«Es wäre schade, das Wallis zu trennen»
Walliser Politiker tragen sich mit der Idee, ihren zweisprachigen Kanton in zwei Halbkantone zu teilen, um die Probleme des Zusammenlebens zu lösen.
Thomas Fleiner, Spezialist für Föderalismus, sieht die Schweiz als Verliererin, wenn Kantonsgrenzen mit Sprachgrenzen gleichgesetzt würden.
«Was der Schweiz erlaubt hat, als Nation zu überleben, ist die Tatsache, dass die kantonalen oder politischen Grenzen sich nicht mit den Sprachgrenzen decken», sagt Thomas Fleiner, Direktor des Föderalismus-Instituts der Universität Freiburg, gegenüber swissinfo.
«Damit betrifft die Multikulturalität nicht nur die Kantone, sondern auch die Eidgenossenschaft.» Fleiner wäre daher enttäuscht, sollte sich der Kanton Wallis in «Unterwallis» und «Oberwallis» trennen.
Teilweise massive Mehrheit
In letzter Zeit hat sich die deutschsprachige Minderheit im Kanton über eine gewisse «ethnische» Diskriminierung beklagt, hauptsächlich im kantonalen Parlament.
«Es stimmt, dass die französischsprachige Zweidrittelmehrheit für die deutschsprachigen Oberwalliser teilweise sehr schwer wiegt», bestätigt Michel Clavien, Pressesprecher des Kantons. «Doch das gehört zur politischen Tradition im Kanton.»
Auch Fleiner will nicht verneinen, dass es im Wallis immer wieder zu Scherereien und Missverständnissen kommt. «Doch die gibt es auch anderswo, wie im zweisprachigen Kanton Freiburg, wo diese Frage auch spürbar ist.»
Achtsam bleiben
Fleiner meint, dass das Wallis besser über neue Modelle des Zusammenlebens nachdenken würde, als gleich mit radikalen Lösungen zu kommen.
Auch Clavien ist überzeugt, dass man achtsam bleiben müsse: «Es ist unbedingt notwendig, sich um die sprachlichen Minderheiten zu kümmern, sei es auf nationaler oder kantonaler Ebene.»
Er verweist dabei auf den Kanton Bern, «dessen Einstellung gegenüber seiner französischen Minderheit schliesslich zum Bruch geführt hat».
Zum Beispiel der Jura
Nach Jahren des Kampfs hatte die französischsprachige Minderheit des Jura im Norden des Kantons Bern 1979 einen eigenen Kanton gegründet. Doch das Problem konnte nicht aus der Welt geschaffen werden: Der Südjura, immer noch in Berner Besitz, verhält sich weiterhin unruhig und bernfeindlich.
Eine Initiative, die letztes Jahr den Absprung forderte, war von der jurassischen Regierung als nichtkonstitutionell eingeschätzt worden.
Doch die Berner haben gelernt und heute der Region ein Sonderstatut zugestanden. Ausserdem haben die beiden Kantone mit der Gründung einer interkantonalen Kommission die Zusammenarbeit in ihrer Grenzregion verstärkt.
Thomas Fleiner schätzt, dass «viele Dinge unternommen werden, um Frustrationen abzubauen – im Jura wie im Wallis».
Der Walliser Kantonssprecher bestätigt: «Zwei der fünf Mitglieder der Kantonsregierung sind deutschsprachig.» Ein ungeschriebenes Gesetz, das auch durch die Aufteilung der Wahlkreise in der Walliser Verfassung quasi garantiert wird.
swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
Die Schweiz hat 6 Halbkantone:
Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden sind nach dem Krieg zwischen Katholiken und Protestanten entstanden.
Basel Stadt und Basel Landschaft sind das Resultat eines Konflikts zwischen Bauern und Patriziern während der industriellen Revolution.
Obwalden und Nidwalden existieren bereits seit derart langer Zeit, dass niemand mehr den eigentlichen Grund der Trennung weiss. Ob überhaupt einmal nur ein Kanton existierte, ist ungewiss.
Zwei Unterwalliser Parlamentarier fordern in einem Postulat, dass die Frage der Trennung des Kantons Wallis geprüft wird.
Im Unterwallis leben 2/3 (französisch) der Bevölkerung, im Oberwallis 1/3 (deutsch).
Einige Oberwalliser Politiker sind ebenfalls für eine Trennung, weil sie sich im Kantonsparlament oft diskriminiert fühlen.
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