durban, gegenüber swissinfo.ch ein. Angeführt wird die Schweizer Delegation, die mit mit ihren gut 20 Vertreterinnen und Vertretern fast zu den Mini-Missionen zählt, von Umweltministerin Doris Leuthard.

Tatsächlich nimmt laut Perrez nur ein kleiner Teil der Anwesenden an den Verhandlungen teil. Die Mehrzahl vertrete Nichtregierungsorganisationen und Institutionen, die am Gipfel das Rahmenprogramm bestreiten.

«Aber durch die Grösse gewinnt der Anlass an Aufmerksamkeit und es wächst der politische Druck, Lösungen zu finden», sagt Perrez, der als Umweltbotschafter die Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt (Bafu) leitet.

Zermürbung als Verhandlungstaktik 

Liessen sich nicht wenigstens die Vorbereitungskonferenzen, von denen es jährlich bis zu fünf gibt, über umweltfreundliche Verhandlungen via elektronische Medien führen? «Für uns sind die elektronischen Medien keine Frage des ‹Entweder oder›, sondern wir halten wenn immer möglich Video- und Telefonkonferenzen ab und erarbeiten Positionen schriftlich via E-Mail», sagt Perrez. Dies funktioniere aber nur in kleineren Gruppen mit gemeinsamer Basis und gemeinsamen Zielen.

Ähnlich sieht es Patrick Hofstetter, der als Leiter Klima und Energie der Umweltorganisation WWF Schweiz ebenfalls zur Schweizer Durban-Delegation zählt. «Austausch und Informations-Diffusion liessen sich über die neuen Medien bewerkstelligen, nicht aber das Führen von Verhandlungen», sagt er. Bewährte Verhandlungstaktiken, aufgrund derer Teilnehmer irgendwann erschöpft seien und dann nachgeben würden, gingen bei elektronischer Verhandlungsführung verloren, so Hofstetter, der in Südafrika die Schweizer Umweltorganisationen und die «Allianz für eine verantwortungsvolle Klimapolitik» aus 60 Organisationen vertritt.

Global oder gar nicht 

Auch wenn der CO2-Ausstoss und die Temperaturen nach 15 Weltklimakonferenzen immer noch weiter steigen, ist die Institution für den Schweizer Umweltbotschafter Franz Perrez nach wie vor glaubwürdig und notwendig. «Die Klimakonferenzen sind der einzige Weg, um Fortschritte zu erzielen. Ein Regime zur Reduktion der Treibhausgase wird nur funktionieren, wenn es global verankert ist», ist er überzeugt.

Zwar sei die Frage legitim, ob der Prozess für Aussenstehende verständlich sei. Zudem zeigten neue wissenschaftliche Erkenntnisse deutlich, dass der gegenwärtige Prozess betreffend Reduktionsmassnahmen und Zielsetzungen nicht rasch und nicht ambitiös genug sei.

Kyoto auch mit Erfolgen

Aber von einem Versagen des bisherigen Weges kann laut Perrez nicht die Rede sein. «Dank des Kyoto-Regimes unternahmen viele europäische Länder inklusive der Schweiz Anstrengungen, die sie sonst nicht gemacht hätten. Die im Kyoto-Protokoll vereinbarten Ziele wurden insgesamt grundsätzlich erreicht.»

Als Erfolg des von den Vertragsländern verabschiedeten Klimaregimes wertet der Schweizer Verhandlungsleiter auch die freiwilligen Reduktions-Massnahmen, die zahlreiche Länder seit Kopenhagen und Cancún ergriffen hätten, insbesondere auch China.

Diese Zusagen verbucht auch Hofstetter als Erfolg. «Tatsächlich passen 40 bis 50 Länder, die Reduktionen zustimmten, ihre Gesetzgebungen an, es passiert also etwas on the ground.» Zur Messung der angesagten Reduktionen schlägt die Schweiz in Durban vor, diese unter die Lupe zu nehmen.

