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Eskalationsrisiko im US-Steuerstreit

Die USA wollen mehr Bankkunden-Daten über angebliche Steuerhinterzieher. Keystone

Das Schweizer Parlament hat am Freitag in Bern einen Entscheid betreffend des Steuerstreits mit den USA aufgeschoben. Denn wegen möglicher Beihilfe zu Steuerdelikten einiger Schweizer Institute nimmt der Druck zu.

Dieser Aufschub könnte sich auf die laufenden Gespräche zwischen den USA und der Schweiz auswirken. Die Kleine Kammer, der Ständerat, betonte, dass er den Bundesrat in seinem Bemühen unterstütze, zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Die politischen Parteien hingegen sind sich uneins, welche Konsequenzen ein Abkommen auf das Bankgeheimnis haben könnte.

Die amerikanischen Behörden warnten, sie würden zu juristischen Mitteln greifen und im November gegen mindestens zehn verdächtigte Banken klagen, falls bis dann der Disput um den Zugang zu den Bankkonten nicht gelöst sei.

Zur Schlüsselfrage scheinen sich die Bedingungen zu entwickeln, unter denen die Schweiz Bankdaten von US-Bürgern mit Vermögen auf Schweizer Banken, die sie möglicherweise vor dem US-Steueramt versteckt halten, aushändigt.  

Das Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) von 1996, das weiterhin gilt, verpflichtet die Schweiz zu Amtshilfe für den Fall, dass jemand des «Steuerbetrugs und ähnlicher Vergehen» verdächtigt wird.

Ein neues DBA weitet dies aus auf seit September 2009 begangene Steuerhinterziehungen. Das Abkommen, vor zwei Jahren ausgehandelt, ist seitens der Schweiz gutgeheissen, aber seitens der USA noch nicht ratifiziert.

Da weiterhin Unklarheiten verbleiben, wie bedeutend der mögliche Transfer von Kundendaten ausfallen könnte, fragt der Bundesrat das Parlament formell an, diesen Zusätzen zum DBA zuzustimmen.

Der frühere Finanzminister Hans-Rudolf Merz war stark kritisiert worden, als er sagte, dass der Name des Kontoinhabers eine Vorbedingung für Schweizer Amtshilfe sei, nachdem der Bundesrat 2009 entschieden hatte, das Bankgeheimnis den Vorgaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) anzupassen.

Gruppenanfragen

Doch laut einem Schweizer Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts aus demselben Jahr, auf den sich der Bundesrat bezieht, können Bankdaten auch dann weitergegeben werden, wenn die Konteninhaber aufgrund von «Gruppenanfragen» identifiziert werden, wobei ein verdächtiges Verhaltensmuster vorliegen müsse.

Laut Bundesrat kann das neue DBA helfen, den laufenden Streit mit den USA bezüglich unversteuerter Vermögen zu regeln. Der Bundesrat schliesst andere mögliche Ansätze, die Banken in Rechtsverfahren zu unterstützen, aus.

Am Mittwoch sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf vor dem Ständerat, sie sei nicht bereit, Notrecht anzuwenden. Es gebe auch keinen verfassungsmässigen Grund, dies zu tun. «Sagen Sie uns dann nicht im November oder Dezember, wenn die Situation dann möglicherweise eskaliert: Ja, jetzt muss halt der Bundesrat Notrecht anwenden.»

Gegner eines Aufschubs des Entscheids über die DBA-Zusätze, unter ihnen der bekannte Tessiner freisinnige Ständerat Dick Marty, warnten, dass die US-Behörden genügend Grund hätten, über gewisse Schweizer Banken verärgert zu sein.

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Der Bundesrat sagte ausserdem, er sei nicht bereit, ein Abkommen analog dem UBS-Vertrag auszuhandeln. Denn heute seien sowohl die Situation wie auch die Umstände anders. 2009 hatte die Schweiz eingewilligt, die Details von mehr als 4400 Bankkunden zu transferieren, die verdächtigt wurden, die US-Steuergesetze umgangen zu haben. Damit wollte die Regierung vermeiden, dass möglicherweise verhängnisvolle Klagen gegen die UBS erhoben würden. 

