EU-Kohäsionsfonds nötig für gute Beziehung
Die Beziehung der Schweiz zur Europäischen Union würde laut dem deutschen Botschafter geschädigt, falls das Stimmvolk den Kohäsionsbeitrag ablehnt.
Wirtschafsminister Joseph Deiss sekundierte den Kommentar und griff die Schweizerische Volkspartei wegen des Referendums gegen die Kohäsionsmilliarde scharf an.
Der neue deutsche Botschafter in der Schweiz, Andreas von Stechow, warnte die Schweiz deutlich vor einem Nein zum Kohäsionsfonds. Sollte das Stimmvolk die so genannte Ostmilliarde ablehnen, würde dies den Ruf der Schweiz als Verhandlungspartner schädigen, sagte er in einem Interview mit der » NZZ am Sonntag».
Das Land würde sich in diesem Fall politisch weiter von Europa abkoppeln, glaubt von Stechow. «So etwas bekommt ihr nicht gut. Das schädigt die Reputation eines Verhandlungspartners», befürchtet er.
Verantwortung übernehmen
Die Schweiz habe völlig zu Recht gesagt, wenn sie von den Vorteilen der Osterweiterung profitiere, dann müsse sie dafür eine Kompensationsleistung erbringen. Er mache sich aber nicht allzu grosse Sorgen. «Den Schweizer Stimmbürger darf man nicht unterschätzen. Er wird merken, dass es hier darum geht, Verantwortung zu übernehmen.»
Von Stechow machte in dem Interview zudem klar, dass es keine «EU-Mitgliedschaft light» geben wird. Den Schweizern stehe es völlig frei, bei der EU nicht mitzumachen. «Doch die Frage ist, ob das für die Schweiz auf die Dauer gut und nützlich ist», sagte er.
«Schaden wäre gross»
Auch Wirtschaftsminister Joseph Deiss hat kein Verständnis für das Referendum gegen den Beitrag, das aus der politisch rechten Ecke angekündigt wurde.
Eine Ablehnung der Kohäsionsmilliarde würde enorm viel Goodwill kosten, sagte er in der «SonntagsZeitung».
«Der wirtschaftliche Schaden wäre gross, denn unsere Unternehmen müssten dann in einem schlechten Klima geschäften», sagte er weiter.
Ein Nein würde auch den bilateralen Weg gefährden. Die EU oder einige EU-Länder könnten politische Konsequenzen ziehen und zum Beispiel den Schengen-Vertrag nicht ratifizieren.
Durchsichtiger Versuch
Gerade dies begreift Deiss nicht, habe doch die Schweizerische Volkspartei (SVP) immer auf den bilateralen Weg gepocht. Doch im konkreten Fall bekämpfe sie die Verträge, meist aus parteitaktischen Gründen.
«Diesmal ist es der durchsichtige Versuch, das Thema auszunützen, um im Hinblick auf die Wahlen 2007 Stimmung zu machen», sagte der Volkswirtschaftsminister.
Die SVP handle als Regierungspartei unverantwortlich, wenn sie aus parteitaktischen Gründen die guten Beziehungen der Schweiz mit der EU und damit die zentralen Interessen des Landes aufs Spiel setze.
Eine Geste
Schliesslich gibt Deiss zu bedenken, die Kohäsionsmilliarde sei nicht ein Eintrittspreis für die neuen Märkte in Osteuropa, sondern sie sei eine Geste, die aus Solidarität und eigenen Wirtschaftsinteressen gemacht werde.
«Manchmal sind kleine Gesten wichtig, wie im Privatleben, wo ein unerwarteter Anruf oder ein Blumenstrauss viel zu guten Beziehungen beitragen kann», sagte Deiss.
swissinfo und Agenturen
Der Kohäsionsfonds ist ein strukturelles Instrument, das seit 1994 den EU-Mitgliedstaaten hilft, ökonomische und soziale Unterschiede auszugleichen und ihre Wirtschaft zu stabilisieren.
Nach der letzten Ausweitung der EU 2004 hatte die Kommission die Schweiz aufgefordert, einen finanziellen Beitrag zu leisten, analog Norwegen, Island und Liechtenstein, der anderen drei Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandels-Assoziation (EFTA).
An einem Treffen zwischen der Schweiz und der EU einigte man sich im Mai 2004 auf einen Beitrag von 1 Milliarde Franken.
Die beiden eidgenössischen Parlamentskammern (Nationalrat und Ständerat) haben ein Gesetz verabschiedet, das die Details des Beitrags regelt.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die rechte Lega dei Ticinesi haben das Referendum angekündigt.
Verteilung der Schweizer Kohäsionsgelder (Beträge auf 1 Mio. Fr. gerundet):
489 Mio. Franken sollen nach Polen, 131 Mio. nach Ungarn und 110 Mio. nach Tschechien fliessen.
Litauen erhält 71 Mio., die Slovakei 67 Mio., Lettland 60 Mio., Estland 40 Mio., Slowenien 22 Mio., Zypern 6 Mio. und Malta 3 Mio. Fr.
Zwei Mio. Franken sollen als Restbetrag für spätere hochprioritäre Projekte reserviert bleiben.
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