Schwerer Start für CO2 als neue Weltwährung 

Das aktuelle Schneckentempo beim Weltklimaschutz begründet Perrez mit dem Paradigmenwechsel, der bewerkstelligt werden müsse. «In der ersten Phase gingen die Industrieländer voraus. In einer zweiten Phase müssen alle übrigen Länder, insbesondere die USA und die Schwellenländer, verbindlich auf Emissionsreduktionen verpflichtet werden», sagt er. Ein entsprechendes Verhandlungsmandat wäre für ihn ein riesiger Fortschritt.

Für WWF-Vertreter Patrick Hofstetter hängen die Schwierigkeiten konkret mit der Etablierung von CO2 (Kohlendioxid, wichtigstes menschverursachtes Treibhausgas) als neue Weltwährung zusammen. Dieser Prozess, der vor 15 Jahren mit Kyoto gestartet worden war, sei enorm aufwändig. «194 Länder müssen verstehen, woher deren CO2-Emissionen kommen und wie diese vermieden werden können und sie müssen dies als mach- und wünschbar einschätzen. Das ist eine Kommunikationsleistung par Excellence, die geleistet werden muss», so Hofstetter.

Die Konferenzen müssten also wesentlich zum so genannten Capacity building (der Vermittlung von Wissen und Handlungskompetenzen) genutzt werden. Zwar zweifelt Hofstetter zuweilen auch, ob Konferenzen die effizienteste Art dazu seien. «Ich bin aber um Schluss gekommen, wenn auch mit einiger Ernüchterung, dass es diese Art der Inszenierung braucht, um die Thematik in der nötigen Breite platzieren zu können», sagt der WWF-Vertreter.

Kommt in Durban kein Kyoto-II-Abkommen zustande, geht für Perrez die Welt nicht unter. «Wichtig ist der Beschluss zur Steigerung der Ziele und Massnahmen, ob dies unter Kyoto II formalisiert ist oder nicht, ist sekundär.»

15’000 Teilnehmer, Scheitern vorprogrammiert: Heinz Wanner, einer der bekanntesten Klimaforscher der Welt, hat die Klimakonferenz in Durban stark kritisiert.

«Diese Form von Konferenz ist ineffizient, kostet viel Geld und verursacht einen hohen CO2-Ausstoss», sagte der Berner Professor für Geologie gegenüber der NZZ am Sonntag.

An den Klimakonferenzen kämen immer auch Teilnehmer ohne Kompetenz im Klima-Dossier zu Wort, bemängelt Wanner. Ein solches Format müsse – auch aus organisatorischen Gründen – Schiffbruch erleiden.

Insbesondere ärgert sich Wanner darüber, «dass gewisse Delegationen während der Konferenzen ausgiebig feiern und sich an traumhaften Stränden verlustieren, statt Resultate zu liefern».

Deshalb fordert Wanner eine straffere Führung und wieder mehr einflussreiche Exekutivmitglieder, die direkt und in kleinen Gruppen mit anderen Ländern verhandeln.

«Die Regierungen der wirklich wichtigen Länder wie China, Indien und der USA sollten sich zusammensetzen und reden. Denn ohne diese Staaten ist weltweiter Klimaschutz eine Farce», sagte Wanner.

Der emeritierte Berner Geologie-Professor ist Mit-Autor des Klimaberichtes des Weltklimarats IPCC und Träger des Prix Vautrin Lud, der höchsten internationalen Auszeichnung für Geografen.

Die Konferenz der UNO über den Klimawandel findet vom 28. November bis 9. Dezember im südafrikanischen Durban statt.

Es ist die 17. Länderkonferenz der UNO über die Konvention zum Klimawandel. Das Rahmenabkommen war 1992 von 194 Staaten unterzeichnet worden und trat 1995 in Kraft.

Durban ist das siebte Treffen nach Verabschiedung des Kyoto-Protokolls 1997, das 2005 in Kraft trat.

Die Klimakonferenz trifft Entscheidungen und verabschiedet Resolutionen. Die damit verbundenen Massnahmen müssen anschliessend von den Ländern umgesetzt werden.

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