Sonderabkommen

Claude-Alain Margelisch von der Schweizerischen Bankiervereinigung spricht sich für ein Abkommen mit den USA aus, das es erlauben würde, Bankkonten-Informationen zu transferieren, sogar wenn der betreffende Kontoinhaber nicht mit Namen bekannt ist.

Gegenüber der Basler Zeitung(BAZ) vom vergangenen Dienstag verteidigte Margelisch ein Sonderabkommen mit Washington. Doch ist er gegen eine Ausweitung dieses Privilegs auf Drittländer, wie dies Mitte-Links-Politiker fordern.

«Wir pflegen seit vielen Jahren mit den Amerikanern in Steuersachen ein separates Verfahren, das Qualified Intermediary Agreement», sagte er gegenüber der BaZ. Auch glaubt er, dass das vorgeschlagene Abkommen zur Amtshilfe mit dem Schutz der Privatsphäre der Bankkunden übereinstimme.

«Die US-Kundschaft hat immer die Option, entweder ihr Vermögen der US-Steuerbehörde zu deklarieren oder eine Verrechnungssteuer von 35% zu bezahlen.»

Opposition

Die Mitte-Rechts- und Rechtsaussen-Parteien lehnen den Vorschlag der Schweizer Regierung ab.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die traditionell der Banken- und Geschäftswelt nahe steht, wies den Bundesratsvorschlag ab und bezeichnete ihn als «Fishing Expedition durch die Hintertür».

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) warnte, der Vorschlag öffne den Weg zu einer weiteren Verwässerung des Bankgeheimnisses.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) ihrerseits erklärte, es brauche mehr Informationen zu einem definitiven Beschluss.

Während die Gespräche zwischen den amerikanischen und schweizerischen Unterhändlern weitergehen sollen, wird das Schweizer Parlament erst in der Dezember-Session wieder über das Geschäft beraten.

Das Schweizer Bankgeheimnis steht seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 international unter konstantem Druck.

Zahlreiche Länder, die unter riesigen Schuldenbergen leiden, machen auch Steuerlöcher in ihren Staatskassen für die schlimme Lage verantwortlich.

2009 wurde die Schweiz gezwungen, den erweiterten Informationsaustausch und die Neuaushandlung von Doppelsteuer-Abkommen zu akzeptieren. Damit konnte sie von der einer Grauen Liste verschwinden, auf der die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) internationale Steuerschlupflöcher geisselte.

2009 musste die UBS eine riesige Busse bezahlen, weil sie US-Bürgern zur Steuerflucht verholfen hatte. Die Schweizer Regierung war gezwungen, die Daten von 4450 US-Kunden der UBS an die US-Steuerbehörde zu übermitteln.

Grossbritannien, Italien, die USA und Deutschland räumten 2009 und 2010 ihren Bürgern Steueramnestien ein, damit diese ihre Vermögen legalisieren und allfällige Prozesse vermeiden konnten.

Steuerflucht wurde weiter durch so genannte Whistleblower publik gemacht, indem diese gestohlene Bankkunden-Daten an deutsche, französische und weitere Behörden verkauften.

Gegenwärtig ermitteln die USA gegen zehn Schweizer Banken wegen Beihilfe zum Steuerbetrug. Darunter sind die Credit Suisse und Kantonalbanken.

Die Schweiz hat im August mit Deutschland und Grossbritannien neue Doppelbesteuerungs-Abkommen abgeschlossen. Die Abkommen müssen noch von den Parlamenten der drei Länder gutgeheissen werden.

Früher in diesem Monat scheint die Schweiz Fortschritte bei Gesprächen mit Italien gemacht zu haben. Der italienische Senat macht Druck auf die Regierung in Rom für die Unterzeichnung eines revidierten Steuerabkommens.

Mit Frankreich dagegen ist kein Abkommen zur Lösung des Streits über unversteuerte Gelder in Sicht.

(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

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