EU weiter in Richtung Informationsaustausch
Die 27 EU-Finanzminister haben sich auf die neue EU-Richtlinie zur Amtshilfe geeinigt. Laut dem EU-Steuerkommissar wird damit das Bankgeheimnis zurückgebunden. Die Richtlinie gilt für die Staaten der EU, könnte aber auch die Schweiz betreffen.
Die Einigung kam am Dienstagabend und nach langem Ringen zustande. Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden zeigte sich nach der Sitzung zufrieden: «Damit werden wir in der Betrugsbekämpfung effizienter, behalten aber gleichzeitig den Schutz der Privatsphäre und der Bankdaten.»
Die neue Richtlinie wird voraussichtlich 2013 in Kraft treten. Frieden sieht darin keinen Schritt hin zum effektiven automatischen Informationsaustausch und damit in Richtung eines Endes des Bankgeheimnisses. «Die Daten für den automatischen Austausch müssen auf Ebene der Finanzverwaltungen verfügbar sein», und nicht auf Ebene der Banken, weist auch sein österreichischer Kollege Josef Pröll eine Verbindung mit dem Bankgeheimnis zurück.
Bankgeheimnis vorerst gerettet
Da von «verfügbaren Daten» für den automatischen Informationsaustausch die Rede sei, könne das Bankgeheimnis als Grund angeführt werden, wenn Daten nicht verfügbar, beziehungsweise bei einer Bank lägen, sagte Pröll weiter. Betroffen sind unter anderem Löhne und Renten.
Während Österreich und Luxemburg also ihr Bankgeheimnis vorerst gerettet sehen, schlägt EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta andere Töne an. «Steuerhinterzieher können nicht mehr länger das Bankgeheimnis nutzen, um nicht zahlen zu müssen, was sie sollten», sagte Semeta.
Er bezog sich dabei auf den Informationsaustausch auf Anfrage (nach OECD-Standard), wie ihn auch die Schweiz, Österreich und Luxemburg im März 2009 akzeptiert hatten. Dort ist unter anderem festgehalten, dass Daten nicht nur deshalb nicht herausgegeben werden dürfen, weil sie auf einer Bank liegen. Das betrifft aber nicht den automatischen Informationsaustausch.
Tremonti hat Schweiz im Visier
Semeta bezeichnete die Einigung als «grossen Schritt vorwärts in der Betrugsbekämpfung und gegen die Steuerflucht». Die EU-Mitgliedstaaten hätten damit ihr Bekenntnis bekräftigt, dass der automatische Informationsaustausch «der beste Weg hin zu Transparenz sei.
Einen andern Akzent setzt der italienische Finanzminister Giulio Tremonti, der sagte: «Das Abkommen wird dem Ansinnen, bilaterale Verträge abzuschliessen ein Ende setzen.» Damit machte Tremonti eine Anspielung an die Schweiz, die zurzeit mit Deutschland und England über neue Doppelbesteuerungsabkommen und über eine Abgeltungssteuer verhandelt und damit den automatischen Informationsaustausch umgehen will.
«Ich erwarte, dass das nun das Ende solcher Bemühungen ist», sagte ein zufriedener Tremonti am Dienstag nach der Sitzung.
Im Grundsatz einig
Frieden und Pröll sprachen dagegen von «interessanten Verhandlungen, die genau beobachtet werden». Er habe mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble über die «bemerkenswerte Entwicklung» gesprochen, sagte Pröll.
Die beiden EU-Länder hatten sich mit der Schweiz im Grundsatz auf ein System mit Abgeltungssteuer geeinigt, das laut Schäuble in der Wirkung dem automatischen Informationsaustausch gleichkommt.
Schweiz lehnt automatischen Austausch ab
«Während Brüssel ideologisch auf den automatischen Datenaustausch beharrt, signalisieren immer mehr Länder der Schweiz, dass sie an andern Lösungen interessiert sind», sagt James Nason, Sprecher der Bankier-Vereinigung, gegenüber swissinfo.ch. Den automatischen Datenaustausch lehne die Schweiz ab, so Nason, weil «sie nicht akzeptiert, dass andere Staaten ein automatisches Recht haben sollen, in die finanziellen Belange der Bürger Einsicht zu haben».
«Die EU hat ihre Haltung zum automatischen Informationsaustausch nicht geändert. Sie hat sich für ein schrittweises Vorgehen entschieden. So gesehen konnten Luxemburg und Österreich der Marschrichtung die in Richtung eines automatischen Informationsaustausches geht, etwas Einhalt geben und Zeit gewinnen», sagt Jean Russoto, der die Interessen des Finanzplatzes Schweiz in Brüssel vertritt.
Das Schweizer Bankgeheimnis ist seit den dreissiger Jahren gesetzlich verankert.
In den letzten 18 Monaten stand die Schweiz immer wieder unter Beschuss, weil sie Steuerhinterziehern aus dem Ausland helfe, deren Vermögen zu verstecken.
Im April 2009 hatte die OECD die Schweiz auf eine «Graue Liste» nicht kooperativer Steueroasen gesetzt.
Im September 2009 wurde die Schweiz wieder von dieser Liste gestrichen, nachdem sie mit 12 Ländern neue Doppelbesteuerungs-Abkommen ausgehandelt hatte, die einen erweiterten Informationsaustausch beinhalten (Amtshilfe).
Mehrere Länder, darunter Frankreich, Grossbritannien und die USA haben Steueramnestien erlassen, um hinterzogene Vermögen dem Fiskus wieder zuzuführen.
Die Grossbank UBS wurde 2009 zu einer Busse von 780 Mio. Dollar verurteilt, weil sie US-Kunden bei der Steuerflucht geholfen hat.
Im September 2009 hat die Schweizer Regierung zugestimmt, den US-Behörden die Daten von 4450 amerikanischen UBS-Kunden zu übermitteln – in Missachtung des Bankgeheimnisses –, um der UBS einen ruinösen Prozess zu ersparen.
Mehrere CDs mit gestohlenen Bankkundendaten wurden von deutschen Bundesländern gekauft.
((Adaption aus dem Französischen: Andreas Keiser)
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